Während die Proteste in Hongkong weiter anhalten, spricht der Hongkonger Kardinal Joseph Zen von einer gespaltenen katholischen Elite in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Auch wenn die Kirche in Hongkong sehr konservativ sei, unterstütze sie eindeutig die Forderungen der Demonstranten, erklärte der emeritierte Hongkonger Bischof im Gespräch mit der französischen Zeitschrift „La Vie“. Dies habe die seit 1977 bestehende Kommission für den Frieden und die Gerechtigkeit in einer jüngsten Mitteilung bekräftigt.
Zen: Werde weiterhin meine Stimme erheben
Kardinal Zen lobte beispielsweise den Einsatz des Hongkonger Weihbischof Joseph Ha: „Er nimmt an den Protestmärschen teil, ruft zu Gebeten für den Frieden und gegen die Ungerechtigkeit und die Korruption auf.“ Viele hofften darauf, dass er zum neuen Hongkonger Bischof ernannt werde, „aber das wird nicht der Fall sein, da er zu regimekritisch ist“. Er selbst wolle weiterhin seine Stimme erheben, so Zen, „weil es nicht genügend Stimmen gibt“.
Kritisch kommentierte der emeritierte Hongkonger Bischof den Umgang des Vatikan mit den Protesten. Der Heilige Stuhl hat darüber seit Beginn der Mobilisierung kein Wort verloren. „Rom traut sich nicht mehr, die chinesische Regierung zu kritisieren“, behauptete Zen, und warf dem Vatikan gleichzeitig einen „Ausverkauf“ der chinesischen Kirche vor.
Zen nennt Lam "schrecklich arrogante Person"
Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, gegen die sich die Proteste maßgeblich richten, nannte Zen eine „schrecklich arrogante Person“. Sie habe die Protestmärsche befeuert, indem sie sich weigerte, ein Auslieferungsgesetz an die chinesische Regierung zurückzunehmen. Nach drei Monaten habe sie dann eingelenkt, was einem Schuldeingeständnis gleichkomme, so der Kardinal. Darüber hinaus kritisierte er auch die den Umgang der Polizei mit den Demonstranten. Notwendig sei eine unabhängige Kommission, um die jüngste Polizeigewalt zu untersuchen.
Auch wenn Regierungschefin Lam katholisch ist, habe er keine Möglichkeit, auf sie einzuwirken, meinte Zen weiter. Da er 2013 große Gottesdienste organisiert habe, um an das Attentat auf dem Platz des Himmlischen Friedens von 1989 zu erinnern, stehe er auf der „schwarzen Liste“ der Mächtigen in Hongkong. Daher versuche er erst gar nicht mehr, mit Lam zu sprechen.
DT/mlu
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