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Cameron Fradd: Herausforderungen für katholische Frauen

Frauenfragen sind immer heikel. Die YouTuberin Cameron Fradd spricht über Herausforderungen katholischer Frauen. Ein mutiges Projekt im Netz.
Staue Johanna von Orleáns

Tut mir leid, dass ich zu spät bin, bei uns ist gerade die Hölle los“, beginnt Cameron Fradd. Ihre türkisfarbenen Ohrringe strahlen mit ihren blauen Augen und ihrem breiten Lächeln um die Wette. Sie ist modisch gekleidet, ihr dunkelblondes Haar, das schon einige graue Strähnen aufweist, fällt ihr über die Schultern. Zwischen ihren Händen hält sie eine riesige Kaffeetasse. Wie das Mikrofon vor ihr und die Kopfhörer gehört das ganz selbstverständlich zu ihrem Job: Podcasten. Wie jede größere Lebensentscheidung brachte Cameron die Idee, einen eigenen Podcast zu starten, ins Gebet vor Gott.

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Johanna von Orleans des Internet

Einen Podcast für Frauen, die genug davon haben, sich zu verstellen, und bereit sind, echt zu sein!“, lautet das Motto, das sie immer noch stolz vor jeder einzelnen Folge verkündet. Diese Distanz zum Perfekten, Konformen durchzieht Camerons ganzes Leben. Schon als Kind war sie ein „Tomboy“; spielte lieber auf dem Schulhof Fußball mit den Jungs, als sich im Unterricht brav auf die Schulaufgaben zu konzentrieren. Einmal fordert einer der Jungs sie heraus: „Wenn du willst, dass ich dich mit uns Jungs mitspielen lasse, musst du mich schon dazu zwingen.“ Daraufhin brach Cameron ihm mit einem kräftigen rechten Haken die Nase.

Ihre Lieblingsheilige ist Johanna von Orleáns. „Sie sagt mir viel mehr als zum Beispiel die kleine Therese: Mit ihr konnte ich lange nichts anfangen. Ehrlich gesagt hielt ich sie am Anfang sogar für ein ziemlich verwöhntes Kind – jetzt sehe ich das natürlich etwas anders. Aber Johanna von Orléans, das war die erste Heilige, bei der ich dachte: Das ist eine Frau nach meinem Geschmack.“ Eine Krankheit durchkreuzt später ihren Plan, eine Kampfsportkarriere einzuschlagen. Stattdessen reist sie nach Kanada, und nimmt an der Jüngerschaftsschule „NET Ministries“ teil, die es in Kanada, Australien, den USA und Irland gibt. In Teams reisen die jungen Katholiken überall durch das Land, organisieren Anbetung, und Katechesen, und legen vor anderen Jugendlichen Zeugnis für den Glauben ab.

Erwachsen werden

„Wir haben in unserer Gesellschaft ein Problem mit Leuten in ihren Dreißigern und Vierzigern, die nie gelernt haben, erwachsen zu werden, Verantwortung zu übernehmen. Es ist heutzutage sehr leicht, sich diesem Ansporn zu entziehen. Aber NET zwingt dich, erwachsen zu werden – nicht auf eine gemeine, sondern auf eine liebevolle, herausfordernde Art.“ Einer der Teammitglieder ist Matt, ein Katholik aus Australien. Die beiden entwickeln eine tiefe Freundschaft, die sich schließlich auch über Kontinente erstreckt. „Als unser Jahr zusammen vorbei war, und wir nach Hause flogen, spürte ich eine tiefe Traurigkeit, ihn nicht mehr jeden Tag wiederzusehen.“ Sie lächelt. „Aber ich war mir auch nicht sicher, ob es mehr für mich war.“ Ein Zitat, dass sie immer wieder dazu bringt, über eine Beziehung mit Matt nachzudenken, stammt von C.S. Lewis: „Liebe ist Freundschaft, die Feuer gefangen hat.“

