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Im Vatikan beginnt der "Maxi-Prozess"

Heute beginnt vor dem Vatikangericht das Verfahren zur rechtlichen Aufklärung des Skandals um die Londoner-Immobilie. Im Zentrum der Aufmerksamkeit: der sardische Kardinal Giovanni Angelo Becciu.
Ehemaliger Präfekt für Heiligsprechungen, Kardinal Giovanni Angelo Becciu
Foto: Stefano Dal Pozzolo | Dem ehemaligen Präfekt für Heiligsprechungen, Kardinal Giovanni Angelo Becciu, wird Mitwirkung an der verunglückten Investition des Staatssekretariats in eine Londoner Luxusimmobilie vorgeworfen.

Nachdem der Geruch des Verbrechens nach dem Finanzskandal um die Londoner Immbobilie anderthalb Jahre lang wie ein Menetekel über dem Vatikan gehangen hatte, beginnt nun heute der Prozess. Ein Maxi-Prozess – so wie ihn die italienische Justiz gegen Mafia-Banden führt. Angeklagt ist Kardinal Giovanni Angelo Becciu, in dessen Amtszeit als Substitut in der zentralen Superbehörde der Kurie der Londoner Deal begann. Dann aber weitere, ehemalige oder suspendierte Mitarbeiter des Staatssekretariats und der Finanzaufsichtsbehörde AIF, auswärtige Personen, also Italiener, die sich der vatikanischen Justiz auch entziehen könnten, insgesamt zehn Personen, sowie vier Gesellschaften.

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Kardinal Becciu beteuert seine Unschuld

Der prominenteste Angeklagte ist mit Angelo Becciu ein Kardinal – ein Novum in der jüngeren vatikanischen Rechtsgeschichte. Laut der Anklageerhebung des „Promotore di Giustizia“ Gian Piero Milano, also des obersten Staatsanwalt des Vatikans, die das Presseamt des Heiligen Stuhls Anfang Juli veröffentlicht hat, soll der von Papst Franziskus bereits im September 2020 degradierte und aller Kardinalswürden beraubte ehemalige Präfekt für die Heiligsprechungen die Vergehen der Veruntreuung des Amtsmissbrauchs und der Anstiftung zur Falschaussage begangen haben. Ob es sich dabei um seine Mitwirkung an der verunglückten Investition des Staatssekretariats in die Londoner Luxusimmobilie, um die Begünstigung seiner Familie oder die Zusammenarbeit mit der dubiosen „Beraterin“ Cecilia Marogna handelt, wird der Prozessverlauf zeigen müssen. Becciu hat sich nach seiner Entfernung aus der Kurie durch den Papst immer verteidigt und seine Unschuld beteuert: Er sei das Opfer eines Komplotts und warte auf die konkreten Vorwürfe, damit er sie widerlegen könne. Eine Medienkampagne gegen ihn habe zudem die wüstesten Theorien hervorgebracht, angesichts derer er zum Wohl der Kirche geschwiegen habe.

Ex-Präsident der vatikanischen Behörde ist angeklagt

Eine besondere Stellung unter den Angeklagten nimmt auch René Brülhart ein, der ausgerechnet Präsident der vatikanischen Behörde war, die über alle Einrichtungen des Heiligen Stuhls die finanzielle Aufsicht führen und Geldwäsche oder den Handel mit toxischen Anlagen unterbinden sollte, der von Benedikt XVI. errichtete AIF. Allerdings ist Brülhart nur des Amtsmissbrauchs angeklagt. Ob der gebürtige Schweizer und Finanzfachmann, den Franziskus im November 2019 entlassen hat, jetzt seinen Fuß persönlich wieder auf vatikanischen Boden setzen wird oder seine Anwälte schickt, bleibt abzuwarten.

Des Weiteren angeklagt sind Monsignor Mauro Carlino, der Sekretär des Substituten Becciu war, wegen Erpressung und Amtsmissbrauch, sowie der Laie Enrico Crasso, der im Staatssekretariat für Investitionen zuständig war. Zusammen mit dem Laien Fabrizio Tirabassi, der ebenfalls in der Verwaltung des Staatssekretariats arbeitete, trifft Crasso die schweren Anklagen der Veruntreuung, der Korruption, der Erpressung, der Geldwäsche, des Betrugs, des Amtsmissbrauchs und der Falschaussagen. Auch der einstige Direktor der AIF unter Präsident Brülhart, Tommaso Di Ruzza, muss sich wegen Veruntreuung, Amtsmissbrauch und Bruch des Amtsgeheimnisses verantworten.

Der Prozess ist für den Vatikan ein Image-Problem

Dass führenden Mitarbeitern der Kurie, unter ihnen einen Kardinal, öffentlich der Prozess gemacht wird, ist für den Vatikan ein ziemliches Image-Problem, zumal das Staatssekretariat für die Verwaltung des Peterspfennigs zuständig war und der Verdacht im Raum steht, dass dieser Fonds, der von Diözesen und Gläubigen aus aller Welt zur Unterstützung der Arbeit des Papstes gespeist wird, herhalten musste, um das Finanzloch von mehreren hundert Millionen Euro zu schließen, das die verunglückte Londoner Investition gerissen hatte. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, gerade im französischen Elsass unterwegs, sagte jetzt zu dem Prozess vor Journalisten, er werde vor den Vatikan-Richtern aussagen, wenn er denn vorgeladen werde, und zu seinen Verantwortlichkeiten Rede und Antwort stehen. Die „Befunde“, damit meinte Parolin wohl die um die fünfhundert Seiten starke und von den Vatikanrichtern verfasste Anklageschrift, seien schon „sehr bedauerlich“. Wobei man sich natürlich fragt, was der seit 2013 amtierende Kardinalsstaatssekretär und der heutige Substitut und Nachfolger Beccius in diesem Amt, Erzbischof Edgar Pena Parra, von den Umtrieben im eigenen Hause eigentlich gewusst haben und was nicht.

Neben Cecilia Marogna, die für Kardinal Becciu „diplomatische Sonderaufträge“ erledigt und dafür hunderttausende von Euro erhalten haben soll, sind die italienischen Geschäftsleute und Anwälte Raffaele Mincione, Nicola Squillace und Gianluigi Torzi angeklagt, die bei der Londoner Investition vermittelten und daran kräftig verdienten. Die vier Gesellschaften, die die Anklageerhebung des Vatikans erwähnt, sind Finanzdienstleister sowie eine dubiose Briefkastenfirma, die die „Beraterin“ Marogna in der slowenischen Hauptstadt unterhielt. Diese alle werden sich durch ihre Anwälte vertreten lassen. Der Vatikan steht vor einem Prozess, wie man ihn hinter den heiligen Mauern noch nie erlebt hat.

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