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Italien: Schweren Herzens folgt die Kirche dem Druck des Staats

Das gesamte öffentliche Leben kommt zum Stillstand, die Regierung will den jähen Anstieg der wegen des Corona-Virus notwendigen Intensivbehandlungen in den Krankenhäusern abbremsen.
Coronavirus: Drastische Maßnahmen in Italien
Foto: Andrew Medichini (AP) | Rom: Kellner warten vor einem Restaurant neben dem Pantheon in Rom auf Kunden. Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus finden in Italien auch keine heiligen Messen mehr statt.

Keine Messen mehr in Italien, ein Papst, der zum Gebet des Angelus nur noch per Videoaufzeichnung aus der Bibliothek des Apostolischen Palasts über Fernsehen und Internetmedien erscheint, keine Hochzeiten und Trauergottesdiensten vor den Beerdigungen mehr, kein Weihwasser in den Kirchen und keine öffentlichen Veranstaltungen in kirchlichen Einrichtungen, geschlossene Vatikanarchive und vatikanische Museen – die Corona-Epidemie hat das Leben der Kirche in Italien in einer bisher nie dagewesenen Weise blockiert.

Einem entsprechenden Dekret der Regierung, das der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte in einer fast geisterhaften Pressekonferenz um drei Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag vorgestellt hat, folgte die Italienische Bischofskonferenz noch am Sonntag mit einem Hauch von Bitterkeit. Sie ließ erklären, diese „äußerst starke Einschränkung“ werde von Seelsorgern, Priestern und Gläubigen „mit Schmerzen und Schwierigkeiten angenommen“. Die Kirche akzeptiere die Maßnahme der Regierung nur, um ihren Teil zum Schutz der öffentlichen Gesundheit beizutragen. Kirchen und Kapellen bleiben aber für das persönliche Gebet geöffnet. Die für die Kirche bereits in der Lombardei und Venetien geltenden Einschränkungen wurden damit auf das gesamte Land ausgedehnt, auch auf den Vatikan. Die Kanoniker von Sankt Peter kamen am Montagmorgen nicht mehr zum Kapitelgottesdienst und zur Laudes zusammen. Die Domherren feierten privat eine stille Messe.

Am Montag 6.400 Infizierte und 366 Tote

Auf Blog und Internetseiten protestieren viele Katholiken gegen diese strenge Maßnahmen, mit der die Kirche sich ganz den staatlichen Weisungen unterwirft. In ganz Italien, wo auch die Schule, Universitäten, Museen, Theater, Pubs und Diskotheken bis auf weiteres geschlossen bleiben, droht das öffentliche Leben zu erlahmen. In mehreren Gefängnissen des Landes ist es zu Revolten gekommen, drei Häftlinge starben. Auch wird bereits darüber diskutiert, ob die Fußballspiele der laufenden Saison, die am Wochenende ohne Publikum und hinter verschlossenen Einlasstoren stattfanden, ab jetzt ganz entfallen sollen. Die Regierung greift mit Härte durch. Mit knapp 6.400 Infizierten und 366 Toten am Montag scheint sich die Epidemie unverändert auszubreiten. Die staatlichen Gegenmaßnahmen haben nicht primär das Ziel, das Corona-Virus jetzt schon in den Griff zu kriegen. Aber man will den Ansturm auf die Intensivstationen der Krankenhäuser bremsen.

Intensivbehandlungen als Schwachpunkt des Systems

Wie bei jeder Grippewelle begibt sich ein Teil der Infizierten in die selbst gewählte Quarantäne, ohne dass er die Symptome einer Grippe spürt. Ein weiterer Teil wird krank und kuriert sich zu Hause aus. Bei einem kleinen Teil von Infizierten ist das Krankheitsbild aber komplizierter, weil es sich um alte, schwache Menschen handelt oder um Patienten, bei denen die Grippe bereits vorhandene Pathologien wie Krebs-Therapien, Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes oder Nierenversagen nochmals erschwert. Auf diese Fälle, die dann eine Intensivbehandlung in den Krankenhäusern wie künstliche Beatmung erhalten müssen, konzentriert sich die Hauptsorge der Regierung.

Dem Gesundheitssystem droht der Kollaps

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Das staatliche Gesundheitssystem Italiens ist von der seit 2008 anhaltenden Wirtschaftskrise ebenso betroffen wie alle anderen Bereiche des öffentlichen Lebens. Es fehlen Betten in den Intensivstationen und ausgebildetes medizinisches Personal, die eine steigende Welle von Einweisungen verkraften könnten. Da die Zahl der sonst üblichen Neu-Patienten mit Anspruch auf eine Intensivtherapie aufgrund von Herzinfarkt, Schlaganfall oder schweren Unfälle auch nicht zurückgeht, besteht die Gefahr, Schwerkranke irgendwann abweisen zu müssen. Das Gesundheitssystem der Lombardei steht kurz vor dem Kollaps. Bereits pensionierte Ärzte kehren aus diesem Grund in die Krankenhäuser zurück und Gesundheitsminister Roberto Speranza hat eine Erhöhung der Bettenzahlen und der Plätze in den Intensivstationen in Aussicht gestellt. Nur wenn sich der tägliche Anstieg der Zahl der an der Corona-Grippe schwer Erkrankten bremsen lässt, kann man den Kampf gegen die Zeit gewinnen.

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Guido Horst

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