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"Wir sind aufgerufen, Jesus zu erkennen"

Im Wortlaut die Ansprache des Heiligen Vaters beim Regina Coeli am 22. April.
Papst Franziskus - Ansprache beim Regina Coeli am 22. April.
Foto: Paul Haring (KNA)

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Liturgie des heutigen vierten Ostersonntags fährt in der Absicht fort, uns dabei zu helfen, unsere Identität als Jünger des auferstandenen Herrn neu zu entdecken. In der Apostelgeschichte erklärt Petrus offen, dass die Heilung des Gelähmten, die er gewirkt hat und von der ganz Jerusalem spricht, im Namen Jesu erfolgt ist, denn „in keinem anderen ist das Heil zu finden“ (4,12). In jenem geheilten Mann ist jeder von uns – jener Mann steht für uns: wir sind alle dort -, sind unsere Gemeinden: jeder kann von den zahlreichen Formen geistlicher Krankheit geheilt werden, die er hat – Ehrgeiz, Faulheit, Hochmut -, wenn er einwilligt, sein Dasein vertrauensvoll in die Hände des auferstandenen Herrn zu legen. „Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers – sagt Petrus - durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch“ (V 10). Doch wer ist der Christus, der heilt? Worin besteht es, von Ihm geheilt zu werden? Von was heilt er? Und durch welches Verhalten?

Die Antwort auf alle diese Fragen finden wir im heutigen Evangelium, in dem Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Diese Selbstdarstellung Jesu kann nicht auf eine gefühlsmäßige Suggestion ohne jede konkrete Auswirkung reduziert werden! Jesus heilt dadurch, dass er der Hirte ist, der sein Leben hingibt. Indem er sein Leben für uns hingibt, sagt Jesus zu jedem von uns: „Dein Leben ist mir so wichtig, dass ich mich ganz hingebe, um es zu retten“. Und gerade diese Aufopferung seines Lebens macht ihn zum guten Hirten schlechthin, zu dem, der heilt, zu dem, der uns ermöglicht, ein schönes und fruchtbares Leben zu führen.

Der zweite Teil desselben Abschnitts aus dem Evangelium teilt uns mit, unter welchen Bedingungen Jesus uns heilen und unser Leben schön und fruchtbar machen kann: „Ich bin der gute Hirt – sagt Jesus -; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne“ (V. 14-15). Jesus spricht nicht von einem verstandesmäßigen Kennen, nein, sondern von einer persönlichen Beziehung, einer bevorzugten Beziehung, einer Beziehung gegenseitiger Zärtlichkeit, die ein Widerschein der innigen Liebesbeziehung zwischen ihm und dem Vater ist. Und das Verhalten, durch das sich eine lebendige Beziehung zu Jesus verwirklicht, ist, dass wir uns von ihm erkennen lassen. Uns nicht in uns selbst verschließen, uns dem Herrn öffnen, damit er mich erkenne. Er achtet auf jeden von uns, er kennt unser Herz in seinem tiefsten Inneren: er kennt unsere Vorzüge und unsere Fehler, die Pläne, die wir verwirklicht haben, und die Hoffnungen, die enttäuscht wurden. Doch er nimmt uns so an, wie wir sind, auch mit unseren Sünden, um uns zu heilen, um uns zu vergeben, er führt uns mit Liebe, damit wir uns auch auf unwegsamen Wegen nicht verlaufen. Er begleitet uns.

Wir unsererseits sind aufgerufen, Jesus zu erkennen. Das setzt eine Begegnung mit ihm voraus, eine Begegnung, die den Wunsch hervorruft, ihm zu folgen, und jede selbstbezogene Haltung aufzugeben, um neue Wege zu beschreiten, die von Christus selbst aufgezeigt werden und sich weiten Horizonten öffnen. Wenn in unseren Gemeinden der Wunsch abkühlt, die Beziehung mit Jesus zu leben, seine Stimme zu hören und ihm treu zu folgen, ist es unvermeidbar, dass sich andere Denk- und Lebensarten durchsetzen, die nicht mit dem Evangelium übereinstimmen. Maria, unsere Mutter, helfe uns, immer eine starke Beziehung zu Jesus reifen zu lassen: uns Jesus zu öffnen, auf dass er in uns eintrete. Eine stärkere Beziehung: Er ist auferstanden. So können wir ihm das ganze Leben folgen. An diesem Weltgebetstag um geistliche Berufungen halte Maria Fürsprache, auf dass viele großherzig und standhaft dem Herrn antworten, der dazu aufruft, für sein Reich alles zu verlassen.

Nach dem Gebet des Regina Coeli und vor den Grüßen an einzelne Gruppen auf dem Petersplatz sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin besorgt über das, was sich in diesen Tagen in Nicaragua ereignet, wo es in Folge sozialer Proteste zu Zusammenstößen gekommen ist, die mehrere Opfer gefordert haben. Ich möchte jenem Land meine Nähe im Gebet zum Ausdruck bringen und schließe mich dem Aufruf der Bischöfe an, jede Form von Gewalt einzustellen, unnötiges Blutvergießen zu vermeiden und die offenen Fragen friedlich und mit Verantwortungsbewusstsein zu lösen.

Wie ich eben bereits gesagt habe, wird am heutigen vierten Ostersonntag in der ganzen Kirche der Weltgebetstag um geistliche Berufungen begangen. Das Thema lautet: „Den Ruf des Herrn hören, erkennen und leben“. Danken wir dem Herrn, weil er in der Kirche weiterhin Geschichten der Liebe zu Jesus Christus hervorbringt, zum Lob seiner Herrlichkeit und im Dienst für die Brüder und Schwestern. Heute wollen wir vor allem für die neuen Priester danken, die ich soeben im Petersdom geweiht habe. Bitten wir den Herrn, dass er viele gute Arbeiter schicke, um auf seinem Feld zu arbeiten, und dass er auch die Berufungen zum Ordensleben und zur christlichen Ehe vermehre. Wie ich sagte, habe ich heute sechzehn Priester geweiht. Von diesen sechzehn sind vier hier, um euch zu grüßen, und Euch mit mir den Segen zu erteilen. [Vier der neuen Priester treten neben dem Papst ans Fenster.]

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

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