Um die Missbrauchskrise zu überwinden, brauche es in der katholischen Kirche laut dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki eine Erneuerung von innen. Spätestens seit der Studie zu Missbrauch innerhalb der Kirche, die die Deutsche Bischofskonferenz im September 2018 veröffentlicht hatte, wisse man: „In der Kirche konnte viele Jahrzehnte lang Missbrauch wie ein Krebsgeschwür wuchern.“ So äußert sich der Kölner Erzbischof in einem Beitrag für das Kölner „Domradio“.
Kirche hat lange an Symptom des Sprachverlusts gelitten
Die Kirche habe lange an einem Symptom des Sprachverlusts gelitten, so Woelki. Verantwortliche hätten zu lange über den vielfach schlechten Zustand des Leibes Christi schlicht geschwiegen. „Ein kranker Leib braucht Heilung – dafür tragen wir alle die Verantwortung.“ Gleichzeitig lobt der Kardinal, dass diese Erkenntnis nun ehrlich ausgesprochen sei.
Gestern war der Missbrauchsgipfel im Vatikan zu Ende gegangen. Papst Franziskus hatte in seiner Schlussansprache die „absolute Ernsthaftigkeit“ betont, mit der die Kirche darangehen werde, Täter in ihren Reihen zu bestrafen. Kein Missbrauch dürfe jemals wieder „vertuscht oder unterbewertet“ werden, so wie es in der Vergangenheit üblich gewesen sei. Den bereits eingeschlagenen „Weg der Reinigung“ werde die Kirche „mit all ihrer Kraft“ fortsetzen.
Begegnungen und Gespräche mit Betroffenen
Kardinal Woelki fordert als erste Maßnahme „Hinsehen und Zuhören“. Die Kirche müsse sich Menschen aussetzen, denen unter dem Deckmantel der pervertierten „Dienern Gottes“ Leid angetan worden sei. Dafür brauche es Begegnungen und Gespräche. Schritte wie beispielsweise die Gründung eines Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln müssten weltweit eingeleitet werden. „Wir müssen weltweit einheitlich hohe Standards etablieren, wie wir sie im Erzbistum Köln und anderen Bistümern seit Jahren haben“, so Woelki – im Bereich der präventiven Schulung, bei der absoluten „Null-Toleranz“ in Interventionsfällen sowie bei einer unabhängigen Aufklärung der Alt-Fälle.
Wer sich dazu entscheide, Jesus in besonderer Nachfolge sakramental zu repräsentieren, nehme ein „Mehr“ auf sich. „Mehr Dienst an den Menschen. Mehr moralischen Anspruch an sich selbst.“ Dazu brauche es starke und reife Persönlichkeiten ohne Hybris, die Jesus den Weg bereiten wollten. „Für all das trägt die Kirche ein Mittel der Selbstreinigung in sich, das nicht zu unterschätzen ist.“ Jesus Christus selbst wirke in ihr. „Durch die Botschaft des Evangeliums, vermittelt durch seinen Geist.“
DT/mlu
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