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Kardinal Cordes: Warnung vor Gaia-Romantik

Es wäre fatal, wenn wir über der Schöpfung ihren Schöpfer vergäßen, uns vor dem Werk statt vor seinem Urheber verneigten, meint Kardinal Paul Josef Cordes.
Umstrittene indigene Holzfigur
Foto: Paul Haring (KNA) | Nicht Verehrung der kosmischen Mächte, sondern Befreiung von ihnen ist die biblische Botschaft, betont Kardinal Cordes. Im Bild: Eine "Pachamama"-Figur in der Kirche Santa Maria in Traspontina in Rom.

„Mutter Erde“ wird nicht nur als Pachamama angerufen. Wie ein Blick ins Internes zeigt, findet sie auch unter anderem Namen weltweit große Verehrung.
Gaia, Du! Gebärerin, Geliebte, Ernährerin, Göttlich. Oh, Du Mutter allen Seins Du unsere Erde. Heilig ist Deine Weisheit. Heilig Dein Sein. Heilig Deine Natur. Heilig Deine Vollkommenheit. Heilig Dein Herz. Heilig Deine Quelle….                      (abgerufen www.myananda.de 17. 2. 2020)

 Eine neue Göttin? „Mutter Erde“ – ein Kultobjekt? Da sind für Christen einige Anfragen fällig an Gottes Wort.

 Die Erde – der Sünden-Fall – die gegengöttliche Kraft

Aussagen zu Natur und Schöpfung sollen in der jüdisch-christlichen Offenbarung nicht Kosmo- und Anthropogenese darlegen. Sie wollen hingegen Gott in seiner Beziehung zum Menschen beschreiben. Erwähnte materielle und irdische Elemente sind dennoch keineswegs metaphorisch zu deuten; sie als nebensächlich abzutun, entspräche nicht semitischem Denken, das Abstraktionen vermeidet und ganzheitlich konkret ist. Darum behalten auch die im Schöpfungsbericht erwähnten Objekte– Schlange, Frucht, Baum des Lebens, Garten Eden – für das rechte Verständnis ihren Aussagewert.

Die Bibel beginnt: „Gott sah alles, was er gemacht hatte. Es war sehr gut“ (Gen 1,31). Jahwe hat ein Werk vollbracht, das immer neu als „gut“ und „schön“ qualifiziert wird. So bewundert der Glaubende die Schöpfung (Ps 8:“ Himmel; Mond und Sterne“; Ps 104: „Erde, Berge, Getier und Zeiten“) – freilich nicht ihrer selbst wegen, sondern Jahwes wegen, der sie geschaffen hat: „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht“ (Ps 104,24).
Dann jedoch übertritt der Mensch Gottes Gebot und zieht sich sofort das Strafgericht zu (Gen 3, 16-19.23). Jahwe verhängt über die Stammeltern eine umfassende Daseinsminderung: Schmerz, Mühsal, Unterdrückung, Misserfolg, Vertreibung aus dem Garten Eden, der Schatten des Todes. Des Menschen Gottesbeziehung ist in einem Grad zerstört, dass die Schöpfung als ganze verdirbt.

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Korruption der Natur als Folge der Sünde

Talmudischen Rabbinen und Apokryphe unterstreichen später diese Korruption der Natur als Folge der Sünde. So heißt es im „Buch der Jubiläen“ (2. Jhd. vor Chr.) unmittelbar nach der Schilderung der Vertreibung: „Und an diesem Tage hörte der Mund aller Tiere und des Viehs und der Vögel und derer, die gehen und sich bewegen, auf zu sprechen…Und ER schuckte aus dem Garten Eden alles Fleisch, das in dem Garten Eden war“ (3,28f.). Und das „4. Buch Esra“ (100 nach Chr.) schreibt: „Als aber Adam meine Gebote übertrat, ward die Schöpfung gerichtet…Ach Adam, was hast du getan? Als du sündigtest, kam der Fall nicht nur auf dich, sondern auch auf uns, deine Nachkommen.“

Auch dem Neuen Testament ist jedweder Anflug einer Apotheose des Kosmos fremd. Jesu predigt - etwa in der “Bergpredigt“ – seine Gott-bezogene Schönheit. Aber er weiß auch um seine Vergänglichkeit: „Der Himmel und die Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mt.24,35). Das eschatologische Ziel der Geschichte steht noch aus. Christus ruft die Seinen, schon heute im Licht von Morgen zu leben.

Bei Paulus ist der Gegensatz zwischen Gott und dem Kosmos evident; der Apostel führt ihn auf die Sünde zurück, die durch den ersten Menschen in die Welt gekommen ist (Rm 5,12). Und das ganze Universum muss in die Heilsgeschichte einbezogen werden: „Wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Rm 8, 22).

