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Erzbischof Augoustinos Lambardakis: „Einheit bewahren“

Der Synodale Weg, Ökumene, der Konflikt zwischen Ukraine und Russland: Der Metropolit der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland, Augoustinos Lambardakis, gibt im Interview mit der Tagespost Einblicke in die "heißen Eisen" der Kirche in Deutschland.
Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland, Augoustinos Labardakis
Foto: KNA | Im engen Kontakt mit den Gemeinden sieht er als Bischof eine zentrale Aufgabe. Metropolit Augoustinos investiert deshalb viel Zeit in Besuche.

Eure Eminenz, die orthodoxe Kirche in Deutschland bereitet ein Jubiläumsjahr zum 1700-jährigen Jubiläum des Konzils von Nizäa 2025 vor. Was planen Sie? Wie könnte sich die katholische Kirche beteiligen?

In der Tat plant die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD), deren Vorsitzender ich bin, das Jubiläumsjahr 2025 deutschlandweit zu feiern, da das Erste Ökumenische Konzil für uns – und, wie ich meine, für alle Christinnen und Christen – eine besondere Bedeutung hat. In jedem unserer Gottesdienste zitieren wir das Glaubensbekenntnis, das in seinem ersten Teil auf diesem Konzil verfasst wurde und das für uns die Grundlage unserer Sicht der Kirche und auch der ökumenischen Zusammenarbeit ist. Bereits in den ersten Beratungen der OBKD zu diesem Thema war deshalb klar, dass wir selbstverständlich dieses Jubiläum zusammen mit den übrigen Kirchen Deutschlands feiern werden. Welche Form dieses gemeinsame Erinnern mit der römisch-katholischen Kirche haben wird, gilt es noch zu klären. Was unsere Planung betrifft, kann ich sagen, dass heute bereits feststeht, dass es neben liturgischen Feiern in unseren Gemeinden auch wissenschaftliche Tagungen und ein gemeinsames Wort der OBKD geben wird.

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In den vergangenen Jahren war immer wieder von Spannungen innerhalb der Orthodoxie die Rede. Wie würden Sie die innerorthodoxe Situation beschreiben?

Als unser Herr seine Jünger in die Welt sandte, schickte er sie wie „Schafe mitten unter Wölfe“. Dies ist unser Auftrag, den wir erhalten haben und der allen Christen gemeinsam ist. Es gibt keine einzige Kirche in der großen ökumenischen Familie, die ohne diese Spannungen lebt, so auch die orthodoxe Kirche. Dies ist also kein Alleinstellungsmerkmal unserer Kirche. Was die innerorthodoxe Situation betrifft, sind es meines Erachtens zurzeit zwei große Themen, die uns beschäftigen: zum einen die Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen in theologischer, pastoraler, aber auch ökonomischer Hinsicht, zum anderen die Standortbestimmung unserer 15 autokephalen Kirchen im Kontext einer sich rapide entwickelnden und verändernden Welt.

Wie wirkt sich der Konflikt in der Ukraine auf die Beziehungen zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche und dem Moskauer Patriarchat aus?

Zu dieser Standortbestimmung gehört auch der von Ihnen angesprochene Konflikt, der dadurch entstanden ist, dass das Patriarchat Moskau nicht nur die vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel erteilte Autokephalie der Kirche in der Ukraine nicht anerkennt, sondern inzwischen jene orthodoxen Patriarchate und autokephalen Kirchen, die den ukrainischen Metropoliten Epiphanij kommemorieren, mit einer Art selektivem Kirchenbann belegt. Konkrete Auswirkungen für das innerorthodoxe Miteinander hat dies allerdings vor allem dort, wo Gemeinden und Gläubige etwa des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel mit solchen des Moskauer Patriarchats am gleichen Ort und in der gleichen Region zusammenleben. Dies ist zum Beispiel in Deutschland der Fall. Konkret bedeutet dies, dass die russischen Amtsbrüder zurzeit nicht an den Vollversammlungen der OBKD teilnehmen, und dass Konzelebrationen nicht stattfinden. Dies gilt, wie man uns mitgeteilt hat, bis zur Überwindung der derzeitigen Situation.

Wäre ein Papstbesuch in Moskau aus Ihrer Sicht hilfreich?

