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Robert Schuman: Katholischer „Vater Europas“ soll seliggesprochen werden

Robert Schuman, lothringischer Staatsmann könnte bald zur Ehre der Altäre erhoben werden. Das Ziel des Politikers war es, einen erneuten Krieg zwischen Frankreich und Deutschland unmöglich zu machen.
Drei katholische Gründerväter des vereinten Europas
| Drei katholische Gründerväter des vereinten Europas (v.re.): Robert Schuman mit Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi. Für De Gasperi und Schuman laufen Seligsprechungsverfahren.

Der französische und europäische Staatsmann Robert Schuman dürfte noch in diesem Sommer zur Ehre der Altäre erhoben werden. Das ist, auch wenn eine offizielle vatikanische Bestätigung noch aussteht, bereits mehr als ein Gerücht. Immerhin beruft sich die französische Zeitung „La Croix“ auf den Präfekten der Heiligsprechungskongregation, Kardinal Marcello Semeraro, dessen Dikasterium noch im April den „heroischen Tugendgrad“ bestätigen will und damit den Weg für die Seligsprechung frei macht.

„Im Juni“ beziehungsweise „vor dem Sommer“ könnte diese erfolgen, meint Kurienkardinal Semeraro laut „La Croix“.
Persönliche Heiligkeit und politischer Erfolg scheinen – nicht erst in unseren Tagen – nicht ganz leicht vereinbar, und so ist die Seligsprechung eines wirkmächtigen Politikers jedenfalls begründungspflichtig. Bei Robert Schuman waren bereits namhafte Weggefährten davon überzeugt. So soll der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer laut Ohrenzeugen in vertrauter Runde gemeint haben: „Dat is ne heiligmäßige Mann.“ Und der Theologe Romano Guardini bekannte, er halte Schuman für „einen Heiligen in unserer Welt“.

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Politisches Engagement als Erfüllung christlicher Berufung verstanden

Belegbar ist, dass der 1886 in Luxemburg geborene und dreisprachig aufgewachsene Staatsmann sein politisches Engagement als Erfüllung einer christlichen Berufung verstand. Nach dem Unfalltod seiner Mutter 1911 wollte Schuman, der nach Studien in Bonn, München, Berlin und Straßburg gerade seine juristische Promotion „summa cum laude“ abgeschlossen hatte, Priester werden. Ein Vertrauter der Familie riet ihm jedoch eindringlich, als christlicher Laie zu wirken. Das tat Schuman ein halbes Jahrhundert lang. Als zölibatärer Laie übrigens, ehelos und gänzlich skandalfrei.

Lange bevor er in die Politik ging, war Schuman katholisch breit vernetzt und aktiv: Er gehörte einem Freundeskreis um Bischof Willibrord Benzler von Metz, dem ehemaligen Abt von Maria Laach, an, der sich um die Erneuerung der Liturgie mühte. Er engagierte sich im „Volksverein für das katholische Deutschland“ und in der „Association catholique de la jeunesse française“, war bis zum Tod Mitglied der Görres-Gesellschaft und der Unitas-Salia Bonn. Bischof Benzler berief den damaligen Metzer Rechtsanwalt auch zum Vorsitzenden der katholischen Jugendverbände und zum Organisator des Deutschen Katholikentags.

Vor den Nazis versteckte er sich in Klöstern

Als Metz nach dem Ersten Weltkrieg französisch wurde, ging Schuman in die Politik: Für die katholische Volkspartei Lothringens (Union Républicaine Lorraine) zog er 1919 in die französische Nationalversammlung ein und hielt dieses Mandat bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1941. In dieser Phase kämpfte er für den Religionsunterricht an Frankreichs staatlichen Schulen und unterstützte nach dem Motto „sozial weil katholisch“ die Bewegung der christlichen Gewerkschaften. 1942 floh Schuman aus der „Sonderhaft“ in Neustadt an der Weinstraße, versteckte sich vor den Nazis zunächst in einer Benediktinerabtei, dann in einem Trappisten-Kloster und einem katholischen Waisenhaus – ein Missale war immer in seinem Gepäck.

