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Rücktrittsforderungen gegen Kardinal Vincent Nichols

Kardinal Nichols wird vorgeworfen, dass die katholische Kirche in Großbritannien unter seiner Leitung sowohl in ihrer Fürsorgepflicht wie auch in der Opferbetreuung versagt habe. Auf Rücktrittsforderungen ging der Erzbischof von Westminster bisher jedoch nicht ein.
Kardinal Vincent Nichols
Foto: Mohammed Saber (EPA) | Bereits in der Vergangenheit waren Vorwürfe laut geworden, dass Kardinal Nichols seinen Aufgaben nicht gerecht werde.

Zwei Anwälte haben im Zuge des britischen Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche den Rücktritt von Kardinal Vincent Nichols gefordert. Richard Scorer und David Enright, die die Interessen von 50 Missbrauchsopfern vertreten, veröffentlichten die Forderung in einem offenen Brief. Kardinal Nichols hatte sich letzte Woche den Fragen der „Independent Inquiry into Child Sexual Abuse“ (IICSA) stellen müssen. Die IICSA wurde 2014 von der damaligen Innenministerin Theresa May ins Leben gerufen, um Institutionen auf ihre Fürsorgepflicht in den Fällen sexuellen Missbrauchs zu überprüfen.

Nicht über Versagen Einzelner hinwegsehen

Scorer und Enright werfen dem Erzbischof von Westminster vor, dass die Kirche sowohl in ihrer Fürsorgepflicht als auch in der Opferbetreuung „versagt“ habe. Zwar verorteten die Anwälte die Wurzeln dafür in den „kulturellen und strukturellen Gegebenheiten der katholischen Kirche“, doch könne man nicht über das Versagen einzelner Personen hinwegsehen.

Nichols habe nicht nur in seiner jetzigen Funktion als Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der Bischofskonferenz von England und Wales Fehler gemacht, sondern auch schon in seiner Zeit als Erzbischof von Birmingham. Zeugen hätten die Schutzmechanismen in den Diözesen als „dysfunktional“ und „unsicher“ bezeichnet. Nichols könne die katholische Kirche in England „nicht mehr glaubwürdig führen“. Die Kirche benötige Anführer, die Respekt vor den ihnen gestellten Aufgaben hätten – der Kardinal habe gezeigt, dass dies bei ihm nicht der Fall sei. „Für uns und jene, die wir vertreten, ist es klar, dass für ihn die Zeit gekommen ist, zurückzutreten.“

Nichols verweigerte Untersuchungen gegen Sexualstraftäter

Bereits in der Vergangenheit waren Vorwürfe laut geworden, dass der Erzbischof von Westminster seinen Aufgaben nicht gerecht werde. So habe sich Nichols jahrelang geweigert, Untersuchungen gegen den bekannten Sexualstraftäter Michael Hill einzuleiten. Bei der Anhörung letzte Woche stellte sich heraus, dass er einen Brief der beiden Bischöfe Peter Doyle und Philip Egan ignoriert hatte, die ebenfalls eine Untersuchung gefordert hatten. Susie Hayward beklagte, dass sie als Beauftragte für Missbrauchsprävention in der katholischen Kirche mehrfach von Kardinal Nichols abgeblockt worden sei, obwohl sie um ein Treffen gebeten habe.

Kardinal Nichols gestand in der Anhörung seine persönlichen Versäumnisse ein. Auf die Vorwürfe angesprochen sagte er: „Wir sind voller Widersprüche – ja, ich habe versagt.“ Die Maßnahmen gegen Missbrauch in der Kirche seien nur schleppend verlaufen. Auf die am Montag veröffentlichte Rücktrittsforderung hat Nichols bisher nicht geantwortet.

Nichols seit 2009 Bischofskonferenz-Vorsitzender

Vincent Nichols ist seit 2009 Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der Bischofskonferenz von England und Wales. Papst Franziskus ernannte ihn 2014 zum Kardinal. Er gilt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der katholischen Kirche im Vereinigten Königreich.

DT/gal

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