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Update: Missbrauchsvertuschung? Erzbischof Heße und das Erzbistum Köln äußern sich

Nach Recherchen der „Bild“-Zeitung soll der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße an der Vertuschung eines Missbrauchsskandals mitgewirkt haben. Gegen den Täter wird nun Klage vor der Strafkammer des Kölner Landgerichts erhoben. Heße weist die Anschuldigungen zurück. Doch auch das Erzbistum Köln äußert sich jetzt.
Erzbischof Stefan Heße soll an der Vertuschung eines Missbrauchsskandals mitgewirkt haben
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Das Erzbistum Köln sieht sich schweren Anschuldigungen ausgesetzt, die auch die Amtszeit Stefan Heßes(hier als damaliger Generalvikar rechts im Bild) als Personalchef betreffen.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße sieht sich schweren Vorwürfen in der Handhabung von Missbrauchsfällen konfrontiert. Das berichtet die Bild-Zeitung. Als Leiter der Personalabteilung des Erzbistums Köln soll Heße einen Priester, der über Jahre hinweg seine drei Nichten missbraucht hatte, vor Strafverfolgung geschützt haben. Auch habe Heße die Anzeigepflicht bei der römischen Glaubenskongregation missachtet. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft am Landgericht Köln Anklage gegen den 69jährigen Priester U. erhoben.

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Bereits im Frühjahr 2010 hatte die Staatsanwaltschaft Köln nach einer Anzeige eines Opfers Ermittlungen aufgenommen, diese allerdings eingestellt wurden, da die Anzeige auf angeblich familiärem Druck zurückgezogen worden war. Mitarbeiter des Erzbistums sollen in diesem Zusammenhang erfahren haben, dass der fragliche Priester 3000 Mark an die Mutter der Opfer gezahlt habe. Zudem ergebe sich aus kirchlichen Akten auch, dass der Beschuldigte den Mädchen Tabletten verabreicht haben soll. „Er sagte seinen Nichten, das seien Smarties-Schokolinsen. Vermutlich hat der Priester seine Opfer betäubt“, so „Bild“.

Bewusst Akten manipuliert?

Die Bild-Zeitung zitiert eine 2010 angefertigte Gesprächsnotiz, nach der der beschuldigte Priester „im Generalvikariat in einem Gespräch alles erzählt“ habe. Weiter heißt es: „Es sollte über dieses Gespräch jedoch bewusst kein Protokoll angefertigt werden, weil befürchtet wurde, dass dieses beschlagnahmefähig wäre. Aus diesem Grund sollten nur handschriftliche Notizen existieren, die notfalls vernichtet werden könnten. Prälat Dr. Heße gibt zu diesem Vorgehen sein Einverständnis.“

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Darüber hinaus wurde der Geistliche schnell wieder in der Seelsorge eingesetzt. Die Zeitung zitiert aus einem Vermerk vom 22. Juni 2011, in dem es heißt: „Kardinal Meisner nimmt die Beurlaubung von Pfarrer U. mit sofortiger Wirkung zurück und setzt ihn erneut in der Krankenhausseelsorge ein. Pfarrer U. erhält vom Erzbistum 3000 Euro Zuschuss für die entstandenen Rechtsanwaltskosten.“ Das sei ein „Zeichen des Erzbistums Köln“, den Pfarrer „in der Situation der Ermittlung nicht gänzlich im Regen stehen lassen zu wollen“.

"Bild" zitiert ebenso ein Dokument des Erzbistums Köln aus dem Jahr 2019. Dort hieße es: „Eine Meldung an die Glaubenskongregation sowie den Erzbischof ist seinerzeit pflichtwidrig unterblieben.“ Erst am 16. April 2019 soll die für Missbrauchsfälle zuständige Glaubenskongregation informiert worden.

Hohe Haftstrafe erwartet

Der Kölner Diözesanpriester U. war von 2002 bis 2016 in Wuppertal als Leiter der Katholischen Krankenhausseelsorge tätig und zusätzlich ab 2014 als stellvertretender Stadtdechant von Kardinal Meisner bestätigt. Ab 2016 war er als Pfarrvikar in der Eifel tätig. Auch wenn über die Zulassung der Anklage vor dem Kölner Landgericht noch nicht entschieden wurde, gilt laut „Bild“ ein Prozess vor der großen Strafkammer als sicher: „Strafrechtsexperten erwarten eine relativ hohe Gefängnisstrafe – von rund sechs Jahren.“

Heße hält gegenüber „Bild“ daran fest, dass er ausschlösse, „einem Vorgehen zugestimmt zu haben, bei dem in Fällen sexuellen Missbrauchs von Gesprächsinhalten keine Protokolle angelegt oder gar Protokolle, Akten oder Gesprächsnotizen im Zweifel vernichtet werden sollen.“ Das widerspräche nicht nur seiner Überzeugung bei der Frage der Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, sondern auch meinem jahrzehntelangen Handeln in dieser Frage.

Vorwürfe gegen Heße wurden im Rahmen der Anstrengungen des Erzbistums Köln erhoben, die Verantwortung der Bistumsführung beim Umgang mit sexuellem Missbrauch durch die Münchener Kanzlei „Westpfahl Spilcker Wastl“ aufzuklären. Dabei sollten auch die Namen der verantwortlichen Erzbischöfe, Generalvikare und Weihbischöfe benannt werden. Das Gutachten soll laut ZEIT „von fehlendem Problembewusstsein geprägten Haltung des Dr. Heße gegenüber Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker“ berichten. Diese Untersuchung ist seit März abgeschlossen, wird jedoch einer „methodologischen Erweiterung“ unterzogen, da sich verschiedene Beteiligte mit juristischen Mitteln gegen die Veröffentlichung wehrten, da sie ihre Persönlichkeitsrecht nicht gewahrt sahen. Laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ soll sich auch Heße mit juristischen Mitteln gegen die Veröffentlichung verwahrt haben. DT/BILD/FAZ/ZEIT/ska

Update 15.10.:

„Diese Information ist nicht belegt, aber bekannt.“

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte das Erzbistum Köln am Mittwoch auf Nachfrage, ob es stimme, dass der Priester bereits 2010 kirchenintern ein umfassendes Geständnis abgelegt habe: „Diese Information ist nicht belegt, aber bekannt.“ Das Erzbistum bestätigte, dass es sich damals an den Anwaltskosten des Priesters beteiligt habe. Der damalige Kardinal Joachim Meisner habe das entschieden, da die Ermittlungen 2011 zunächst eingestellt worden seien.

Derweil bestätigt ein Sprecher des Landgerichts Köln die Anklageerhebung am Mittwoch. Es gehe dabei auch um einen „Beischlaf-Fall“. 2010 war der Priester schon einmal angezeigt worden, doch damals wurde die Anzeige zurückgezogen. 2019 wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Missbrauchsopfer - heute erwachsen - sollen jetzt aussagebereit sein. das berichtet die dpa.

Unterdessen hat Heße erneut Vorwürfe zurückgewiesen, sexuellen Missbrauch vertuscht zu haben. Er habe als früherer Personalchef keinesfalls dem Vorgehen zugestimmt, Gespräche über Missbrauchsfälle nicht zu protokollieren oder schriftliche Dokumente dazu zu vernichten. Das sagte Heße am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Hamburg.  Sicher seien auch ihm Fehler passiert, aber er könne ausschließen, dass er jemals versucht habe, Täter zu schützen oder Taten zu vertuschen. Heße war ab 2006 Personalchef und von 2012 bis 2015 Generalvikar im Erzbistum Köln. DT/dpa/KNA/ska

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