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Subversive Sauerteig-Dynamik in Ottmaring

Zu den „Ottmaringer Tagen“ begegnen sich Orden und geistliche Gemeinschaften verschiedener Kirchen.
Ottmaringer Tage
Foto: Winkler | Ikone in einer Ottmaringer Kapelle: "Diese Begegnung ist für mich ein interessanter Weg des Dialogs unter uns allen, unter den historischen Charismen und dieser Weg kann Früchte für uns hervorbringen und die Asche ...

100 Ordenschristen und Mitglieder verschiedener geistlicher Gemeinschaften aus 50 verschiedenen Orden, Gemeinschaften, Kongregationen und Instituten kommen in dieser Woche in Ottmaring zusammen.
Die deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) und die Vereinigung der „Ordensgemeinschaften Österreich“ waren bereits in die Vorbereitung involviert. Die Teilnehmenden kommen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Schweden und Belgien.

"Die Verschiedenheit nimmt der Einheit
nichts, sie macht sie stärker"
Kardinal João Braz de Aviz, Präfekt der Ordenskongregation in Rom

„Diese Begegnung ist für mich ein interessanter Weg des Dialogs unter uns allen, unter den historischen Charismen und dieser Weg kann Früchte für uns hervorbringen und die Asche von der Glut wegfegen“, begann Kardinal João Braz de Aviz, Präfekt der Ordenskongregation in Rom, sein Einführungsreferat. Er hob die Veranstaltung im Kontext der aktuellen Herausforderung der Kirchen auch für sich persönlich als etwas Positives hervor und machte klar, worin er deren Funktion sieht: „Hier sieht man: Die Verschiedenheit nimmt der Einheit nichts, sie macht sie stärker! Wir müssen Beziehungen der gegenseitigen Liebe unter uns aufbauen und gemeinsam bezeugen, dass wir Jesu Jünger sind.“

Die Überalterung der Orden, der Mangel an neuen Berufungen, die verschiedenen Formen des Missbrauchs forderten die Gemeinschaften heraus. Jetzt gelte es, vieles auf den Prüfstand zu stellen und miteinander neue Wege zu gehen: ob in der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen, dem Verständnis von Autorität oder der Zeugniskraft von Spiritualität im Bereich von Wirtschaft und Finanzen.

"Die Eucharistie ist vielleicht noch nicht das
Zeichen der vollen Einheit, aber doch Werkzeug
einer Einheit, nach der wir uns so sehr sehnen“
Sr. Katharina Kluitmann, Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz

Sr. Katharina Kluitmann, Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, betonte die wichtige Funktion, die ein Miteinander der Orden in der Kirche habe: „Ich bin überzeugt, dass wir, die wir verschiedene Formen von Gemeinschaft leben, eine wichtige Sauerteigfunktion für die Kirche haben.“ Die Erfahrungen, die ökumenisch lebende und vernetzte Gemeinschaften machten, bestätigten, was bereits das Konzil mutig formuliert habe: „Die Eucharistie ist vielleicht noch nicht das Zeichen der vollen Einheit, aber doch Werkzeug einer Einheit, nach der wir uns so sehr sehnen“.

Sr. Katharina Kluitmann machte auch Mut, in der Diskussion um das Pflichtzölibat die Erfahrungen der Gründungen charismatischen Ursprungs zu hören: „Oft bilden in unseren Gemeinschaften freiwillig ehelos Lebende und Verheiratete eine geistliche Familie. Gerade die, die freiwillig ehelos leben, können die Schönheit dieser Wahl repräsentieren – und deshalb vielleicht unverdächtiger die Frage stellen, ob sie für Priester zwingend sein sollte.“

Mut, sich auch bei "heißen" Themen aus der Deckung zu wagen

Auch Projekte in gemeinsamer Trägerschaft verschiedener Gemeinschaften könnten eine ganz neue Zeugniskraft entwickeln. Deutlich macht Kluitmann das am Beispiel einer möglichen gemeinsamen Hochschule der Orden, die in Berlin angedacht ist: Die einen könnten Lehrkräfte stellen, die anderen Häusern, die dritten geistliche Begleitung, die vierten vielleicht Geld...

Ob in der Frage der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern oder dem gemeinsamen Einsatz in Politik und für Gerechtigkeit und Menschenrechte: Sr. Katharina machte Mut, sich auch in „heißen“ Themen aus der Deckung zu wagen: „Ich hoffe auf die subversive Sauerteig-Dynamik dieses Treffens“.

Ungeheure Sehnsucht nach Gott in den Menschen

Mit Beispielen aus seinem persönlichen geistlichen und beruflichen Leben zeigte der bekannte Geigenbaumeister Martin Schleske auf, wie sehr für ihn eine Verbindung zwischen Worten und Werken und der inspirierenden Kraft Gottes Leben und Arbeit durchdringe. „Der Glaube muss nicht groß sein, es reicht, dass wir anfangen, ihn einzusetzen“, machte Schleske den Anwesenden Mut. Er erlebe eine ungeheure Sehnsucht nach Gott in den Menschen, auch wenn sie mit Kirche oft nichts anfangen könnten. Mit Bildern aus seinem Metier, der Musik und des Instrumentenbaus zeigte er auf, wie Gott wirken könne, wenn der Mensch für seine Stimme sensibel sei: „Die Gnade möchte unseren Glauben spielen, wie ein Instrument. Die Gnade ist der Musiker, unser Glaube das Instrument. Wenn der Bogen die Saiten der Geige berührt, das ist der verletzlichste Moment. Jeder Musiker weiß das – es braucht jahrelange Übung, dass es nicht kratzt, nicht quietscht, dass es ein guter Klang wird... Die Schönheit kommt aus der Verletzlichkeit.“

Auch aus Scheitern und Irrtum könne immer wieder Neues entstehen, wichtig sei, sich immer wieder in die Haltung des Hörenden und Lernenden zu begeben: „Es ist nicht schlimm, ein Anfänger zu sein, denn das bedeutet ja, etwas anzufangen. Nur mit Anfängern kann der Himmel etwas anfangen“.

DT/bwi

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