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Marias heiliges Haus steht in Loreto

In Loreto wird die Muttergottes als Schutzpatronin der Piloten und Raumfahrer verehrt.
Basilika vom Heiligen Haus in Loreto
Foto: Vatican Media (KNA) | In der Tradition seiner Vorgänger beteten Papst Franziskus im März 2019 vor dem Gnadenbild.

Wie der Solitär eines edlen Diadems erhebt sich die auffällige Silhouette der Kirchenkuppel über die madonnenmantelblaue Adria. Alleine der Ausblick vom Felssporn, auf dem die Altstadt von Loreto um das Heiligtum erbaut wurde, ist eine Reise wert.

Die Bastion des Kirchenbaues wird vom Norden her vom natürlich gewachsenen Bollwerk des Monte Conero, einem mit Pinien und Wacholder bewachsenen Kreidefelsen, beschirmt. Drinnen in der Basilika werden wir diese Edelsteinfarben noch einmal bewundern können – auf den Fresken an den Wänden, in der Sakristei, in der bemalten Kuppel. Golden leuchten Heiligenscheine, Kronen, Kreuze und Tabernakel in den Kapellen, die das Haus der Heiligen Familie mit der Marmorummantelung von Bramante wie ein Perlenkranz umgeben. Das winzige Häuschen unter dem Marmor besteht aus einfachen dunkelbraunen Backsteinen, die Schwarze Madonna thront über dem Altar, der mit den Worten „Hic verbum caro factum est“ beschrieben ist.

Schutzpatronin der Ballonfahrer, Flugkapitäne und Astronauten

Von Charles Lindbergh wird gesagt, dass er eine kleine Statuette der Muttergottes von Loreto auf seinem Atlantikflug mit sich trug, die Apollo 9-Mission hatte ihre Medaille an Bord. Diese Tradition beruht auf einer Geste von Papst Benedikt XV., der die Schwarze Madonna im Jahr 1920 zur Schutzpatronin der Ballonfahrer, Flugkapitäne und Astronauten ernannt hat – die neue Patronin fand gerade auch bei den Fliegern im Ersten Weltkrieg gute Aufnahme. Das Jubiläumsjahr wurde bereits im Dezember 2019 in Loreto mit der Eröffnung einer heiligen Pforte durch Kardinal-staatsekretär Pietro Parolin eröffnet. Doch nicht nur in Loreto können Gläubige besondere Ablässe erwerben, sondern auch in Flughafenkapellen auf der ganzen Welt.

Doch warum ist das so? Zur lauretanischen traditionellen Überlieferung – lauretanisch ist das deutsche Adjektiv, das sich auf Loreto bezieht – gehört nämlich, dass das heilige Haus aus Nazareth von Engeln durch die Lüfte an die italienische Adriaküste getragen wurde. Zahllose Maler, Freskenmaler, Bildhauer und Steinmetze haben dieses Motiv im Laufe der Jahrhunderte bearbeitet.

Das Motto des Jubiläumsjahres lautet indes „Das Lauretanische Jubiläum: Berufen, hoch zu fliegen“. Dazu erläuterte der Wallfahrtsdirektor von Loreto, Erzbischof Fabian dal Cin, dass sich dieses spezielle Jahr nicht nur an die Beschäftigten in der Luftfahrt richten würde, sondern an alle Menschen – das Bild des Fluges sei eine Metapher für das Leben: „Wir alle sind dazu aufgerufen, hoch zu fliegen. Nicht um von der Wirklichkeit zu fliehen, sondern andersherum, um die Wirklichkeit neu zu betrachten. Die Wirklichkeit ist das Rollfeld, von dem wir uns jeden Tag erheben können, um zwar drinzubleiben im Alltag, ihn aber gleichzeitig von einer höheren Warte aus zu betrachten. Das Leben im Alltag: das Leben im Privaten, das öffentliche Leben, die Weltpolitik. Das Leben mit den Augen Gottes und des Evangeliums lesen zu lernen – das ist die Botschaft des Jubiläums.“

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Auf vielen Flughäfen gibt es Kapellen

Doch die meisten Menschen, so Erzbischof dal Cin, die heute per Flugzeug unterwegs seien, seien vielmals sehr beschäftigt und eingespannt, wüssten nicht einmal, dass es auf vielen Flughäfen Kapellen gebe, die Momente der Stille und der Besinnung, Seelsorge und die Möglichkeit des Gebetes bieten.
Loreto mit dem Heiligen Haus ist der zweitwichtigste Wallfahrtsort nach Rom in ganz Italien: Der Ruhm des Heiligtums hatte sich schon früh begründet, bereits 1493, während der zweiten Überfahrt von Kolumbus nach Amerika, riefen seine Seeleute während eines Sturms über dem Atlantik die heilige Muttergottes von Loreto um Beistand an.

Die Luftlandeaktion der himmlischen Heerscharen, die das Haus der heiligen Familie herbeitrugen, soll im Jahre 1294 erfolgt sein. Johann Gottfried Seume, Michel de Montaigne, Stendhal, also Marie Henri Beyle, wie der Romancier richtig hieß, und René Descartes, sie alle fühlten sich angezogen von diesem mächtigen Herzschlag Loretos, der ruhiger und mütterlicher pulst als derjenige Roms.

Descartes kam hierher, weil er ein Gelübde erfüllen wollte: Es war im Jahre 1619, er stand kurz vor dem philosophisch-wissenschaftlichen Durchbruch seines Lebens, da träumte ihm in einer Nacht dreimal Eindrückliches, das ihm aber nicht vollständig gelang, auszudeuten. Darum betete er um die Hilfe Gottes, der ihn bei seiner Suche nach Wahrheit leiten möge. Und schließlich wandte er sich an die Heilige Jungfrau von Loreto in dieser Sache und gelobte eine Pilgerfahrt an die Adria.

Lieblingsort der römischen Päpste

Im Jahre 1657 befand sich der heilige Joseph von Copertino, von dem berichtet wird, dass er fliegen konnte, auf der Durchreise und erblickt von weitem die Kuppel der Basilika von Loreto. „O glücklicher Ort, o seliger Ort“, soll dabei der heilige Joseph von Copertino geantwortet haben, als man ihn darüber informierte, dass unter der Kuppel, über der er die Engel auf- und niedersteigen sah, das Heilige Haus von Nazareth verehrt werde. „Kein Wunder, dass die Engel des Paradieses in so großer Zahl herabsteigen, wenn der Herr des Paradieses dort herabgestiegen ist, um Mensch zu werden. Seht doch, wie dort die göttlichen Erbarmungen herabregnen!“

Nicht von ungefähr ist das Heiligtum von Loreto auch immer ein Lieblingsort der römischen Päpste gewesen – zuletzt hatte Papst Franziskus dort im März vergangenen Jahres das nachsynodale Schreiben zur Jugendsynode mit dem Titel „Christus vivit“ unterzeichnet.

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