Ein wenig überfordern Sie mit dieser Frage meine Zuständigkeiten und meine Kenntnisse. Lassen Sie mich dennoch ganz offen antworten: Wenn Sie mit dieser Frage eine Vermittlungsbemühung des Heiligen Vaters zwischen Russland und der Ukraine meinen, glaube ich, ehrlich gesagt, nicht, dass dies große Aussichten auf Erfolg haben würde. Ein Papstbesuch in Moskau wäre meines Erachtens aber sicherlich ein weiteres Zeichen der Wertschätzung des argentinischen Pontifex für die orthodoxe Kirche, die er in den letzten Jahren schon so häufig bewiesen hat. Papst Franziskus könnte sich darüber hinaus ein eigenes Bild von der kirchlichen und politischen Situation in Russland machen, die sicherlich nicht einfach ist.

"Ohne diese Zur-Kenntnisnahme der vox populi
gibt es kein Bischofsamt, ja,
lassen Sie es mich provokativ sagen, sogar keine Kirche."

Die katholische Kirche in Deutschland hat mit dem Synodalen Weg Befürchtungen in der Weltkirche ausgelöst, es könne zu einem Schisma kommen. Wie sehen Sie den Synodalen Weg?

Erfreulicherweise haben die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die den Synodalen Weg organisieren, von Anfang an Wert darauf gelegt, dass die OBKD durch einen Beobachter bei seinen Beratungen vor Ort ist, und uns eine entsprechende Einladung übermittelt. Wir haben daraufhin unseren Beauftragten für innerchristliche Beziehungen, Erzpriester Constantin Miron aus Köln, gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen. Er berichtet uns seitdem auf den Sitzungen der OBKD über den Synodalen Weg. Natürlich ist es noch zu früh, eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Eines steht allerdings für mich fest: Sowohl in der orthodoxen als auch der römisch-katholischen Kirche bedeutet das Bischofsamt das Wahrnehmen der – wie es im Griechischen heißt – „episkopé“ in der Kirche. Damit ist bekanntlich nicht nur eine Art „Aufsicht“ in der Kirche gemeint, sondern auch der „Überblick“, über das, was in der Diözese passiert. Dies ist, wenn ich dies als dienstältester Bischof Deutschlands sagen darf, genauso wichtig. Ich war in meinem Amt früher bis zu 300 Tage im Jahr außerhalb von Bonn, meinem Amtssitz, unterwegs, um unsere Kirchengemeinden zu besuchen und in unzähligen Begegnungen und Gesprächen eben genau diesen erforderlichen Überblick zu gewinnen. Ohne diese Zur-Kenntnisnahme der vox populi gibt es kein Bischofsamt, ja, lassen Sie es mich provokativ sagen, sogar keine Kirche. Gleichzeitig ist der Bischof der Garant und der Sachwalter der Einheit der Kirche. Da vertraue ich im Übrigen den deutschen Bischöfen, dass sie diese Einheit bewahren und vertiefen können.

Manche Katholiken, die Initiativen wie Maria 2.0, die gegenseitige Einladung zum Abendmahl bzw. zur Eucharistie beim Ökumenischen Kirchentag und die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare skeptisch sehen, befürchten, dass die katholische Kirche in Deutschland der Ökumene mit der Orthodoxie schadet. Haben Sie über dieses Problem mit den deutschen Bischöfen sprechen können?

In der Gemeinsamen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, die sich zweimal im Jahr trifft, findet ein regelmäßiger gegenseitiger Austausch über viele der von Ihnen angesprochenen Themen statt – in aller Offenheit und in brüderlichem Vertrauen. Dass die Ökumene zurzeit keine einfache Sache ist, liegt aber nicht nur an den erwähnten Themen. Wir sind im Gespräch und bleiben im Gespräch.

Was raten Sie den deutschen Katholiken, die an der überlieferten Lehre festhalten wollen?

Auf eine ähnliche Frage, die man seinerzeit Papst Paul gestellt hatte, lautete die (scherzhafte) Antwort. „Orthodox werden!“ Scherz beiseite: Bleiben wir weiter im gegenseitigen Austausch über unsere Glaubensnöte, im gemeinsamen Gebet für die Einheit und im engagierten Handeln für eine seriöse „Ökumene der Herzen“ miteinander verbunden. Das ist der Königsweg.

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