Evangelist Johannes spricht schärfste Warnung gegen Gaia-Romantik aus

Der Hebräerbrief übernimmt die alttestamentliche Eschatologie, wie sie die Propheten mit Realismus beschrieben haben; sie ist anders als die hellenistische Kosmosverehrung, die undramatisch und idealisierend ist: "Du, Herr, hast vorzeiten der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst. Sie alle veralten wie ein Gewand; du rollst sie zusammen wie einen Mantel und wie ein Gewand werden sie gewechselt“ (Hebr.1.10f.). Die apokalyptische Katastrophe wird angekündigt, das das Vergängliche zerstört und dem Beständigen Platz macht:“ …damit das Unerschütterliche bleibt“ (Hebr. 12,27).

Die schärfste Warnung gegen alle Gaia-Romantik spricht der Evangelist Johannes aus. Für ihn erweist sich der Kosmos gar als gegengöttliche Kraft. Ohne Christus - das Licht, das die Finsternis nicht erfasst hat (vgl. Joh 1,5) - durchherrschen Lüge, Sünde und Tod Welt und Geschichte. Sie sind Finsternis. Und eine den Menschen bestimmende Kraft, die bedrängt und überwältig, verwirrt und zudeckt. Vom Kosmos umgarnt, werden Gottes Geschöpfe vom ihm geliebt und sein Eigentum (vgl. Joh 15,19); er beginnt, über sie zu verfügen. Dieser fremde Zugriff auf den Menschen geht aus vom „Herrscher dieser Welt“ (12,31; 14,30; 16,11).

Kein Gaia-Mythos

Der knappe biblische Durchblick steht kritisch gegen jede Naturmystik.  Planetarische Einheitsreligionen, Esoterik und Schamanismus säumen ihren Weg. Das Licht der Offenbarung widerspricht kontradiktorisch aller Verehrung, die sich nicht auf Gott richtet. Versucht in der Wüste antwortet der Herr selbst dem Teufel mit einem Zitat aus dem AT: „Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“ (Dtn 5,9; Mt 4,10).   

Nicht Verehrung der kosmischen Mächte, sondern Befreiung von ihnen ist die biblische Botschaft. Christi Kommen bewirkt sie. Benedikt XVI. lehrt sie, indem er auf den Apostel Paulus verweist. Dieser warnt vor „falscher Lehre…die sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen“(Kol 2,8): Nicht die Elementen des Kosmos  seien „der Gott, zu dem man beten“ kann (Spes salvi 5).

Aller sentimentale Gaia-Mythos – von Balthasar nannte ihn eine „Amorisierung des Erdballs“ – wird schließlich geradezu zynisch angesichts jüngster Erdbeben (Albanien, Philippinen), angesichts der Vulkanausbrüche und eines Tsunami 2004.

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Brutale Gesetze, von "Mutter Erde" verordnet

„Gaia – Mutter, Geliebte, Ernährerin“? Da betäuben uns verträumte Romantiker mit Kopfgeburten. Statt dessen sollten sie die brutalen Gesetze beachten, die von „Mutter Erde“ verordnet sind. Etwa in der Tierwelt. Der große Reinhold Schneider hat sie genauestens studiert und einige in seinen Notizbüchern „Winter in Wien“ (1958) festgehalten. Nur zwei kleine Abschnitte. Wer sie liest, zweifelt nicht mehr länger, dass der Fluch der Sünde die Schöpfung gezeichnet hat.

„Erinnern wir uns nur der alltäglichen, schon oft erzählten Geschichte von dem im Gedärme gewisser Vögel lebenden Schmarotzern, deren Eier durch den Kot sich in die Schnecken einschleichen; in diesen wachsen sich die Keime zu Schläuchen aus, die in die Fühler vordringen; in den aufgedunsenen Fühlern entwickelt sie  ein anreizendes Farbenspiel und ebensolche Bewegungen; das lockt die Vögel an, die Fühler abzureißen; so kommen die Parasiten wieder an ihren Platz. Und immer wachsen der Schnecke wieder Fühler und immer werden sie abgerissen; die Schnecke ist nur Herstellerin der Zerstörer, die sie und die Vögel zerstören…“(S. 191f.)

„Eine Ameise der Mittelmeerländer dringt nach dem Hochzeitsflug in die Brutkammer einer anderen Art ein, erklettert den Rücken der legitimen Königin, sägt ihr langsam mit den Kiefern den Kopf ab und tritt nun ihre Herrschaft an. Die winzigen augenlosen Diebsarmeisen beißen sich in ungeheuren Mengen in den Körpern des Wirtsvolkes fest; feindliche Völker treten zu offenen Feldschlachten an, die tagelang unentschieden toben und andernfalls durch Regenfälle oder Gewitter beendet werden“ (S. 221f.)       

Neue ökologische Sensibilität weckt in uns den Blick für die Schönheit des Kosmos und ruft uns zu Recht zur Ehrfurcht vor ihr. Greta Thunberg ist in aller Munde. Es wäre jedoch fatal, wenn wir über der Schöpfung ihren Schöpfer vergäßen, uns vor dem Werk statt vor seinem Urheber verneigten. Mehr denn je gilt heute: „Unsere Heimat ist im Himmel“ (Phil 3,20).

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von "Lifesitenews", wo der Beitrag zuerst erschienen ist

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