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Kommentar: Abkehr vom Maß kirchlichen Sprechens

Mit jedem Zugeständnis an druckvolle „Forderungen“, die ein Übergehen der Tradition einschließen, entfernt sich die Kirche mehr von ihrem Wesen als Fels, als Halt, als Widerstand.
Die Bedeutung der Sprache der Kirche
Foto: Friso Gentsch (dpa) | Wenn das Reden und Schreiben der Kirche sich von der Eindeutigkeit abkehrt, löst Ambivalenz die Wahrheit als orientierendes Kriterium ab. Im Bild: der Dom von Paderborn im Nebel.

Mit geläufigen Kommunikationsmodellen kommt man dem Sprechen der Kirche nicht bei: Die Menschen als Adressaten stehen insofern im Mittelpunkt, als es um ihr Seelenheil geht; sie tun sie es aber nicht in dem Sinne, dass es um eine Anpassung des Sprechens an den Adressaten ginge. Verkünden und Sprachrohrsein – die Sprecharten der Kirche verweisen auf den Höchsten, auf Gott, als Grund und Ursache des Sprechens. In Seiner Wahrheit stehen und sie künden, das ist der Auftrag der Kirche. In ihrem Wort ist die Kirche Gott allein verantwortlich. Diese Bezogenheit legitimiert ihr Sprechen und gibt ihm unendliche Freiheit.

Ambivalenz löst die Wahrheit als orientierendes Kriterium ab

Wenn das Reden und Schreiben der Kirche sich von der Eindeutigkeit abkehrt, beginnt eine Zerstörung ungeheuren Ausmaßes: Zunächst wird bereits im Ansatz das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen korrumpiert; gesucht wird nun nicht mehr die den festen Gedanken umschließende repräsentierende Begrifflichkeit, sondern das offene, einer mehrfachen Deutung zugängliche Wort. Solches Sprechen ist kraftlos, weil es Ausdruck inhaltlicher Schwäche und Relativität ist. Damit zusammenhängend, löst Ambivalenz die Wahrheit sowohl als textbildendes als auch die Textdeutung orientierendes Kriterium ab. Auf der Ebene der Hermeneutik freuen sich Subjektivismus und Relativismus ihres Sieges über Objektivität und jenen Anspruch, der sich am Absoluten misst.

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Mit Ambivalenz im Kontext des kirchlichen Lehramtes, egal, ob sie ganz klein als Fußnote auftritt, oder als engmaschig formulierte geographische Ausnahme, wird das Abtragen eines Schutzwalls ausgerufen. Und dies bei Themen, die medial und innerkirchlich seit Jahrzehnten entsprechend aufbereitet und zugespitzt wurden. Insofern ist Ambivalenz sehr wohl eine Antwort – aber nicht auf den Anruf von oben.

An dem, was widersteht, wächst man

Mit jedem Zugeständnis an druckvolle „Forderungen“, die ein Übergehen der Tradition einschließen, entfernt sich die Kirche mehr von ihrem Wesen als Fels, als Halt, als Widerstand, als Erzieherin. An dem, was widersteht, wächst man; das Bieg- und Schmiegsame mag zwar vordergründig angenehmer sein, zeigt aber oft keinen Weg. Nur wenn die Kirche bei ihrem „Sprechen vom Ziel her“ bleibt, kann ihre Barmherzigkeit ebenso leuchten wie ihre Klarheit. Beide Lichter brauchen wir mehr denn je.

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