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Zweierlei Unverständnis

Im Wortlaut die Ansprache des Heiligen Vaters beim Angelus am 10. Juni.
Papst Franziskus wendet sich an die Gläubigen
Foto: Alessandra Tarantino (AP) | Papst Franziskus.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Das Evangelium dieses Sonntags (vgl. Mk 3,20-35) zeigt uns zwei Arten von Unverständnis, denen sich Jesus zu stellen hatte: das der Schriftgelehrten und das seiner eigenen Familienangehörigen.

Das erste Unverständnis. Die Schriftgelehrten waren Männer, die in der Heiligen Schrift ausgebildet wurden und damit beauftragt waren, sie den Menschen zu erklären. Einige von ihnen wurden von Jerusalem nach Galiläa gesandt, wo sich der Ruhm Jesu zu verbreiten begann, um ihn in den Augen der Menschen zu diskreditieren: um das Amt der Schwätzer auszuüben, den anderen zu diskreditieren, ihm die Autorität zu nehmen, diese schlechte Sache. Und jene wurden geschickt, um dies zu tun. Und diese Schriftgelehrten kommen mit einer präzisen und schrecklichen Anklage – diese da sparen nicht an Mitteln, sie stellen sich in die Mitte und sagen so: „Er ist von Beelzebul besessen; mit Hilfe des Herrschers der Dämonen treibt er die Dämonen aus“ (V. 22). Das heißt: das Oberhaupt der Dämonen ist derjenige, der ihn antreibt; das entspricht mehr oder weniger dem, als sagten sie: „Das ist ein Besessener“. Tatsächlich hat Jesus viele kranke Menschen geheilt, und sie wollen glauben machen, dass er es nicht mit dem Geist Gottes tut – wie Jesus tat –, sondern mit dem des Bösen, mit der Macht des Teufels. Jesus reagiert mit starken und klaren Worten, er toleriert dies nicht, da diese Schriftgelehrten, vielleicht ohne es zu merken, der größten Sünde verfallen: die Liebe Gottes, die in Jesus gegenwärtig ist und wirkt, zu verleugnen und zu lästern. Und die Lästerung, die Sünde gegen den Heiligen Geist, ist die einzige unverzeihliche Sünde – so sagt Jesus –, weil sie von einer Verschlossenheit des Herzens für das Erbarmen Gottes ausgeht, das in Jesus wirkt.

Doch diese Episode enthält eine Warnung, die uns allen dient. In der Tat kann es vorkommen, dass ein starker Neid auf die Güte und auf die guten Werke einer Person dazu führen kann, sie falsch zu beschuldigen. Hier ist ein echtes tödliches Gift gegeben: die Bosheit, mit der man in vorsätzlicher Weise den guten Ruf des anderen zerstören will. Gott befreie uns von dieser schrecklichen Versuchung! Und wenn wir unser Gewissen erforschen und dann erkennen, dass dieses böse Gras in uns keimt, wollen wir es sofort im Sakrament der Buße beichten, bevor es sich entfaltet und seine bösen Wirkungen hervorbringt, die unheilbar sind. Seid vorsichtig, denn diese Haltung zerstört Familien, Freundschaften, Gemeinschaften und sogar die Gesellschaft.

Das heutige Evangelium spricht auch von einem weiteren, ganz anderen Unverständnis gegenüber Jesus: dem seiner Angehörigen. Sie waren besorgt, weil ihnen sein neues Wanderleben ein Wahnsinn zu sein schien (vgl. V. 21). Tatsächlich zeigte er sich den Menschen, besonders den Kranken und Sündern, so zugänglich, dass er nicht einmal mehr Zeit hatte, etwas zu essen. Jesus war so: die Menschen zuerst, den Menschen dienen, den Menschen helfen, die Menschen lehren, die Menschen heilen. Er war für die Leute da. Er hatte nicht einmal Zeit zu essen. Seine Angehörigen beschließen deshalb, ihn nachhause zurückzubringen, nach Nazareth. Sie kommen zu dem Ort, wo Jesus predigt, und lassen ihn rufen. Ihm wird gesagt: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich“ (V. 32). Er antwortet: „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?“. Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen und zuhörten, und sagte: „Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (V. 33-35). Jesus hat eine neue Familie gebildet, die nicht mehr auf natürlichen Banden beruht, sondern auf dem Glauben an ihn, auf seiner Liebe, die uns empfängt und uns untereinander im Heiligen Geist vereint. Alle, die das Wort Jesu annehmen, sind Kinder Gottes und Brüder und Schwestern untereinander. Das Wort Jesu anzunehmen macht uns zu Geschwistern, es macht uns zur Familie Jesu. Schlecht über die Anderen zu reden, den Ruf der Anderen zu zerstören, macht uns zur Familie des Teufels.

Jene Antwort Jesu ist kein Mangel an Respekt für seine Mutter und seine Angehörigen. Sie ist vielmehr für Maria die größte Anerkennung, denn gerade sie ist die vollkommene Jüngerin, die in allem den Willen Gottes befolgt hat. Möge uns die Jungfrau und Mutter helfen, immer in Gemeinschaft mit Jesus zu leben, indem wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen, der in ihm und in der Kirche wirkt und die Welt zu neuem Leben schafft.

Nach dem Angelus:

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich möchte dem geliebten koreanischen Volk noch einmal einen besonderen Gedanken in Freundschaft und Gebet widmen. Die Gespräche, die in den nächsten Tagen in Singapur stattfinden werden, können dazu beitragen, einen positiven Weg zu finden, der eine friedliche Zukunft für die koreanische Halbinsel und für die ganze Welt gewährleisten wird. Dafür beten wir zum Herrn. Lasst uns zusammen zu unserer lieben Frau, der Königin von Korea, beten, dass sie diese Gespräche begleite. [„Gegrüßt seist du, Maria...“]

Heute wird in Agen, Frankreich, Schwester Maria von der Empfängnis seliggesprochen, mit bürgerlichem Namen Adèle de Batz de Trenquelléon. Sie lebte zwischen dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert und gründete die Töchter der Unbefleckt Empfangenen Jungfrau Maria, Marianistinnen (Marientöchter) genannt. Preisen wir den Herrn für diese seine Tochter, die ihr Leben ihm und dem Dienst an den Brüdern und Schwestern weihte. Einen Applaus für die neue Selige, einen Applaus alle zusammen.

Übersetzung aus dem Italienischen von Armin Schwibach

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