Seit Wochen erlebt die katholische Kirche eine mediale Gewitterfront, unter der sich das Drama Kirchenaustritte abspielt. Dass die Zahlen seit Jahren steigen, stellt keine Neuigkeit dar. Im Zug der Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln griffen nicht nur Medien, sondern auch Teilnehmer des Synodalen Wegs das Thema auf, teils mit demonstrativer Betroffenheit, teils mit kaum verhohlener Genugtuung.
Kirchenaustritte haben meist nicht nur eine Ursache
Die digitale Synodalversammlung Anfang Februar untermauerte endgültig die Vorstellung, aus Empörung über die „Kölner Wirren“ kehrten Katholiken der Kirche in Scharen den Rücken zu. Die Einschätzung des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf, Köln überlagere alles, bildet schon seit Wochen das Leitmotiv der Debatte.
Allerdings sind die Ursachen für Kirchenaustritte erfahrungsgemäß nicht auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen, im Gegenteil: In Zeiten der Pandemie gibt es – abgesehen von der Entchristlichung der Gesellschaft - für Kurzarbeiter und Unternehmer eine Fülle wirtschaftlicher und auch psychologischer Gründe, um zu sparen, wo es nur geht: vom Ausfall der Karnevalseinnahmen über den brachliegenden Tourismus bis zum verpatzten Messegeschäft in den rheinischen Metropolen.
Was eine Stichprobe bei den Amtsgerichten ergab
Eine Stichprobe bei den Amtsgerichten innerhalb des Erzbistums Köln zeigt, dass die Kirchenaustritte der Katholiken in absoluten Zahlen im Januar diesen Jahres im Vergleich zum Januar des Vorjahrs stärker gesunken ist als die der evangelischen Christen. Berücksichtigt man, dass einige Amtsgerichte coronabedingt nicht alle Anfragen bearbeiten konnten und austrittswillige Katholiken auf einen Termin warten, so lässt sich die These von den Massenaustritten der Katholiken im Erzbistum Köln dennoch nicht pauschal erhärten.
Denn eine knappes Drittel der Amtsgerichte macht auf Rückfrage keine Angabe zu allfälligen Warteschleifen, ein Gericht schließt das für seinen Amtsbezirk sogar aus. Verlassen sich die Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in dieser Woche auf aktuelle Zahlen und nicht auf spekulative verdüsterte Stimmungsbilder, könnte das zur Versachlichung der Debatte beitragen.
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