Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz die Gründe für seinen am Vormittag bekanntgegebene Bitte an Papst Franziskus, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen, noch einmal bekräftigt. Der Schritt sei eine „ganz persönliche Entscheidung“ gewesen, die er in seinem Gewissen getroffen habe, erklärte Marx am Mittag vor dem Erzbischöflichen Ordinariat. Beratungen hätten „nur in ganz kleinem Kreis“ stattgefunden.
Marx: "Es muss sein"
Marx erklärte weiter: „Je mehr ich darüber nachgedacht habe, war mir klar, es muss sein.“ Er wolle den Schritt des Amtsverzichts auch deshalb gehen, weil ihm das Evangelium die Richtung weise. Wörtlich sagte der Kardinal: „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren, wer es verlieren will, wird es gewinnen.“ Sein Schicksal, so Marx, liege nun in den Händen des Papstes.
Ob sein Schritt Konsequenzen für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln nach sich ziehen werde, ließ Marx offen. Ohne den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der sich seit Monaten selbst mit Rücktrittsforderungen konfrontiert sieht, namentlich zu erwähnen, erklärte Marx: „Ich möchte auf die Mitbrüder nicht einwirken.“ Jeder müsse seine Verantwortung wahrnehmen „in der Art und Weise, wie er es tut. Da kann und möchte ich keine Vorschriften machen“.
Papst entscheidet über weiteres Schicksal des Kardinals
Gleichzeitig betonte der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK): „Ich bin nicht amtsmüde, ich bin nicht demotiviert.“ Vielmehr sei er überzeugt, dass die Gesellschaft die Stimme des Evangeliums brauche, genauso wie sie eine Kirche brauche, die bereit sei, sich zu erneuern. Der 67-Jährige betonte: „Mein Dienst für die Menschen und die Kirche ist nicht zu Ende nach 42 Jahren als Priester und 25 Jahren Bischof.“ Wo er pastoral wirken könne, möge der Papst entscheiden.
Darüber hinaus bekräftigte Marx, Mitverantwortung für die Vergehen sexuellen Missbrauchs, übernehmen zu wollen, die in der Kirche geschehen seien. „Es gibt Aufarbeitungsprozesse und Gutachten, das ist wichtig und notwendig“, so Marx. Jedoch gehe es nicht nur um juristische Aufarbeitung: „Für mich ist genauso wichtig, dass Menschen in der Institution Kirche nicht Heil sondern Unheil erfahren haben.“
Zwar könne niemand rückgängig machen, was geschehen sei. „Aber die Betroffenen erwarten, dass Zeichen der Übernahme von Verantwortung gesetzt werden“, erklärte Marx. Er selbst habe sich in dieser Hinsicht in den letzten Monaten stärker herausgefordert gesehen. Der Erzbischof von München und Freising wörtlich: „Der Weg ist noch nicht zu Ende. Vieles ist vorangegangen, aber wir sind noch nicht am Ende.“ Zum einen gehe es um individuelles Versagen der Amtsträger, zum anderen auch um institutionelle Verantwortung. Letztere könne nur der Bischof selbst übernehmen. „Ich kann nicht damit zufrieden sein, dass mir persönlich nichts oder nur wenig juristisch nachgewiesen wird. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen“, so Marx.
Gründe in Brief an Papst dargelegt
Kardinal Marx hatte am Freitagvormittag bekanntgegeben, Papst Franziskus seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising angeboten zu haben. Bereits am 21. Mai legte er dem Papst in einem Brief die Gründe für diesen Schritt dar.
In einer persönlichen Erklärung, die dieser Zeitung ebenso wie der Brief an den Papst vorliegt, teilte Marx mit, er habe in den vergangenen Monaten immer wieder über einen Amtsverzicht nachgedacht, „mich geprüft und versucht, im Gebet und im geistlichen Gespräch durch ,Unterscheidung der Geister' eine richtige Entscheidung zu treffen“. Die „Ereignisse und Diskussionen“ der letzten Wochen hätten dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt. DT/mlu
Weitere Hintergründe zum Amtsverzichts-Angebot des Münchner Kardinals Reinhard Marx lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.