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Die irische Gesellschaft hat Mütter und ihre Kinder zurückgewiesen

In Mutter- Kind- Heimen in Irland herrschten schreckliche Zustände. Die Pro-Life-Bewegung sieht das mit großer Traurigkeit. Auch heute wird ein Kind oft als "Krise" wahrgenommen.
Maria Steen
Foto: Maria Steen privat | Maria Steen ist Rechtsanwältin und engagiert sich in Irland für die Pro life Bewegung . Im Interview mit der Tagespost berichtet sie über die Reaktion der Pro-Life-Bewegung in Irland auf die Veröffentlichung des ...

Wie reagiert die irische Pro-Life Bewegung auf den systemischen Missbrauch in den irischen Mutter-und-Kind-Heimen?

Die Pro-Life Bewegung reagiert auf die Veröffentlichung des Reports der Untersuchungskommission  zu den Mutter-und-Kind-Heimen mit großer Traurigkeit darüber, dass die Gesellschaft unverheiratete Mütter und ihre Kinder zurückgewiesen hat. Der Report beginnt mit dem Eingeständnis, dass die Verantwortung für diese harsche Behandlung der Mütter und ihrer Kinder zunächst bei den Vätern der Kinder und den Familien der Frauen liegt, dass aber Kirche und Staat diese Behandlung ebenfalls unterstützt und gebilligt haben. Auch wenn die untersuchten Institutionen den Frauen eine Zufluchtsstätte geboten haben, war es oft eine Zuflucht unter brutalen Bedingungen. Als Mutter ist mir bewusst, dass eine Frau, wenn sie ein Kind erwartet, besonders verwundbar ist und die Liebe und die Unterstützung anderer braucht. Irland war ein kalter Ort für viele Frauen, die außerhalb der Ehe schwanger wurden.

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Wie kann die Kirche heute sicherstellen, dass jedes Leben als Geschenk erlebt wird und wie konnte eine Kultur der Vernachlässigung grundlegender Menschenrechte und christlicher Nächstenliebe in der irischen Gesellschaft wachsen? Was sind die Wurzeln dieser Vernachlässigung und in welcher Weise sind sie mit der gegenwärtigen Abtreibungsbewegung verbunden?

Mir scheint, dass in unserer Gesellschaft dieselben Probleme in unterschiedlicher Gestalt auftreten. Während es heutzutage unzweifelhaft akzeptabel und möglich für eine Frau ist, ihr Kind eher zu behalten als ihn oder sie zur Adoption freizugeben, haben viele das Gefühl, sie hätten keine andere Möglichkeit, als ihr Kind abzutreiben. Der Report stellt etwas Ähnliches hinsichtlich der Frauen dieser Zeit fest. Während es keine Beweise dafür gibt, dass die Frauen gezwungen wurden, in die kirchlichen oder staatlichen Mutter-und Kind-Heime zu gehen, hatten viele das Empfinden, sie hätten keine andere Wahl.

"Ein Baby zu bekommen wird immer noch
als 'Krise' wahrgenommen"

In der Vergangenheit zeigte die Gesellschaft ein negatives Verhalten gegenüber Schwangerschaft und Mutterschaft außerhalb der Ehe, weil sie die Aussichten einer Frau und ihrer Familie auf eine Heirat beeinträchtigten. Heutzutage hat die Gesellschaft eine sehr negative Einstellung gegenüber Schwangerschaft und Mutterschaft „zur falschen Zeit“, weil sie die Karriereaussichten eine Frau beeinträchtigen und zum Klimawandel beitragen.

Die Bilanz ist dieselbe: Ein Baby zu bekommen wird immer noch als „Krise“ wahrgenommen. Das ist das Gegenteil des wahrhaft christlichen Verständnisses vom Geschenk, das das Leben ist. Um diese Grundhaltung zu bekämpfen brauchen wir einen wirklichen kulturellen Wandel. Ein Beispiel für jemanden, der Pionierarbeit für eine andere Grundhaltung geleistet hat wurde im Report anerkannt: Frank Duff, Gründer der Legio Mariae. Im Gegensatz zu all den anderen Mutter-und Kind-Heimen in Irland während des untersuchten Zeitraumes von 1922 bis 1998 war die Legio Mariae die einzige Institution, die versucht hat, Mütter und Kinder beieinander zu halten. Sie gab Frauen und ihren Kindern ein Zuhause, die sich nicht leisten konnten, woanders hinzugehen.

Was tut unsere Gesellschaft heute, um Frauen zu ermutigen, ihre Kinder zu behalten? Was tun wir, um ihnen zu helfen, ihre Babys großzuziehen? Es gibt katholische Organisationen, die dies tun und reale, praktische Hilfe leisten, aber es sind wenige. Die staatliche Agentur, die dafür verantwortlich ist, Frauen zu unterstützen, die eine „Krisenschwangerschaft“ haben, heißt „My Options“ und schließt Beratungen hinsichtlich einer Abtreibung und Beratungsscheine ein. Der Report listet die tragischen Todesfälle von über 9000 Babys in den 70Jahren des Untersuchungszeitraums auf. Im letzten Jahr – im Zeitraum von 12 Monaten – ermöglichte und bezahlte der irische Staat für die absichtliche Tötung von 6.666 Babys im Uterus in Irland.

 

 

Wie würden Sie die Beziehung zwischen Kirche und State heute beschreiben und welche Rolle kann und muss die Kirche spielen, um das Vertrauen der Gläubigen zurückzugewinnen?

Die Beziehung zwischen Kirche und Staat in Irland ist schlecht. Der Staat hat wenig Respekt für die Kirche und viele in der Regierung sind offen feinselig gegenüber der Kirche und ihren Mitgliedern. Das sollte die Kirche keinen Augenblick lang daran hindern, ihrer Mission zu folgen, die darin gesteht, das Evangelium zu verkünden sei es gelegen oder ungelegen, auch wenn dies zu tun dazu führt, Leiden und Ablehnung über sich zu bringen. Bischöfe müssen für ihre Herde kämpfen, besonders für die Schwachen und Verletzlichen: ob es dabei um die Religionsfreiheit für Katholiken oder das Recht auf Leben für die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft geht, seien sie alt oder jung, oder um die armen und an den Rand gedrängten. Die Kirche muss dem Beispiel des heiligen Josef folgen, dem dieses Jahr geweiht ist.

Er schützte die Leben, die seiner Sorge anvertraut waren vor einer mörderischen Regierung, auch um den Preis von Elend und Exil. Die Bischöfe müssen die ihnen Anvertrauten, besonders die sehr jungen, heute vor den räuberischen Verhaltensweisen eines feindlichen säkularen Staates schützen. Diejenigen, die für eine gerechte Sache kämpfen – ohne dabei auf ihre eigene Sicherheit oder Reputation zu achten – werden das Vertrauen der Gläubigen gewinnen. Sonst würde ein „mea culpa“ nicht mehr bedeuten als ein pharisäisches „sich in die Brust schlagen“, um die Zuschauer zufriedenzustellen.


Maria Steen ist Rechtsanwältin und engagiert sich in Irland für die Pro life Bewegung. 

Lesen Sie mehr über die Veröffentlichung des Reports der Untersuchungskommission zu den Mutter-und-Kind-Heimen in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Barbara Stühlmeyer Bischof Evangelium Katholikinnen und Katholiken Krisen

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