Reisen für das Seelenheil

Impressionen von der 59. internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes. Von Heinrich Wullhorst
Militärbischof Franz-Josef Overbeck lässt sich mit einem Soldaten fotografieren.
Foto: Wullhorst | Die Begegnungen außerhalb der liturgischen Feierlichkeiten bleiben immer öfter auch im digitalen Gedächtnis: Militärbischof Franz-Josef Overbeck lässt sich mit einem Soldaten fotografieren.

Lourdes (DT) Uniformen prägen in diesen Tagen das Bild des französischen Wallfahrtsortes Lourdes. Überall marschieren militärische Einheiten durch die Stadt, rund um den Heiligen Bezirk, Kommandos erklingen und das rhythmische Stampfen der Stiefel begleitet die Musik der Marschkapellen. Zum 59. Mal treffen sich Soldaten aus fast 50 Nationen zu einer Begegnung, die der Verständigung und dem Frieden dienen soll. So steht die Internationale Soldatenwallfahrt in diesem Jahr unter dem passenden Leitwort „Dona nobis pacem – Gib uns deinen Frieden“.

Gerade noch haben die Pilger andächtig das Ave Maria gesungen. Jetzt erklingt von einer Bundeswehrkapelle, gleichsam als Alternativprogramm, außerhalb des Wallfahrtsbezirkes das „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer. Diese Mischung aus spirituellem Erleben und der Freude an Gemeinschaft findet man hier in Lourdes an jeder Ecke. Irische und österreichische Soldaten haben sich vor einem Pub versammelt und singen voller Begeisterung. Sie erfahren hier Gemeinschaft, die ein wesentliches Element dieser Pilgerreise ist. „Das beginnt schon im Sonderzug hierhin“, berichtet Hauptmann Heinrich Märker von seiner anstrengenden, aber bewegenden Anreise. „Immer wieder bekamen wir in unserem Abteil Besuch von verschiedenen Priestern. Da ist man schnell beim Du und kommt über den einfachen Smalltalk dann schnell zu einer tieferen, christlichen Begleitung auf dem Weg nach Lourdes.“ Der Offizier aus München hat nicht den Eindruck, dass die schlechte Presse über die Bundeswehr in den letzten Wochen der Stimmung in der Truppe geschadet hat. Auf die Pilger bezogen stellt er fest, dass die aktuelle Debatte im Zug kein Thema war. „Ich finde es toll, dass wir uns hier so präsentieren und dass vor allem auch viele junge Kameradinnen und Kameraden dabei sind.“ Es gebe in der Bundeswehr bei weitem mehr als das, was man zurzeit in der Presse lesen könne. „Wir haben das Herz am rechten Fleck und leisten einen wichtigen Dienst. Und dabei ist es schön, dass auch die Kirche hinter uns steht.“ Nach 36 Dienstjahren steht für den Hauptmann, der in Kürze in den Ruhestand geht, noch das eine oder andere besondere Ereignis auf der Agenda. „Und da gehört die Teilnahme an der Soldatenwallfahrt definitiv dazu.“

Gemeinsames Handeln ist ein zentraler Inhalt der Predigt des österreichischen Militärpfarrers Oliver Hartl beim Gottesdienst der deutschsprachigen Pilger am Freitagvormittag. Viele sind zur Lourdesgrotte gekommen, um den Zusammenhalt der Soldaten in der eucharistischen Gemeinschaft zu erfahren. „Die Liebe Gottes muss spürbar werden in den militärischen Einheiten, in denen wir dienen“, betont Hartl. „Soldaten wirken in der Gemeinschaft für den Frieden in ihren Ländern“, ergänzt der Militärseelsorger. „Wir müssen miteinander denken, reden und tun.“ Der Militärpfarrer ruft die Soldaten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum mutigen Glaubensbekenntnis auf. Dabei warnt er vor einem blindem Gehorsam: „Wir dürfen nach unserem Gewissen frei denken und handeln, auch als Soldaten.“

Die internationale Eröffnungsfeier der Wallfahrt am Freitagabend in der Basilika Pius X. hat etwas vom Auftakt olympischer Spiele. Fahnenabordnungen aller teilnehmenden Nationen ziehen in die unterirdische Kirche sein. In dem im Jahre 1957 fertiggestellten Betongewölbe finden bis zu 25 000 Menschen Platz. Nach den Fahnen folgt der Einzug der Soldaten, stimmungsvoll begleitet durch das Heeresmusikcorps Kassel unter Leitung von Oberstleutnant Tobias Terhardt. Der französische Militärbischof Luc Ravel entzündet eine Kerze, die den Wunsch nach Frieden symbolisiert. In einer schriftlichen Grußbotschaft wendet sich Papst Franziskus an die Soldaten. Er vertraut sie und ihre Familien „dem Schutz unserer Lieben Frau von Lourdes“ an und erteilt jedem den Apostolischen Segen. „In diesen stürmischen Zeiten ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Friede eine Gabe ist, um welche die Menschen unaufhörlich Gott den Vater bitten sollen: Dona Nobis Pacem“, heißt es in der Botschaft des Papstes. „Es ist eure Berufung, Diener des Friedens zu sein in einer ganz besonderen, aber authentischen Form. So werdet ihr für eure Gegner wie auch für eure Waffenbrüder, die euren Glauben nicht teilen, zu echten Zeugen der Wahrheit.“

