Nicht ein systemischer Defekt der Kirche ist schuld an den Missbrauchsvergehen in der Kirche, sondern das Versagen einzelner Personen. Das stellt Bernhard Meuser, Publizist und Youcat-Initiator, in einem ausführlichen Beitrag für die kommende Ausgabe der „Tagespost“ dar. „Warum taucht der Terminus ,systemisch’ immer dann auf, wenn Gutachten mit expliziten Namen von Tätern und ihren amtlichen Beschützern auftauchen?“, fragt Meuser. „Und warum geht es in nahezu jedem Dokument des Synodalen Weges um die ,systemische’, aber nie um die persönliche Dimension von Schuld?“
Kirche als „Täterorganisation“
Für den katholischen Publizisten ist die Rede von den „systemischen Ursachen“ der Missbrauchskrise, von der Verankerung des Missbrauchs „in der DNA der Kirche“ oder von der Kirche als „Täterorganisation“ (Georg Bätzing) ein einziges Ablenkungsmanöver. Es gebe allerdings gute Gründe, der „bösen Kirche“ die Schuld in die Schuhe zu schieben, meint Meuser weiter: „Bischöfe fallen nicht vom Himmel; sie waren in aller Regel, bevor sie Bischöfe wurden, tief eingebunden in die Routinen und administrativen Strukturen ihrer Bistümer – und sie wussten um die dunklen Ecke, die nicht aufgehellt, und die problematischen Mitbrüder, die nicht bloßgestellt werden durften.“
Die Belasteten werden entlastet
So habe sich die Praxis eingeschlichen, mit der Formel „Systemisch“ die Belasteten zu entlasten und dafür die Institution Kirche als solche zu belasten, die reifgeschossen werden soll, damit andere sie übernehmen können. Auf die Frage, wer schuld am Missbrauch sei, laute die „systemische“ Antwort: keiner. „Keine konkrete Person. Kein Täter, kein Bischof, kein Generalvikar, kein Personalchef, kein Regens. ,Die Kirche’ ist schuld. Das System ist schuld. Die Gewalt ist schuld. Die Struktur ist schuld. Der Klerikalismus ist schuld. Die fehlende Demokratie in der Kirche ist schuld. Die geballte Männermacht ist sowieso immer schuld. Die Überhöhung des Priesterbildes ist schuld. Die Schuld ist schuld. Die Sexualmoral ist schuld. Die Homophobie ist schuld.“
Bischöfe können sich nicht selber richten
Meuser gibt zu Bedenken, dass auf diese Weise die reale Aufarbeitung der Missbrauchsverbrechen behindert werde: „Bis dato ist kein Verantwortungsträger, der seine Aufsichtspflicht verletzte, aus dem Amt geschieden“, so der Publizist. Und weiter: „Auch Bischöfe sollten wissen: Keiner kann Richter in eigener Sache sein. Ein Gremium mit Expertise und objektiver Autorität zu finden, das selbst nicht wieder in einen Interessenkonflikt verwickelt ist, und sich demütig diesem Gremium zu stellen, wird die große Aufgabe der nächsten Jahre sein.“
DT/gho
Lesen Sie den ausführlichen Essay von Berhard Meuser in der kommenden Ausgabe der „Tagespost“.