Der Fall des auf Wunsch des Papstes vom Amt des Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen zurückgetretenen Kardinals Giovanni Angelo Becciu wird immer komplizierter. Am Freitagnachmittag hat sich der Purpurträger, der auch seine Rechte als Kardinal nicht mehr ausüben darf, überraschend vor eilig zusammengerufenen Journalisten verteidigt. Papst Franziskus habe ihn in einer Audienz am Donnerstagabend der Unterschlagung bezichtigt, sagte Becciu, und erklärte weiter, es ginge dabei um eine Summe von hunderttausend Euro, die auf seine Veranlassung hin 2017 aus demFonds des Peterspfennigs für caritative Zwecke an die Diözese Ozieri auf Sardinien geflossen seien, wo sie dazu dienen sollten, Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung und Flüchtlingshilfe einer gemeinnützigen Kooperative zu unterstützen, die als operativer Arm der diözesanen Caritas von Ozieri wirkt.
Das Geld ging an die Caritas
Solche diskreten Hilfsleistungen, beteuerte Becciu vor den Journalisten, hätten durchaus in seiner Kompetenz als damaliger Substitut im vatikanischen Staatssekretariat gelegen. Bevor Becciu 2018 Präfekt und Kardinal wurde, war er ab 2011 Leiter der ersten Sektion des vatikanischen Staatssekretariats. Die neuen Vorwürfe gegen Becciu hatte vor einer Woche das italienische Wochenmagazin „L’Espresso“ publik gemacht. Ozieri ist die Heimatdiözese des gebürtigen Sarden Becciu. Aber, so schrieb „L’Espresso“, Leiter der besagten Kooperative ist der Bruder des Kardinals, Tonino Becciu. Inzwischen jedoch hat der Bischof von Ozieri, Corrado Melis, in einer Stellungnahme klargestellt, dass die hunderttausend Euro immer noch auf den Konten der Diözese liegen und noch nicht an die Kooperative weitergeleitet worden seien.
Becciu und seine Brüder
Auf der Pressekonferenz wies Becciu Vermutungen zurück, er wolle seiner Familie unterstützen. Denn „L’Espresso“ hatte aufgrund eigener Recherchen auch berichtet, dass Becciu früher schon dafür gesorgt habe, dass die Caritas von Ozieri zwei Mal jeweils dreihunderttausend Euro von der Italienischen Bischofskonferenz erhalten habe – ein Sachverhalt, den Becciu am Freitag nicht ableugnen wollte. Dass der Sarde in seiner Zeit als Apostolischer Nuntius in Angola und Kuba vor ungefähr zehn Jahren einem anderen Bruder, der Schreiner ist, mit Holz- und Reparaturarbeiten für Gebäude der Nuntiaturen beider Länder beauftragt habe, wie „L’Espresso“ ebenfalls schrieb, bestätigte Becciu hingegen. Es sei damals eine Notlage und schwer gewesen, einheimische Schreiner zu besorgen. Dass er noch einem weiteren Bruder geholfen haben soll, dessen Bier zu vermarkten, wies der entlassene Kardinal vor den Journalisten jedoch entschieden zurück.
Es droht eine Schlammschlacht
Für den Vatikan hat sich jetzt eine schwierige Situation ergeben. Da Papst Franziskus Becciu aus dem Amt entlassen und ihm Unterschlagung vorgeworfen hat, steht nun ein schwerwiegender Verdacht im Raum. Zudem hat das Magazin „ L’Espresso“ weitere Berichte zum Fall Becciu angekündigt. Dabei geht es auch um die Rolle des ehemaligen Substituten bei der unglücklich verlaufenen Investition in die Londoner Luxus-Immobilie. Entweder eröffnet die vatikanische Staatsanwaltschaft nun ein öffentliches Verfahren gegen den zurückgetretenen Präfekten, oder es kommt zu einer medialen Schlammschlacht, die allen Beteiligten nur schaden kann. Becciu behauptete jetzt vor den Journalisten, der Papst sei falsch informiert worden, es handle sich bei der ganzen Angelegenheit nur um ein Missverständnis. DT/gho
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