Auf der Wallfahrt den Glauben neu entdeckt

Die nur schwer zu beschreibende Atmosphäre dieser Veranstaltung zieht die Teilnehmer in ihren Bann. Einer von ihnen ist Marco Cygan. Den 29-jährigen Berliner hat seine erste Wallfahrtsteilnahme im vergangenen Jahr so bewegt, dass er den Weg zum Glauben zurückgefunden hat. „Lourdes hat für mich eine besondere Magie. Sie liegt in der Spiritualität dieses Ortes, aber eben auch in dem Miteinander der Soldaten aus vielen Nationen“, berichtet er. In seiner Jugend habe er den Glauben aus dem Blick verloren. In dem Wallfahrtsort in den Pyrenäen habe er ihn neu entdeckt. Die Eröffnungsveranstaltung in der Basilika im letzten Jahr habe ihn so ergriffen, dass er beschlossen habe, sich wieder mit der Kirche und dem Glauben zu befassen. Deshalb empfängt Marco Cygan am nächsten Morgen beim Zeltlagergottesdienst der deutschen Soldaten durch Militärbischof Franz-Josef Overbeck das Sakrament der Firmung. So bekennt er öffentlich seinen Glauben, der ihm auch als Soldat wichtig ist. „Glaube bedeutet für mich Liebe, miteinander und füreinander da zu sein“, beschreibt er.

In seiner Predigt erinnert Overbeck an den ersten humanitären Auslandseinsatz der Bundeswehr im Rahmen eines UN-Mandates 1992 in Kambodscha. Inzwischen sei die Beteiligung deutscher Streitkräfte an multinationalen Missionen zur Normalität geworden. „Vertrauen ist ein hohes Gut, dass Bundeswehr und Kirche niemals verspielen dürfen“, betonte der Bischof. Nur im Vertrauen bleibe der Frieden kein Strohfeuer, sondern „wird ein Leuchtfeuer, das Kraft zum Leben gibt“.

Nach dem Gottesdienst treffen sich die deutschen Pilger im Zeltlager zur Begegnung mit ihrem Bischof. Jetzt werden die Mobiltelefone gezückt. Selfies mit dem Oberhirten der Bundeswehr stehen auf der Agenda und Franz-Josef Overbeck nimmt sich die Zeit zum Gespräch mit seinen Soldaten. In einer eigenen Talkrunde können sie ihm Fragen stellen, die sie bewegen. Dabei geht es um den eigenen Lebensweg des Bischofs, seine Berufungsgeschichte, aber auch um die aktuellen Fragen zur Tradition der Bundeswehr.

Nach dem Totengedenken im Zentrum von Lourdes begeben sich die Soldaten zum Heiligen Bezirk. Hier beginnt die Lichterprozession. Die Frauen und Männer in Uniform zünden ihre Kerzen an. Als sich der Abendhimmel verdunkelt, flackern sie stimmungsvoll und erhellen manches Gesicht, das Ergriffenheit widerspiegelt. Hier wird noch einmal das deutlich, was Marco Cygan als die besondere Magie dieses Ortes beschreibt. Das gemeinsame Singen und Beten verbindet nicht nur die Menschen, es bringt Nationen zusammen. So entsteht abseits vom Lärm des Tages, den die im Gleichschritt auf den Asphalt knallenden Stiefel verbreiten, und der permanenten Marschmusik, die man bei fast jedem Truppenumzug geboten bekommt, hier jetzt eine Oase spiritueller Ruhe. Eine Ruhe, die der Seele gut tut.

Eine Katechese mit dem Glas Bier in der Hand

Im Gespräch mit Bischof Overbeck macht er deutlich, was ihn an Lourdes bewegt. Sein erster Aufenthalt führte ihn bereits als Schüler dorthin. Untergebracht war er in dem Zeltlager, das jetzt seine Soldaten beherbergt. „Es war damals im Juli hier bitterkalt und hat von morgens bis abends geregnet“, berichtet er. Dennoch ist er später immer wieder hierhin zurückgekommen, als Priester und als Bischof, „häufig auch mit Gruppen kranker Menschen“. Er habe es dabei immer als sehr wichtig empfunden, dass es solche Orte für Kranke und Menschen mit Sorgen gibt. Die Soldatenwallfahrt habe, so der Bischof, noch einmal ihren eigenen Charme. „Ich komme gerne hierher.“ Er betont dabei neben der spirituellen die persönliche Komponente. Die „Katechese“ mit dem Glas Bier in der Hand am Abend sei ein wichtiger Bestandteil gerade dieser Soldatenwallfahrt.

Mit dem Abschlussgottesdienst und der anschließenden Schlussfeier in der Basilika Pius X. endet die 59. Internationale Soldatenwallfahrt. Die deutschen Soldaten erwartet vor ihrer Abreise allerdings noch ein weiterer stimmungsvoller Höhepunkt: Das Konzert des Heeresmusikcorps Kassel in der Kirche St. Bernadette. Und viele sagen an diesem Abend: „Im nächsten Jahr kommen wir sicher wieder, denn hier werden aus Kameraden Freunde.“

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