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„Viri probati“ sind die falsche Lösung

Kai Schmalhausen Panizo, Bischof der Prälatur Ayaviri in den peruanischen Anden, über die Amazonas-Synode, die Schatten über dem Besuch des Papstes in Chile und den Erfolg der Tage mit Franziskus in Peru. Von Guido Horst
Bischof Schmalhausen mit Priestern seiner Pralatur
| Bischof Schmalhausen mit Priestern seiner Pralatur. Foto: Prälatur Ayaviri.

Herr Bischof, was war der stärkste Impuls, den der Besuch des Papstes in Peru für Sie gebracht hat?
Der  Besuch des Papstes Franziskus in Peru wurde im Rahmen unseres „ad limina”-Besuchs  im Mai des vergangenen Jahres entschieden. Die Erwartungen an sein Kommen in unser Land wuchs in den Monaten der Vorbereitung immer mehr. Man könnte sagen, dass der stärkste Impuls, den uns sein Besuch hinterlässt, die Verbindlichkeit aller Katholiken und Peruaner guten Willens ist, mitverantwortlich zu sein im Bezug auf die vielen religiösen und sozialen Herausforderungen unserer Nation. Peru ist ein Land großer Heiliger, die sich tiefgehend mit den Herausforderungen ihrer Zeit beschäftigt haben. Es gibt keinen Grund dafür, dass es heute anders sei.
 
War diese Reise – und vor allem die Begegnung mit den Indigenen in Puerto Maldonado – der Startschuss für die Amazonas-Synode 2019?
Ja, so ist es. Es ist der göttlichen Vorsehung zu verdanken, dass die Vorbereitungsphase des Besuchs des Heiligen Vaters im vergangenen Oktober mit dem Aufruf zur Teilnahme an der Amazonas-Synode zusammenfiel. Und er selbst hat die Gelegenheit seines Besuchs genutzt – am vergangenen Freitag in Puerto Maldonado –, um in Gegenwart des Kardinals Lorenzo Baldisseri die erste Versammlung des vorsynodalen Rates zu eröffnen.
 
Welche Erwartungen setzten Sie in die Amazonas-Synode?
Es ist anzunehmen, dass mit der Synode ein paar Aspekte universeller Reichweite angestoßen werden wie zum Beispiel der Umweltschutz, der Respekt und der Dialog mit Urvölkern, die ganzheitliche Ökologie und so weiter. Meiner Meinung nach beziehen sich aber die größten Erwartungen auf den örtlichen Bereich. Ehrlich gesagt hoffe und wünsche ich, dass wichtige Themen angesprochen werden wie die inkulturierte Evangelisierung besagter Völker, die Ausbildungspläne für die lokalen (indigenen) Priester und ihre pastoralen Mitarbeiter sowie die engagierte Hilfe der Bischofskonferenz und der Nachbarbistümer in jedem Land dieser so weiten und geografisch sowie ethnisch schwierigen Missionsgebiete.
 
Wie sieht es in Ihrer Prälatur Ayaviri mit dem Priesternachwuchs aus der indigenen Bevölkerung aus?
Hier stehen wir vor einer große Herausforderung. Gott sei Dank haben wir Berufungen aus Ayaviri. Es ist nötig, dass jene, die bereits Priester sind, nach einer angemessenen Vorbereitung die Verantwortung für die Ausbildung zukünftiger Priesteramtskandidaten übernehmen. Sie kennen die Mentalität, die Lebensart und das Zusammenleben in der Familie, ihre Gesellschaft, die Beziehung mit der Welt und den Personen. Wir brauchen keine Überbewertung kultureller Identitäten. Was wir brauchen sind Priester mit einer klaren priesterlichen Identität, die sie mit ihrem eigenen kulturellen Hintergrund leben.
 
In Europa spricht man im Zusammenhang mit der Amazonas-Synode viel von den „viri probati“. Sehen Sie darin eine Lösung für die Engpässe bei der pastoralen Begleitung der Gläubigen?
Ich sehe das nicht als realistische Lösung an. Meines Ermessens nach entsprechen Vorschläge dieser Natur einem kirchlichen Kontext von Druck und verzweifelter Suche nach Lösungen; doch genau deshalb sind solche Lösungen generell nicht gesund. Außerdem: Vermittelt man mit solchen Vorschlägen nicht eine falsche Botschaft? Damit sagen wir unseren Jugendlichen: Du kannst nicht zölibatär leben; es ist unmöglich, Jesus in der radikalen Liebe zum Dienst am Nächsten zu folgen.
 
Täuschen mein Eindruck und das Urteil mancher Medien (auch in Argentinien!), dass der Besuch in Chile für den Papst nicht so glatt verlaufen ist? Der Gottesdienst bei den Mapuches im Süden war ja nicht so gut besucht...
So ist es. Das hat auch die chilenische Presse sehr deutlich gemacht. Es ist wichtig zu bedenken, dass die Kirche in Chile einen komplexen und schmerzhaften Prozess der Entfremdung der Gläubigen durchgemacht hat. In diesen Tagen haben wir viele, sogar gewalttätige Proteste gesehen, doch die Indifferenz ist vermutlich noch größer gewesen. In diesem Rahmen kann man von einer wahrhaftigen Krise reden. Trotz allem es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass jede Krise auch eine neue Chance mit sich bringt.
 
Dagegen schien die Stimmung in Peru gelöster zu sein. Aber das sind nur Impressionen, die wir in Europa über das Fernsehen erhalten. Was war Ihr unmittelbarer Eindruck?
Die drei Tage, die wir an der Seite vom Papst Franziskus gelebt haben, waren einfach überwältigend; die Glaubensantwort der einfachen Personen, ihr Eifer und ihre Frömmigkeit, das Bedürfnis die Nähe Gottes zu spüren; die Bischöfe und Priester, die wir auf den Straßen unterwegs waren, wurden laufend um einen Segen gebeten. Die Katholiken in Peru haben ein besonderes Feingefühl im Glauben. Im Dezember durchlebten wir eine politische Unsicherheit mit der Möglichkeit der Entlassung des Präsidenten und der Lossprechung des Ex-Präsidenten Fujimori. Die Medien übertrumpften sich mit negativen Nachrichten. Plötzlich, auf einen Schlag, wurde all das beiseite gelassen und wir wurden von der ununterbrochenen und massiven Übermittlung des päpstlichen Besuchs überrascht. Auch die Regierung kooperierte auf entscheidende Weise, wofür wir sehr dankbar sind.
 
Vor der Amazonas-Synode findet im kommenden Oktober die für die Jugendlichen statt. Vor dem Gebet des Angelus am Sonntag in Lima hat sich Franziskus direkt an sie gewandt. Erreicht der Glaube der „Alten“ auch heute noch die „Jungen“ in Peru?
Ich möchte hervorheben, dass an allen Veranstaltungen und Feiern mit dem Papst viele Jugendliche teilgenommen haben. Ebenso waren häufig Eltern mit ihren Kindern und die Familien zu sehen. In einigen Fällen wird der Glaube von den Erwachsenen an die Jugendlichen vermittelt. In anderen finden sie ihn auf sehr unerwartete Weise. Es handelt sich um denselben Glauben, wenn auch Ausdrucksformen und die Praktiken anders sein mögen. Die Jugendsynode kommt in einem sehr guten Moment. Wir müssen nachdenken und für sie neue Formen der Evangelisierung anwenden. Das Drama der ausbleibenden Berufungen hat auch damit zu tun, dass wir in der Jugendpastoral hinterherhinken. Sie braucht ein „aggiornamento“.

 

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