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Stolpersteine auf einem gelungenen Weg

Randbemerkungen zu Nebenschauplätzen des Grazer Diözesanjubiläums. Von Stephan Baier
Krautwaschl und Haider
| Bischof Wilhelm Krautwaschl mit dem Schauspieler, ORF-Moderator und bekennenden Homosexuellen Alfons Haider in Graz. Foto: Diözese Graz/Neuhold.

„Der Sinn von Jubiläen besteht im gemeinsamen Feiern und Rückblicken“, sagte Bischof Wilhelm Krautwaschl bei einer Buchpräsentation anlässlich der 800-Jahr-Feier seiner Diözese Graz-Seckau. Gleichwohl blickte die steirische Kirche mehr nach vorne als zurück, griff große Existenz- und Zukunftsfragen der Menschen von heute auf. Das ist gut so. Die Diözese Graz-Seckau bewies mit einer Tour durch die steirischen Regionen und einem Festwochenende in Graz, dass sie Themen setzen, Debatten führen und die Botschaft des Evangeliums verstehbar zu den Menschen von heute bringen kann. Auch das ist gut so. Raus aus dem binnenkirchlichen Fachgespräch, weg von den längst langweiligen immer gleichen „heißen Eisen“ – nur so wird Kirche als „Gemeinschaft der missionarischen Jünger“ (Zitat Papst Franziskus) erfahrbar. In Graz hat die Diözese gezeigt, dass sie dazu den Willen und die Kraft hat.

Ohne Stolpersteine ging es aber doch nicht: Warum protestantische Pastoren so unhöflich sein müssen, als Gäste auf katholischer Bühne übergriffige Forderungen an die Gastgeber zu richten, ist mehr als eine Erziehungsfrage. In Graz nutzte die evangelische Pfarrerin Ulrike Frank-Schlamberger die Gelegenheit eines Grußwortes beim Festakt auf dem Hauptplatz, um „ökumenische Gastfreundschaft“ zu verlangen: „Als evangelische Kirche wünschen wir uns, dass uns der Tisch des Herrn, die Eucharistie nicht mehr voneinander trennt.“ Katholischerseits wahrt man um der Ökumene willen dann stets die Contenance. Man stelle sich den Aufschrei vor, würden katholische Gastredner auf evangelischer Bühne in forderndem Ton die Anerkennung des päpstlichen Primats und des Weltkatechismus einfordern!

Noch unangenehmer war eine zweite Begebenheit: Zeitgleich mit dem Diözesanjubiläum feierte die „LesBiSchwulTrans-Community“ ihren „Christopher Street Day“ in Graz. Um sich gegenseitig „nicht in die Quere“ zu kommen, lud die Diözese den Schauspieler und ORF-Moderator Alfons Haider, den bekanntesten Homosexuellen Österreichs, auf eine ihrer Bühnen ein. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal bei einem katholischen Fest auftrete“, gestand Haider, der Bischof Krautwaschl dafür mit viel Lob und Komplimenten vereinnahmte. Das war strategisch gemeint, denn Haider nutzte – wenig überraschend – seinen Auftritt, um die Agenda der Homo-Lobby zu platzieren: „Völlig egal, wen man liebt und welches Geschlecht der hat – der liebe Gott hat damit kein Problem.“ Er könne nicht verstehen, „dass die katholische Kirche nicht in der Lage ist, Menschen wie mir den Segen zu geben“. In Anwesenheit des Bischofs sagte Haider: „Auf das Standesamt pfeife ich, aber der Segen eines Priesters wäre mir wichtig.“

Der Grazer Bischof ging im öffentlichen Gespräch mit Haider darauf nicht ein, meinte aber, in der Kirche müsse man noch lernen, dass jemand, der anders ist, auf das selbe Ziel hin unterwegs sein könne. Es sei für ihn stete Herausforderung, wie Jesus auf die Menschen zuzugehen. Und, zu Haider gewandt: „Ich verlasse nicht meinen Standpunkt, indem ich hier mit Ihnen rede.“ Eine andeutungsreiche, aber eben nicht eindeutige Redeweise. Da mag der eine ein Abrücken von der „traditionellen“ Kirchenlehre heraushören, ein anderer das Beharren auf dem eigenen, katholischen Standpunkt. Ähnlich das Grußwort, das Bischof Krautwaschl durch eine Mitarbeiterin beim „Christopher Street Day“ verlesen ließ: „Wir alle wissen, die katholische Kirche tut sich nicht immer leicht mit Liebesformen, die nicht dem traditionellen Bild ‚ein Mann und eine Frau‘ entsprechen. Und wir alle wissen, die katholische Kirche und die LesBiSchwulTrans-Community haben sich miteinander oft nicht leicht getan. Aber viele bemühen sich um gegenseitige Offenheit und Wertschätzung, und man ist einander nicht egal.“

Sicher, Wertschätzung und Respekt verdient jeder Mensch, denn jeder ist nach Gottes Abbild geschaffen und dazu berufen, sich als geliebtes Kind Gottes zu entdecken. Aber bringt die Kirche Christi darum schon allen „Liebesformen“ gleichermaßen Wertschätzung und Respekt entgegen? Gibt es neben dem „traditionellen Bild“ von Ehe und Familie noch ein anderes, ein moderneres, das auch den Segen der Kirche bekommen könnte? Gilt die Lehre (wie sie im Katechismus Nr. 2357-2359 zu finden ist) noch? Und schließlich: Sind wir Katholiken noch in der Lage, die katholische Lehre zu Ehe und Familie auf öffentlicher Bühne liebevoll, höflich und gewinnend zu argumentieren?

Eine ausführliche Reportage über die Grazer Jubiläumsfeiern lesen Sie in der aktuellen „Tagespost“ auf Seite 15.

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