Christen und Pilger würden ihren Hauptzugang zum christlichen Viertel der Altstadt von Jerusalem und vor allem den Hauptzugang zur Grabeskirche verlieren“, warnen die Kirchenoberhäupter Jerusalems. „Die Handlungen dieser radikalen Gruppe bedeuten nicht nur einen Angriff auf die Eigentumsrechte der griechisch-orthodoxen Kirche, sondern auch einen Angriff auf den Schutz des Status quo für alle Christen in dieser heiligen Stadt Jerusalem und sie bedrohen zutiefst die christliche Präsenz in unserem geliebten Heiligen Land“, schreiben sie in einer kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Erklärung, nachdem der Oberste Gerichtshof einen vierzehn Jahre andauernden Rechtsstreit zwischen dem Griechisch-Orthodoxen Patriarchat und der israelischen Siedlerorganisation Ateret Cohanim – übersetzt: Krone der Priester – endgültig entschieden hat.
Im Jahr 2004 hatte Nikolas Papadimos, der Finanzdirektor des damaligen griechisch-orthodoxen Patriarchen Irenaios, mit drei ausländischen Investmentfirmen einen Pachtvertrag über drei Gebäude in der Jerusalemer Altstadt abgeschlossen: unter anderem für die beiden bei christlichen Pilgern sehr beliebten Hotels „New Imperial“ und „Petra“, die prominent zwischen dem Jaffa-Tor und dem Eingang zum christlichen Markt, der zur Grabeskirche führt, stehen. Der abgeschlossene Pachtvertrag geht über eine Dauer von 99 Jahren und beinhaltet die Option auf eine Verlängerung um weitere 99 Jahre. Die Investmentfirmen handelten im Auftrag einer religiös-zionistischen Organisation namens Ateret Cohanim, die somit das Nutzungsrecht erworben hat. Sie unterhält bereits eine Torah- und Talmudschule im muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt und ihr erklärtes Ziel es ist, durch den Kauf von Immobilien auf eine jüdische Mehrheit in der Altstadt sowie in den arabischen Nachbarschaften Ost-Jerusalems hinzuwirken.
Durch einen Artikel in der israelischen Zeitung „Maariv“ wurde der abgeschlossene Pachtvertrag 2005 publik. In der Folge entschied der Heilige Synod der Griechisch-Orthodoxen Kirche die Absetzung des Patriarchen Irenaios und an seiner Statt wurde Theophilus III. zum neuen Patriarchen Jerusalems. Vor einem israelischen Gericht klagte er noch im selben Jahr gegen den abgeschlossenen Pachtvertrag und die damit einhergehende Übertragung der Nutzungsrechte an Ateret Cohanim: Dieser sei durch eine Bestechung des Finanzdirektors Nikolas Papadimos durch die Siedlerorganisation zustande gekommen; der Heilige Synod hätte die für den Vertragsabschluss notwendige Zustimmung nicht gegeben; der Pachtvertrag sei unter dem Marktwert der Gebäude abgeschlossen worden. Der ehemalige Patriarch Irenaios weist jede Verantwortung von sich und erklärte mehrfach, dass er an dem Vertragsabschluss nicht beteiligt war. Er beschuldigt seinen ehemaligen Finanzdirektor Nikolas Papadimos, eine für andere Angelegenheiten erteilte Vollmacht zur Unterzeichnung der Pachtverträge ohne Wissen des Patriarchen genutzt zu haben.
2018 erklärte das Bezirksgericht in Jerusalem den 2004 abgeschlossenen Pachtvertrag für rechtmäßig. Die vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat eingelegte Berufung wurde vergangene Woche vom Obersten Gerichtshofs Israels abgelehnt und damit das vorherige Urteil bestätigt. In der 17-seitigen, der „Tagespost“ vorliegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshof verweisen die Richter unter anderem darauf, dass das Griechisch-Orthodoxe Patriarchat nur im Falle dieses von Nikolas Papadimos im Namen des damaligen Patriarchen Irenaios abgeschlossenen Pachtvertrages dessen Rechtmäßigkeit widersprechen, während andere von beiden im Namen der Kirche ebenso abgeschlossene Verträge nicht beanstandet werden. Zudem seien zwar viele Dokumente vorgelegt, die auf eine Bestechung Nikolas Papadimos durch Ateret Cohanim hinweisen sollen, jedoch böten diese keinen Beweis für eine Korruption, die zum Vertragsabschluss geführt habe. Auch haben unabhängige Gutachter bestätigt, dass der Vertrag zum damaligen Marktwert abgeschlossen wurde. Gemäß geltendem israelischen Recht ist der Pachtvertrag somit rechtsgültig.
Die direkte, praktische Bedeutung dieser Gerichtsentscheidung ist jedoch momentan unklar. Die Familie Dajani, die das Hotel „New Imperial“ betreibt, und die Familie Kiresh, die das Hotel „Petra“ führt, besitzen einen geschützten Mieterstatus, der auf einem osmanischen Gesetz basiert, das die Mieten begrenzt und willkürliche Räumungen verhindern soll. Dieser Schutzstatus legt fest, dass drei Generation ein feststehendes Mietrecht besitzen, das erst nach dem Tod der dritten Generation erlischt. Doch für Ost-Jerusalem sind Fälle belegt, in denen die Organisation Ateret Cohanim versucht hat, diesen Schutzstatus der Mieter zu umgehen.
Kurz nach der Entscheidung vom Israels Oberstem Gerichtshof erklärte der palästinensische, griechisch-orthodoxe Erzbischof Atallah Hanna, dass das Urteil „ungesetzlich und unerlaubt“ sei: „Die Inbesitznahme der historischen Grundstücke des Jaffa-Tores durch extremistische Siedlerorganisationen ist eine neue Katastrophe angesichts des schon bestehenden Unglücks der Christen in dieser Heiligen Stadt.“ Unter griechisch-orthodoxen Gläubigen in der Stadt hört man zugleich jedoch auch Kritik am Patriarchen und die durch Griechen dominierte Kirchenführung. Zunehmend fordern die palästinensischen Gläubigen mehr Transparenz darüber, wie ihre Kirche mit den Besitzungen umgeht. Und immer öfters hört man: „Wir leben unter einer doppelten Besatzung: Wir leiden unter den Israelis und wir leiden unter dem nicht-palästinensischen Patriarchat unserer Kirche.“