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Der Ritus wird wieder zum Politikum

„Traditionis custodis“ ändert zwar kaum etwas am liturgischen Alltag. Dennoch lässt das neue Motu proprio viele Fragen offen.
Alte Messe: Änderungen für altrituelle Gemeinschaften
Foto: KNA | Wenn Liturgie als Menschenwerk erscheint, sind Belastungsproben für die Einheit der Gläubigen vorprogrammiert.

Mit dem Motu proprio „Traditionis custodes“ ändert sich im liturgischen Alltag vieler Gläubiger zunächst einmal nichts. Dass Priester nun eine Erlaubnis einholen müssen, um die "Alte Messe" zu zelebrieren, wird von vielen Zelebranten als Formsache betrachtet. In den USA und Frankreich haben Bischöfe den Ecclesia-Dei-Gemeinden umgehend die offenen Hände entgegengestreckt.  Auch in Deutschland ist das Begründungsszenario heute anders als vor zwanzig Jahren: Die neue Bischofsgeneration steht liturgischen Fragen in der Regel leidenschaftsloser gegenüber als ihre von den Grabenkämpfen der siebziger Jahren geprägten Vorgänger. Der Spielraum zwischen Wertschätzung und Toleranz hat sich zu Gunsten der Traditionalisten erweitert.

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Änderungen für altrituelle Gemeinschaften

Dass Bischöfe künftig einen Beauftragten ernennen sollen, dürfte – je nach dem Grad des Wohlwollens – einen Konzentrationsprozess beschleunigen. Dass der Ritus nun wieder zum Politikum wird, liegt an den einschneidenden Änderungen, die Papst Franziskus für die altrituellen Gemeinschaften vorsieht. Sie sind künftig nicht mehr der Glaubenskongregation, sondern der Religiosenkongregation unterstellt. Zugleich lässt "Traditionis custodes" aber etliche für diese Gemeinschaften wichtige Fragen offen. Der Text klärt weder Fragen der Sakramentenspendung noch des Stundengebets, auch nicht die traditionellen Riten der Orden. Ebenso wenig wird klar, welches Statut die Messe von 1962 hat, wenn sie nicht mehr die außerordentliche Form des römischen Ritus ist.

Nicht nur aufgrund der vielen offenen Baustellen des Dokuments bedeutet "Traditionis custodes" für den liturgischen Frieden einen Rückschlag. Aus dem Dokument spricht eine Hermeneutik des Verdachts gegenüber den Besuchern der alten Messe. Die Grenzüberschreitungen in den sozialen Netzwerken haben zwar einen fehlenden sensus ecclesiae bei einigen Tradis bestätigt, dennoch ist die rein negative Perspektive von „Traditionis custodis“ auf die Besucher der alten Messe nicht kommunizierbar.

Vorwurf mangelnder Kirchlichkeit

Der Vorwurf mangelnder Kirchlichkeit trifft viele friedliche Katholiken tief, die sich keinerlei Verstoß gegen die Einheit der Kirche haben zuschulden kommen lassen, während in regenbogenbeflaggten Gotteshäusern die schiere liturgische Beliebigkeit waltet. Letztlich hat Papst Franziskus nichts Neues angestoßen, sondern nur die alte Crux der nachkonziliaren Liturgiereform wieder zum Vorschein gebracht: Wenn Liturgie als Menschenwerk erscheint, sind Belastungsproben für die Einheit der Gläubigen vorprogrammiert.

Weitere Hintergründe zum Motu proprio Traditionis custodes erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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