Es vergeht seit Jahresbeginn kaum ein Tag, an dem das leidige Thema des Missbrauchs nicht auch im Vatikan auf der Tagesordnung steht. Begann das Jahr für Papst Franziskus mit dem Brief an die amerikanischen Bischöfe, die sich im Priesterseminar von Chicago zu Einkehrtagen zusammengefunden hatten, um eine spirituelle Erneuerung nach den Krisenmonaten einzuleiten, so war es Anfang dieser Woche die Spitze der chilenischen Bischofskonferenz, die persönlich in Rom eintraf, um mit Franziskus über Fortschritte bei der Aufarbeitung der Fälle von Vertuschung und sexuellen Übergriffen zu beraten.
Die Rücktrittswelle im chilenischen Episkopat scheint abgeebbt
Im Mai hatten 34 Bischöfe des lateinamerikanischen Landes dem Papst in Rom ihren Rücktritt angeboten. Sieben davon hat Franziskus inzwischen angenommen. Jetzt im Vatikan war auch der 77-jährige Erzbischof von Santiago de Chile, Kardinal Riccardo Ezzati, dabei. Ob der Papst auch den in seiner Heimat wegen Missbrauchsvertuschung stark unter Druck geratenen Erzbischof in den Ruhestand verabschieden wird, ist noch offen. Insgesamt scheint die Rücktrittswelle im chilenischen Episkopat abgeebbt zu sein.
Franziskus hat immer wieder zu verstehen gegeben, was für ihn die Gründe der Gewalt sind, die Kleriker Schutzbefohlenen angetan haben: der Klerikalismus oder, wie er es den amerikanischen Bischöfen am 1. Januar schrieb, „der Missbrauch der Macht, des Gewissens und der Sexualität“.
Flächendeckend ein hoher Anteil der Missbrauchsopfer männlich
Von der Homosexualität spricht der Papst nie. Angesichts prominenter Fälle wie dem des Amerikaners „Uncle Ted“ McCarrick oder des Chilenen Fernando Karadima, aber auch angesichts der Tatsache, dass flächendeckend ein unverhältnismäßig hoher Prozentsatz der Missbrauchsopfer männlichen Geschlechts ist, eigentlich ein erstaunliches Faktum.
DT
Was vom Treffen der Spitzen aller Bischofskonferenzen im Februar im Vatikan zu erwarten ist, und ob dort auch über Homosexualität diskutiert wird, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 17. Januar 2019.