Cameron Fradd
Foto: Among The Lilies | Cameron Fradd

Als Cameron Matt für zwei Wochen in Australien besucht, gehen sie gemeinsam zu einem Bischof, den Matt gut kennt. „Der redete die ganze Zeit davon, wie toll es doch sei, verliebt zu sein, und was für ein Geschenk die eheliche Liebe ist. Ich war ziemlich schockiert, weil ich mir noch gar nicht sicher war, ob ich für Matt mehr fühlte als tiefe Freundschaft.“ Doch als der Bischof ihnen zum Abschied den Segen erteilt, fühlt Cameron in ihrem Herzen eine tiefe Wärme und Sicherheit aufsteigen. „Ich dachte an dieses Zitat. Etwas in meinem Herzen hatte sich verändert. Ich war mir plötzlich sicher, dass Matt der Richtige war.“ Ihre erste Zeit zusammen ist abenteuerlich. Kurz vor der Hochzeit verliert Matt sogar seine Arbeit.

Echte Gespräche

Sie beginnen, bei NET-Ministries in Irland als Jugendseelsorger zu arbeiten, und halten sich gerade so über Wasser. Das junge Paar lebt in einem kleinen, zugigen Haus im County Donegal, und Cameron kämpft nach der Geburt ihres ersten Sohnes Liam mit Krankheit und Erschöpfung. In dieser Zeit wendet sie sich Podcasts und Radiosendungen zu. „Ich suchte echte, authentische Gespräche über schwierige Dinge. Und dann stolperte ich über diese katholische Show, in der Mütter sich unterhalten haben. Und eine von ihnen sagte doch tatsächlich, dass sie manchmal keine gute Ehefrau sei, heute zum Beispiel habe sie den Boden nicht gewischt – aufgeräumt und gesaugt schon, aber nicht gewischt.“ Cameron verdreht die Augen. „Das sind doch keine echten Probleme.

 

 

Es macht mich wirklich wütend: Frauen schauen zu diesen Leuten auf und suchen ihren Rat, und ihr Rat lautet: Hm, trag‘ doch mal Lippenstift auf, bevor dein Ehemann von der Arbeit nach Hause kommt. Das alles brachte ich in unsere kleine Hauskapelle, die sich über Matts Aufnahmestudio befand und erzählte es Gott. Und dann kam mir die Idee: Einfach selber einen Podcast zu machen.“ Camerons Mann hatte bereits eine Weile einen Podcast, den er ursprünglich für Leistungspunkte an der Universität gestartet hatte: „Pints With Aquinas“, einen Podcast über die Philosophie des heilige Thomas. Heute ist „Pints with Aquinas“ ein YouTube-Kanal mit knapp 180 000 Abonnenten. Neben philosophischen Videos lädt Matt auch lange Interviews mit Gästen aus der katholischen Welt hoch: Scott Hahn, Peter Kreeft und Christopher West waren bereits bei ihm zu Gast.

Schwere Themen

Camerons Gäste sind Frauen – manche von ihnen ebenfalls katholische Medienpersönlichkeiten, manche einfach Freundinnen, und manche sind einfach Zuhörerinnen. „Ich habe mir alle schwierigen Themen vorgenommen: Gleichgeschlechtliche Anziehung. Postnatale Depression. Natürliche Empfängnisverhütung. Sex. Sich als Mutter überfordert zu fühlen. Es ist nicht blitzblank, sondern echt!“ Auf die Frage, was für einen Ratschlag sie Müttern gibt, die sich überfordert fühlen, antwortet sie: „Senke deine Standards. Frag‘ den Herrn, was er jetzt wirklich von dir möchte. Trenne deine Erwartungen von seinen: Denn seine sind es, die zählen. Und meistens will er gar kein perfekt geputztes und dekoriertes Haus, oder aus dem Ei gepellte Kinder, sondern nur deine Gegenwart – so, wie bei Martha und Maria.“ Für Cameron ist das der Schlüssel für so vieles: Den Tatsachen ins Gesicht sehen – das heißt, Gott ins Gesicht sehen. Und realistisch sein, echt sein. Ihr Podcast ist genau wie sie: Ehrlich, direkt, voller verrückter Geschichten, aus denen gerade im Unfertigen, Kaputten, Nichtperfekten immer eine Geschichte über Gott im Zentrum steht.


Camerons Podcast ist unter „cameronfradd.com“ sowie auf YouTube unter „Cameron Fradd“ zu finden.

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