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Missbrauchs-Prozess: Kläger-Anwälte werfen Barbarin Lügen vor

"Sie sind ein freier und erwachsener Mann. Sie hätten die Taten zur Anzeige bringen müssen", so einer der Opfer-Anwälte in seinem Plädoyer. Auch heute seien die sexuellen Vergehen des Priesters Preynat nicht verjährt. Von Maximilian Lutz
Dritter Tag im Prozess gegen Philippe Barbarin, Erzbischof von Lyon.
Foto: Laurent Cipriani (AP) | Dritter Tag im Prozess gegen Philippe Barbarin, Erzbischof von Lyon.

Im Prozess gegen den Lyoner Erzbischof, Kardinal Philippine Barbarin sowie fünf weitere Angeklagte, haben am dritten Prozesstag die Abschlussplädoyers begonnen. Die Verteidigung eröffnete die Sitzung mit zwei Marathon-Plädoyers von über eineinhalb Stunden Länge. Barbarin und den Mitangeklagten wird die Nicht-Anzeige sexueller Vergehen an Minderjährigen durch einen französischen Priester sowie unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen.

Verteidigerin Francois Devaux' eröffnet die Runde der Plädoyers

Nachdem bereits im Jahr 2016 Ermittlungen stattgefunden hatten, die jedoch eingestellt wurden, weil dem Kardinal keine Straftat nachgewiesen werden konnte, versuchte die Anklage nun darzulegen, weshalb die damalige Entscheidung nicht angemessen gewesen sei. Nadia Debbache, Verteidigerin des Vorsitzenden der Opfer-Vereinigung „La Parole Liberée“, Francois Devaux, eröffnete die Runde der Plädoyers.

Debbache lobte den außerordentlichen Mut der Opfer, nun endlich ihre Leiden zur Sprache gebracht zu haben. Zudem rechtfertigte sie die ausführliche Darstellung der sexuellen Missbrauchsfälle in den sozialen Medien, mit der „La Parole Liberée“ die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Vorkommnisse habe lenken wollen. „Dank Ihnen konnten Hunderte Opfer das Wort ergreifen, und auch viele Priester. Nichts wird mehr sein wie zuvor“, so Debbache an die anwesenden Opfer gewandt.

Opfer-Anwalt: „Sie hätten die Taten zur Anzeige bringen müssen“

Der Opfer-Anwalt Jean Boudot konzentrierte sich in seinem Plädoyer darauf zu belegen, weshalb die sexuellen Übergriffe, derer sich der Priester Bernard Preynat in den 1970er und 1908er Jahren schuldig gemacht hatte, noch nicht verjährt seien. Kardinal Barbarin bezichtigte er mehrmals der Lüge. „Sie sind ein freier und erwachsener Mann. Sie hätten die Taten zur Anzeige bringen müssen“, so Boudot an Barbarin gewandt.

Hat Barbarin schon viel länger von den Geschehnissen gewusst?

Im dritten Plädoyer warf die Anwältin Emmanuelle Haziza jedem Einzelnen der Angeklagten vor, schon viel länger von den Geschehnissen in Kenntnis gewesen zu sein als von ihnen behauptet. Kardinal Barbarin konfrontierte sie mit dem Vorwurf, sich mit seinem Brief an den Vatikan an eine religiöse Gerichtsbarkeit gewendet zu haben, während er gleichzeitig die weltliche Justiz habe umgehen wollen. Zudem müsse Barbarin bereits im Jahr 2010, also vier Jahre früher als der Lyoner Erzbischof selbst behauptet, über die sexuellen Vergehen des Priesters Preynat Bescheid gewusst haben.

Nachdem die Anwälte der Kläger-Seite das Wort ergreifen durften, stehen morgen Vormittag noch die Plädoyers der Verteidigung an. Ein Urteil wird wohl erst in einigen Wochen gefällt.

DT/mlu (jobo)

 

Lesen Sie eine ausführliche Reportage über den Gerichtsprozess gegen den Lyoner Erzbischof Philippe Barbarin in der Ausgabe der „Tagespost“ vom 17. Januar 2019. Kostenlos erhalten Sie die Zeitung hier.

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