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Von links überholt

Der Ökumenische Kirchentag hinterlässt den Eindruck einer Veranstaltung ohne Relevanz. Ökumene wirkte vier Tage lang als Spiegelsaal der kirchlichen Blase. Und auch der Episkopat hielt sich zurück.
Abschluss 3. Ökumenischer Kirchentag
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Thomas Sternberg, katholischer Präsident des 3. Ökumenischen Kirchentages und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, spricht während des Schlussgottesdienstes des 3. ökumenischen Kirchentags.

Man stelle sich vor, es ist Ökumenischer Kirchentag und keiner kann genau sagen, wen das Ganze eigentlich interessiert. Der Frankfurter Veranstaltung mochte nicht einmal Ökumenebischof Gerhard Feige rückblickend Relevanz bescheinigen. Ökumene wirkte vier Tage lang als Spiegelsaal der kirchlichen Blase. Die politischen Botschaften fielen nicht weiter auf, weil das Publikum fehlte.

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Konzept "digital und dezentral" funktioniert nicht

Zum einen ließen sich die Gläubigen beider Konfessionen nicht nachweislich in das Konzept „digital und dezentral“ einbinden. Vor Ort saß man eher vereinzelt vor dem Bildschirm statt gemeinsam zu beten. Dem Ökumenischen Kirchentag fehlte damit sein traditionelles Erkennungsmerkmal: die Bilder voll besetzter Hallen und singender und flanierender Menschenmengen als Kontrastprogramm zu sonntäglich spärlich besetzten Kirchenbänken. Seit mehr als einem Jahr finden pandemiebedingt in vielen evangelischen Gemeinden keine Präsenzgottesdienste mehr statt, während in den katholischen Gottesdiensten die Zahl der Messbesucher deutlich zurückgegangen ist.

Als gemeinsamer Nenner erwies sich, dass Christen beider Konfessionen in den vergangenen Tagen auch ohne ÖKT auskamen. Die Zurückhaltung schloss den Episkopat mit ein: Ganze fünf katholischen Bischöfe standen auf dem Hauptprogramm, kein orthodoxer Metropolit. Die auf Selbstdarstellung ausgelegten gemeinsamen Mahlfeiern am Samstag abend verfehlten letztlich den von den Veranstaltern angestrebten Effekt, weil den Planern ein Denkfehler unterlaufen war: Was in vielen Gemeinden selbstverständliche Praxis geworden ist, bedarf aus deren Sicht keiner lautstarken Provokationen mehr. Daher blieb die erhoffte Begeisterung über die demonstrative Einladung zur ökumenischen Mahlgemeinschaft gerade dort aus, wo sich Sonderwege eingebürgert haben.

Für weltkirchlich denkende Christen war der ÖKT ohnehin inakzeptabel. Zurück bleibt der Eindruck, dass die Basis die Planer auf der linken Spur überholt hat. Angesichts des überschwänglichen Lobes für das individuelle Online-Abendmahl scheinen jene, die Frankfurt als „Durchbruch“ wähnen, dem christlichen Mainstream in Deutschland bereits hinterherzuhinken. 

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