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Pells Anwalt sorgt für Irritationen

Robert Richter spricht von „Blümchensex“, um das Strafmaß für den Kardinal zu mindern.
Kardinal Pell: Anwalt irritiert mit Äußerungen
Foto: Daniel Pockett (AAP) | Bei der Unterredung mit dem Richter und anderen Anwälten hatte Pells Anwalt, Robert Richter, argumentiert, diese Straftaten seien bloß ein Fall von „Blümchensex“ (auf Englisch: „plain vanilla sex“) gewesen.

Eine Bemerkung des Anwalts von Kardinal George Pell, Robert Richter, bei der Anhörung nach dem Schuldspruch gegen den Beklagten am vergangenen Dienstag hat ein neues Licht auf den Fall geworfen. Bei der Unterredung mit dem Richter und anderen Anwälten, bei der es um das angemessene Strafmaß auf der Grundlage des Urteils ging, hatte der Anwalt argumentiert, diese Straftaten seien bloß ein Fall von „Blümchensex“ (auf Englisch: „plain vanilla sex“) gewesen. Vor Gericht hatte der Anwalt außerdem erklärt, dass sein Mandant nur eine leichte Strafe verdiene, wenn man bedenke, dass die sexuellen Übergriffe „weniger als sechs Minuten“ gedauert hätten und es nicht zu einer Ejakulation gekommen sei. Von den Medien waren diese Äußerungen so verstanden worden, als habe Richter damit grundsätzlich sexuelle Übergriffe des Kardinals eingeräumt, zu denen es nach einer Messe in der Kathedrale von Melbourne im Jahr 1996 gekommen sein soll. Die Opfer sollen zwei 13 Jahre alte Chorknaben gewesen sein, von denen einer bereits an einer Überdosis Drogen verstorben ist.

Anwalt entschuldigt sich für "vollkommen unangemessene Wortwahl"

Anschließend hat sich Anwalt Richter Richter für die Verwendung der Begriffs „Blümchensex“ öffentlich entschuldigt. „Im Bestreben, eine milde Strafe zu erlangen, habe ich eine vollkommen unangemessene Wortwahl benutzt, für die ich mich bei allen zutiefst entschuldige, die diese in einer Weise interpretiert haben, wie sie nie gemeint war“, heißt es in einer Erklärung Richters vom Donnerstag. Er habe niemals das Leid und die Verletzungen der Missbrauchsopfer „verharmlosen“ wollen, schreibt Richter weiter. Die „Schwere des Verbrechens“ sei vielmehr von Anfang an durch das „Eingeständnis“ anerkannt worden, dass dafür eine „Haftstrafe gerechtfertigt ist“. Am 13. März soll das Strafmaß für Pell verkündet werden. Es könnte sich auf eine Haftstrafe von bis zu fünfzig Jahren belaufen. Pell wurde am Mittwoch verhaftet und in ein Gefängnis in Melbourne überstellt. Anwalt Richter hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Der Vatikan hatte zunächst am Dienstag durch seinen Interims-Sprecher Alessandro Gisotti erklären lassen, man werde das Ergebnis des Berufungsprozesses abwarten. Bis es „definitive Fakten“ gebe, seien dem Kardinal aber weiterhin die öffentliche Ausübung seines Amtes sowie jeglicher Kontakt mit Minderjährigen verboten. Gisotti bekräftigte, dass der Vatikan die australischen Gerichte achte, erinnerte aber zugleich daran, dass Pell stets seine Unschuld beteuert und ein Recht auf Verteidigung bis zur letzten Instanz habe. Außerdem wies Gisotti darauf hin, dass Pell nicht mehr Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats ist. Die fünfjährigen Amtseit des 77 Jahre alten Kardinals war wenige Tage vor der Veröffentlichung des Schuldspruchs abgelaufen.

Glaubenskongregation wird sich um den Fall Pell kümmern

Einen Tag später, am Mittwoch, legte Gisotti mit einer weiteren Ankündiguzng nach: Nun werde auch die Glaubenskongregation aktiv. „Sie wird sich um den Fall kümmern, gemäß den Vorgehensweisen und Zeiten, die die kanonischen Normen dazu vorgeben“, erklärte der Vatikansprecher. Italienische Medien spekulieren bereits darüber, ob dem ehemaligen Finanzchef des Papstes das gleiche Schicksal wie dem laisierten ehemaligen Kardinal Theodore McCarrick drohen könnte. Zunächst aber hat die australische Justiz das Wort. Nach der Verkündigung des Strafmaßes kommt das Berufungsverfahren, dann erst könnte die Glaubenskongregation die Gerichstakten aus Australien anfordern und dem säkukaren Prozess einen kanonischen folgen lassen.

DT/gho

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