Nach Kriegsende zog er neuerlich in die Nationalversammlung ein, wurde Finanzminister, später französischer Premierminister (1947/48) und mehrfach Außenminister. Am 9. Mai 1950 verkündete er eine historische Erklärung für die Neukonstruktion Europas, in der er zunächst vorschlug, die Kohle- und Stahlproduktion Deutschlands und Frankreichs einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen und die anderen europäischen Länder zum Beitritt hierzu einzuladen. „Die Vereinigung der europäischen Nationen erfordert, dass der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ausgelöscht wird“, begründete er sein Vorgehen. Mit einer solchen „Solidarität der Produktion“ werde „jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern unmöglich“.

Vorstoß für europäische Föderation kostete ihn Ministeramt

Von Anfang an ging es ihm nicht um ein wirtschaftliches oder technokratisches Projekt, sondern um praktische Schritte zum Aufbau einer europäischen Föderation: Europa werde, so schrieb er 1950, „durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen“. Sein Vorschlag solle „den ersten Grundstein einer europäischen Föderation bilden, die zur Bewahrung des Friedens unerlässlich ist“. Dieser mutige Vorstoß, nur fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, kostete Robert Schuman zunächst das Ministeramt. Auch die von ihm angestrebte „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ fand in Paris keine Mehrheit.

Gleichwohl gingen sechs Staaten Europas den von Schuman vorgezeichneten Weg: Aus der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ und der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ wuchs – nicht ohne Hürden und Rückschläge – letztlich die Europäische Union mit 27 Mitgliedern.
Schuman selbst wurde 1958 zum ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments in Straßburg gewählt. Vor Abgeordneten legte er dort 1959 seine Überzeugungen so dar: „Die Demokratie verdankt ihre Entstehung und Entwicklung dem Christentum. Sie wurde geboren, als der Mensch berufen wurde, die Würde der Person in individueller Freiheit, den Respekt vor dem Recht des anderen und die Nächstenliebe gegenüber seinen Mitmenschen zu verwirklichen.“ Erst das Christentum habe „die natürliche Gleichheit aller Menschen“ erkannt.

Besinnung auf christliche Grundlagen Europas

In der christdemokratischen Fraktion des Europäischen Parlaments meinte Schuman 1958 in einer Rede: „Europa hat über ein Jahrtausend Christentum benötigt, um seine christlich geprägte Kultur in inneren Läuterungen, Verstrickungen und der Suche nach Wahrheit herauszubilden.“ Er hätte sicher gestaunt, in welch kurzer Frist dieser Aufbau wieder ruiniert werden kann.

1958 wurde Robert Schuman mit der renommiertesten Auszeichnung für Verdienste um Europa, dem Karlspreis der Stadt Aachen, geehrt. Im Jahr darauf erhielt er – zusammen mit Karl Jaspers – den Erasmus-Kulturpreis. 1963 starb Schuman im Alter von 77 Jahren in Scy-Chazelles bei Metz und wurde in der dortigen Kirche St- Quentin bestattet. Die Diözese Metz initiierte den Seligsprechungsprozess, der seit 2004 im Vatikan weitergeführt wird. Sollte Papst Franziskus den „Vater Europas“ nun tatsächlich zur Ehre der Altäre erheben, wäre den zahlreichen historischen Patronen Europas eine zeitgenössische Leitfigur hinzugefügt. Wie er sein Engagement für Europa verstand, stellte Schuman 1958 appellativ klar: „Wir sind dazu aufgerufen, uns auf die christlichen Grundlagen Europas zu besinnen, indem wir ein demokratisches Modell der Herrschaftsausübung aufbauen, das durch Versöhnung eine Gemeinschaft der Völker in Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden entstehen lässt, und das zutiefst in den christlichen Grundwerten verwurzelt ist.“

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