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Deutsche Medien verurteilen Kardinal Pell trotz Freispruch

Ein Kommentar zur Berichterstattung über den Freispruch von Kardinal Pell, der eine gewisse Tendenz zur Jagd auf den zu Unrecht verurteilen Kardinal fortsetzt.
Kardinal George Pell spricht bei einer Thanksgiving-Messe
Foto: Jane Dempster (AAP FILE) | ARCHIV - 27.03.2014, Australien, Sydney: George Pell, Kardinal, spricht bei einer Thanksgiving-Messe. (zu dpa «Kardinal Pell gehört nicht mehr zu Beratungsgremium des Papstes» vom 12.12.2018) Foto: Jane Dempster/AAP ...

Selbst wenn man Zweifel an der Unschuld eines Menschen hegt, gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung eines Menschen immer die Unschuldsvermutung. Das ist ein Konsens in allen freiheitlichen Rechtsordnungen weltweit. Da hatte die Vorverurteilung von Kardinal Pell schon etwas von einer Hexenjagd in den Medien. Zeitungen, Sender und Onlineportale waren nicht zimperlich mit dem Kirchenmann umgegangen. 

Nachtreten nach Vorverurteilen

Das hat sich nach dem Freispruch nicht geändert. Obwohl Deutschland von Australien weit entfernt ist, hat der Freispruch des Kardinals hohe Wellen in den Medien geschlagen. Dabei tritt jetzt an die Stelle der Vorverurteilungen das Nachtreten gegen einen gerichtlich für unschuldig erklärten.  Während die von Kardinal Pell selber abgegebene Erklärung nur in katholischen Medien überhaupt einen Widerhall fand, titelt die BILD „Gericht kippt Missbrauchsurteil. Skandalkardinal Pell freigesprochen“ Damit wird unausgesprochen nicht weniger als Widerspruch gegen ein höchstrichterliches Urteil erhoben. Der Skandal war das Fehlurteil, nicht der Kardinal. 

Überrascht von einem zu erwartenden Freispruch

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Völlig überrascht vom Freispruch wurden beispielsweise die Redaktionen von Spiegel, t-online und SZ. Die Berichterstattung in der SZ gipfelt in dem Satz „Der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Kardinal George Pell kommt überraschend auf freien Fuß.“ Damit erfolgt de facto ein nachgerichtlicher Schuldspruch und das höchste Gericht Australiens hat in dieser Lesart nicht ein ungerechtes Urteil aufgehoben, sondern einen Schuldigen freigelassen. Das ist schon mehr als nur ein bisschen boshaft. Die Überraschung an sich ist erstaunlich, selbst wenn man den Prozess nur am Rande verfolgt hat, war der Freispruch zu erwarten. Die FAZ hört die Pauken schlagen, wenn ein Widerspruch aufgebaut wird zwischen Missbrauchsopfer und Aktivisten, denen ein sachgerechtes Urteil eher zugetraut wird, als dem Gericht und dem „Harten Kern der Unterstützer“. Hier wird so deutlich nachgetreten, wenn auch immerhin die Zurückhaltung des Vatikans doch noch gelobt wird, dem zu Unrecht verurteilten nicht aus Klerikerstand entlassen zu haben. Man ist ja mit wenig zufrieden. 

Es kann nicht sein, dass ein Kardinal der römischen Kirche unschuldig ist. Dieses Bild wird vermittelt. Man mag den Nutzern von Sozialen Medien ihr unreflektiertes Urteil nachsehen, dass hier die Macht der alten weißen Männer einen der ihren gerettet habe. Warum das der Tagesschau auch nur eine Zeile in ihrem Onlineauftritt wert sein sollte, muss man nicht verstehen. Es ist erschütternd, wie in deutschen Medien mit einem freigesprochenen Menschen, der zu Unrecht 404 Tage in Haft saß umgegangen wird. 

 

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