Die finanzielle und geistliche Lage des katholischen Kirchenschiffs im Norden, des Erzbistums Hamburg, ist nach neuesten Informationen noch weit dramatischer als bislang bekannt geworden. Aus einem bistumsinternen 59-seitigen Papier einer Reformkommission, das dieser Zeitung vorliegt und der Öffentlichkeit bislang vorenthalten wurde, geht hervor, dass hunderte von Immobilien, darunter viele Kirchen, verkauft werden sollen oder müssen.
Die Ausgaben des Erzbistums werden, so das Ergebnis einer über 18 Monate tagenden kirchlichen Kommission, dramatisch steigen. Hundert Millionen Euro fehlen zusätzlich bei den Pensionsrückstellungen, sodass hier geschätzte Forderungen von 730 Millionen Euro anfallen werden (statt bisher 630 Millionen). Der Sanierungsstau im Bistum und bei den Pfarreien hat sich demnach seit 2017 von 157 auf 220 Millionen Euro erhöht und ist nicht wie gehofft abgebaut worden. Zukunftsorientierte Umbauten oder Sanierungen (z. B. bei Schulen) sind in diesen Zahlen noch nicht enthalten. Die Pfarreien bzw. Pastoralen Räume arbeiten „weitgehend defizitär“ ist zu erfahren.
"Weitgehend defizitär"
Die Pfarreien werden weitere Kürzungen der bislang schon zu knappen Zuweisungen aus der Kirchensteuer (nur 39 Proeznt) verkraften müssen. Auf diese Weise sollen die Pfarreien mehr oder minder dazu gezwungen werden, ihre kostenträchtigen sog. „Sekundär-Immobilien“ zu verkaufen (Kirchen, Gemeindehäuser, Pfarrhäuser etcetera). Ob es bei der Schließung von nur sechs katholischen Schulen bleiben wird, ist wohl bei der weiter steigenden defizitären Situation der Schulen fraglich.
Diese „wirtschaftlichen Herausforderung“, wie die Bistumskommission die wachsende Überschuldung, die ungedeckten Pensionslasten, steigende Defizite bei Schulen und Pfarreien sowie bei den Gebäudelasten nennt, stoßen auf der Gegenseite der Bilanz auf keine steigenden sondern zurückgehende Einnahmen. Ursachen sind die Überalterung der Kirchenmitglieder, hohe Austrittszahlen, stark zurückgehende Zahl der Gottesdienstbesucher sowie von Einnahmen durch Kollekten. Ein zusätzliches „Loch“ wird durch die Corona-Krise erwartet. Die Kirchensteuern werden schon dieses Jahr um 11 Prozent sinken, die eigentlich nur um ein Prozent pro Jahr bis 2060 inflationsbereinigt um insgesamt vierzig Prozent sinken sollten. Ein weiteres Problem ist die fehlende Spendenfreude. DT/reg
Warum sich ein schwerreicher Sponsor der Kirche zurückzog erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.