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Geschichte des christlichen Advent

Der christliche Advent reicht weit in heidnische Zeiten zurück. Eine Spurensuche von Ulrich Nersinger.
Fellini, Roma
Foto: Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Eine Filmszene aus Fellinis „Roma“. Vorchristliche „Advent“- Vorstellungen wirken bis in das Christentum hinein.

Christen sehen im Advent die Zeit der Vorbereitung und Erwartung des Weihnachtsfestes. Diese zielt, so wie es ein Lied des 17. Jahrhunderts ausdrückt, auf die Erscheinung des Heilands hin: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;/ es kommt der Herr der Herrlichkeit,/ ein König aller Königreich,/ ein Heiland aller Welt zugleich“.

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Der Begriff „Advent“ kommt vom lateinischen „adventus“, was soviel wie „Ankunft“ bedeutet. Gemeint war damit in der vorchristlichen Antike das machtvolle Auftreten eines allgewaltigen Herrschers, der seinem Volk, ja dem ganzen Erdkreis das Heil bringen sollte. Der „adventus“ stellte daher ein Ereignis dar, das mit größter Erwartung, Anstrengung und Zeremoniell zu begehen war. Der Auftritt eines Weltenherrschers erfuhr seine Prägung nicht allein in der Übernahme von entsprechenden Vorstellungen und Bräuchen aus den Reichen der Pharaonen oder des Zweistromlandes – er war ebenso vorgegeben in den Kulturen Europas, in Griechenland und in Rom.

Auch in den Kulturen Europas war der Advent des Weltherrschers präsent

Bereits im fünften vorchristlichen Jahrhundert, in den „Vögeln“ des Aristophanes, vernahm man die Aufforderung: „O ihr glückliches, o mehr als glückliches, ihr dreimal seliges Vogelvolk, empfanget euren Fürsten froh im Prunkpalast. Er kommt daher, lichtstrahlend, wie noch nie ein Stern des Himmels goldgestirntem Dom durchleuchtete, und selbst der Mittagssonne strahlend glühender Ball, er strahlte nie so wunderbar, wie der sich naht, an dessen Seite aller Schönheit Königin, in dessen Hand der Flammenblitz des Zeus! Es senkt ein zaubersüßer Duft sich niederwärts. Ein selig Schauspiel! Und des Weihrauchs stilles Wehen, vom heiligen Altare wallt es, wolkt es sich empor, – da seht ihn selber ... Öffnet jetzt zum Gruß, ihr heiligen Musen, des Gesanges holden Mund.“

Der Historiker Andreas Alföldi bemerkt zu Recht, dass sich in diesem Text schon alle wesentlichen Elemente des späteren römischen Empfangszeremoniells zeigen: der Sternenglanz des Heilandes, der durch Akklamationen, wie durch Fackel und Lichter vergegenwärtigt wird, Weihrauchduft, Altäre und Opfer für den neuen Zeus, Begrüßung mit Gesangschören. Die Majestät der Götter Roms, ihr Anspruch, das Heil der Stadt und der Welt zu erwirken, fand sich in der „maiestas“ des römischen Volkes und seiner Repräsentanten wieder. „Du aber, Römer, gedenke – so entspricht es deinem Wesen – Völker kraft Amtes zu lenken und Ordnung zu stiften dem Frieden, Unterworfene zu schonen und niederzukämpfen Empörer“, heißt es bei Vergil (Aen. VI, 851–853).

„Du aber, Römer, gedenke – so entspricht es deinem Wesen –
Völker kraft Amtes zu lenken und Ordnung zu stiften dem Frieden, U
nterworfene zu schonen und niederzukämpfen Empörer.“

Der römische Dichter soll in einem seiner Gedichte, in der vierten Ekloge, eine Prophezeiung der Sibylle von Cumae aufgegriffen haben; von der berühmten Seherin der Antike sei der Adventus, die Geburt eines Sohnes aus einer Jungfrau geweissagt worden, der als göttlicher Retter über die Welt zu herrschen vermöge. Schon seit den Scipionen wurden die Vorstellungen von einem Heiland, den die alte Welt heiß ersehnte, auf die führenden Männer Roms übertragen. Später fanden sie mit der Kaiseridee ihre Inkarnation.

Unter Augustus bekommt der Advent größere Bedeutung

Unter Kaiser Augustus kam dem Adventus immer größere Bedeutung zu. Octavian zog dreimal, in den Jahren 29, 19 und 13 v. Christus, unter Anteilnahme der ganzen Bevölkerung in Rom ein; es waren Beschlüsse gefasst worden, „dass ihm, wenn er die Stadt beträte, die Vestalinnen und der Senat und Volk mit Frauen und Kindern entgegengehen sollten“ (Cass. Dio LI 19, 2). Die Münzen der römischen Kaiserzeit werden in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht müde, den jeweiligen „felix adventus Augusti nostri“ zu verkünden.

„Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem!
Siehe, dein König kommt zu dir ...
Er verkündet für die Völker den Frieden;
seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde.“

Auch die Bibel bezeugt im Alten Testament den Adventus. Bei Jeremia (17, 25) heißt es: „... dann werden durch die Tore dieser Stadt Könige einziehen, die auf dem Thron Davids sitzen; mit Wagen und Rossen werden sie kommen“. „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir ... Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde“, prophezeit Sacharja (9, 9. 10); im neutestamentlichen Geschehen wird diese Heilsankündigung durch den Messias präsent gemacht: „[Sie] nahmen Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen und riefen: ,Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!‘“ (Joh 12, 13).

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Nicht um der eigenen Autorität in einem übersteigerten Machtstreben etwas hinzuzufügen, sondern im Bewusstsein eines durch die Geschichte und die Frohe Botschaft bedingten Auftrags übernahmen die Päpste den Adventus der Cäsaren. Das Erscheinen des Papstes, sein feierlicher Zug zur heiligen Messe, war keine billige Zurschaustellung von Macht, kein Ausdruck des Größenwahns einer einzelnen Person, sondern von dem „Adventus“-Gedanken durchdrungen und definiert, den die Kirche auf die sich schon manifestierende Präsenz des christlichen Heilandes und des Reiches Gottes übertrug. In der so gefeierten Parusie des erhofften Erlösers als Pantokrator sah Reinhard Raffalt die Verschwisterung des Evangeliums Jesu Christi mit dem Erbe Roms. Der Adventus des Papstes gehörte somit zum natürlichen Erscheinungsbild der römischen Kirche, des christlichen Abendlandes. Wer um die historischen Dimensionen wusste und sich durch seine eigene Überzeugung im Denken nicht begrenzte, sah sich einem Faktum gegenüber, das er zwar kritisieren, aber nicht ignorieren konnte. So zollte ihm Federico Fellini in „Roma“, seinem brillanten Porträt der Ewigen Stadt, einen satirischen Tribut: Im Palazzo der Principessa Domitilla beendet er eine klerikale Modenschau der Moderne mit dem päpstlichen Adventus vergangener Zeiten.

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