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„Wir dürfen auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorangehen“

Die Münsteraner Diözesanratsvorsitzende Kerstin Stegemann glaubt nicht, dass vom Synodalen Weg eine Spaltung ausgehen könnte. Von der Kirche fordert sie im Gespräch mit der Tagespost, häufiger einfach loszulegen und etwas zu tun – etwa was den Frauenanteil angeht.
Diözesanratsvorsitzende Stegemann glaubt nicht, dass vom Synodalen Weg eine Spaltung ausgehen könnte
Foto: Synodaler Weg/Besim Mazhiqi | "Diejenigen, die hier diskutieren, sind die Gläubigen vor Ort, und die müssen immer mitgenommen werden", so die Münsteraner Diözesanratsvorsitzende Stegemann.

Frau Stegemann, in der Diskussion vorhin um die Corona-Pandemie ist der Satz gefallen: „Wir müssen einfach mal machen – nicht immer warten, bis etwas entschieden wird.“ Was ist damit konkret gemeint?

Wir haben in der Corona-Pandemie gesehen, dass ganz viele Gruppen vor Ort einfach losgelegt haben. In dem Moment, als der Lockdown begonnen hat, haben sie ein Problem erkannt. Menschen konnten sich nicht mehr selbst versorgen, da sie nicht rausgehen konnten. Masken waren nicht in umfassendem Umfang vorhanden. Oder Gottesdienste konnten nicht mehr wie geplant stattfinden. Diese Gruppen haben sich über Nacht gebildet, teilweise gab es sie vorher schon, manche Gruppen haben sich neu zusammengeschlossen. Sie haben dahin geschaut, wo gerade Hilfe gebraucht wurde nicht gefragt, welche Rahmenbedingungen könnten uns das jetzt ermöglichen. Manchmal hilft es einfach, loszulegen und nicht erst zu schauen, ob man das überhaupt darf.

Gilt das auch für die anderen Themen? Das Thema Sexualität ist beispielsweise eine große Baustelle, wo eine Diskrepanz besteht zwischen dem Anspruch, den Kirche eigentlich an sich richtet, und dem, was die Menschen erwarten. 

"Wir könnten auch jetzt schon den Frauenanteil erhöhen –
dann wären wir ein gutes Stück weiter als wir es heute sind"

Ich finde, beim Thema Frauen in Leitungsämtern zeigt sich das sehr gut. Wir haben ein Papier, das beschreibt, was eigentlich schon möglich ist. An der Stelle kommt die Frage auf, wieso machen wir das denn nicht, was hält uns denn davon ab? Wollen wir das nicht? Ich finde, da sollten wir einfach mal loslegen und etwas tun. Wir könnten auch jetzt schon den Frauenanteil erhöhen – dann wären wir ein gutes Stück weiter als wir es heute sind. 

Was sind Ihre Erwartungen insgesamt an den Synodalen Weg? Heute handelt es sich ja nur um ein „Hearing“, irgendwann gibt es dann Beschlüsse. Aber die Frage am Ende lautet: Was wird aus solchen Beschlüssen?

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Das ist das Spannende. Das kann ich mir auch noch nicht so richtig vorstellen. Es reicht ja nicht, einen Text zu verabschieden, den lesen dann alle, und das war's. Es braucht noch weitere Instrumente, wie etwa ein „Controlling“ oder eine Evaluation. Ich glaube auch, dass unsere Bemühungen noch viel mehr auf die Ortsebene heruntergebrochen werden müssen. Diejenigen, die hier diskutieren, sind die Gläubigen vor Ort, und die müssen immer mitgenommen werden, gefragt werden ob das, was wir hier überlegen, ihrer Realität entspricht, ob es ihren Bedürfnissen entspricht – da braucht es immer wieder eine konsequente Rückbindung. 

Wir beschäftigen uns hier sehr stark mit der deutschen Kirche, reden über deutsche Probleme, sind aber trotzdem Teil der Weltkirche. Wie kann man das Problem am Ende auflösen? Wird es eine Spaltung geben, in deutsche Kirche und Weltkirche? 

"Ich glaube nicht, dass es zu einer Spaltung kommt,
aber vielleicht gibt es unterschiedliche Realtitäten
in unterschiedlichen Ländern"

Ich glaube nicht, dass es zu einer Spaltung kommt, aber vielleicht gibt es auch da unterschiedliche Realitäten in unterschiedlichen Ländern. Wir müssen ja nicht für alle die gleichen Lösungen finden, sondern auch da ein bisschen schauen, was braucht es da, was entspricht der Kultur, der Tradition, und ich glaube, dann dürfen wir auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorangehen. 

Lesen Sie ausführliche Hintergründe zu den fünf Regionalkonferenzen des Synodalen Wegs in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

Themen & Autoren
Heinrich Wullhorst

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