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Müller kritisiert totalitäre Interpretation von Religion

„Entweder ist jemand religiös, dann ist er kein Terrorist, oder er ist Terrorist, dann ist er nicht religiös“, so Kurienkardinal Müller bei einer Veranstaltung des päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“. Von Heinrich Wullhorst.
Kardinal Müller warnt vor Kampf gegen christlichen Glauben
Foto: Heinrich Wullhorst | Ein Auseinanderfallen von religiöser Botschaft und dem Verhalten radikalisierter Personengruppen finde man in Teilen auch im Buddhismus und im Hinduismus.

„In der Gegenwart wird der Kampf gegen den Glauben an Christus generalstabsmäßig organisiert und international durchgeführt“, warnte der ehemalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Gerhard Kardinal Müller, bei einer Veranstaltung von „Kirche in Not“ in Köln. Die Hilfsorganisation erinnerte an die Wiederkehr des Todestages ihres Gründers, des „Speckpaters“ Werenfried van Straaten. „Der Glaube an Gott als den Ursprung und das Ziel allen Seins soll durch von einzelnen Staaten und NGOs finanzierte Programme der Ent-Christianisierung ausgelöscht werden“, kritisierte der Kardinal. Es sei das Ziel, ihn durch eine materialistische Konsumhaltung zu ersetzen.

Nicht nur militante Islamisten hegen totalitäre Interpretation von Religion

Müller kritisierte Länder mit einer totalitären Interpretation der Religion. Dies betreffe nicht nur den militanten Islamismus. Ein Auseinanderfallen von religiöser Botschaft und dem Verhalten radikalisierter Personengruppen finde man in Teilen auch im Buddhismus und im Hinduismus. „Religiöser Terrorismus ist ein Widerspruch in sich selbst“, betonte der Kardinal. „Entweder ist jemand religiös, dann ist er kein Terrorist, oder er ist Terrorist, dann ist er nicht religiös.“

Wie sich ein solcher Terror in verschiedenen Ländern auf die Menschen und die Kirche auswirkt, beschrieben Bischof Juan-José Aguirre Muñoz aus der Zentralafrikanischen Republik, Weihbischof Edward Kawa aus der Ukraine und Pater Alvaro Valderrama Erazo aus Venezuela auf dem Veranstaltungspodium.

Allein die Kirche ist verlässliche Konstante für die Menschen

Die Zentralafrikanische Republik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. In den seit 2013 umkämpften Gebieten gibt es zumeist keine staatliche Ordnung mehr. Radikale Milizen führen einen brutalen Kampf. „Die Söldner kontrollieren inzwischen 80 Prozent des Landes“, weiß Bischof Muñoz. „Auf der einen Seite sind es Dschihadisten, die aus den Golfstaaten losgeschickt werden, um unser Land zu erobern. Es ist aber kein Religionskonflikt, es geht ihnen vielmehr darum, unsere Bodenschätze auszubeuten.“

Auch von christlicher Seite gebe es Terror. Die als Bürgerwehrgruppen gegründeten Anti-Bakalar-Milizen seien inzwischen in die Kriminalität abgedriftet. Von ihnen gehe eine ähnliche Gefahr aus, wie von den Islamisten. In dieser Gemengelage sei allein die Kirche eine verlässliche Konstante für die Menschen. „Die Missionare sind ihnen nahe, sie machen ihnen Mut und geben ihnen Hoffnung aus der Gnade Gottes.“

Pater Alvaro spricht über humanitäre Krise in Venezuela

Eine tiefe wirtschaftliche und humanitäre Krise beschreibt der aus Venezuela stammende Pater Alvaro. Viele Jahrzehnte habe sich das Land in einem politisch stabilen Zustand befunden. 1999 sei dann Hugo Chavez gekommen. Er habe mit der "bolivarischen Revolution", einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" versprochen. „Er gab vielen Menschen die Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit und Frieden“, erklärt Pater Alvaro.

Letztlich gelang es Venezuela, trotz seiner großen Vorkommen an Öl und Bodenschätzen aber nie, wirtschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die soziale Mindeststandards ermöglicht hätten. Vielmehr sei ein System entstanden, in dem sich die Eliten bedienten. „Das Volk von Venezuela gehörte nicht zu den Gewinnern“, so Alvaro. Unter Chavez Nachfolger Maduro habe sich die Lage verschlimmert. „Von Woche zu Woche wird die Lage der Wirtschaft, aber auch die humanitäre Lage dramatischer.“

Kirche in Venezuela Institution mit größter Glaubwürdigkeit

In dem südamerikanischen Land sieht Alvaro die Kirche als Hoffnungsanker: „Sie ist in unserem Land die Institution mit der größten Glaubwürdigkeit, weil sie immer nah bei den Menschen war“, erklärt Alvaro. Mit einem dramatischen Appel haben sich die katholischen Bischöfe Venezuelas jetzt an die Regierung Maduro gewandt. „Sie haben die himmelschreienden Sünden der Politik angeprangert“, beschreibt der Pater.

Auch in der nach wie vor umkämpften Ostukraine sichern Priester die humanitäre Versorgung der Menschen in der Donbas-Region. Weihbischof Edward Kawa aus Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine hat als 13-Jähriger den Zerfall der Sowjetunion erlebt. „Damals ist der Frühling über uns gekommen“, beschreibt er  das Ende der Drangsalierung und systematischen Verfolgung der Christen im Kommunismus.

Podiumsteilnehmer ein Situation, in der Christen besonders betroffen sind

Gekippt sei die Situation 2014 mit den Studentenprotesten auf dem Maidan in Kiew. „Ihren Forderungen nach einer Westorientierung haben sich viele Bürger angeschlossen, die in Würde und Selbstbestimmung leben wollten“, beschreibt der Weihbischof die Ausgangslage vor der Besetzung der Krim-Halbinsel. Das anschließende Referendum habe im Donbas-Becken eine Wunde eröffnet, „die immer noch blutet“. Familien seien zerrissen worden, „Brüder kämpfen gegen Brüder“.

Egal aus welcher Region die drei Podiumsteilnehmer kommen: Sie eint eine Situation, in der Menschen durch wirtschaftliche oder politische Verhältnisse bedrängt und die Christen zumeist besonders betroffen sind. Deshalb ist die Kirche in den Ländern dankbar für die Unterstützung durch „Kirche in Not“. „Sie greift nicht nur materiell, sie gibt vor allem auch Mut“, machte Bischof Muñoz deutlich.

DT

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