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Kardinal Kasper kritisiert Müllers Glaubensmanifest

„Die halbe Wahrheit ist nicht die katholische Wahrheit!“, mahnt der ehemalige Kurienkardinal. Müller treffe pauschale Aussagen, die so nicht stehen bleiben könnten.
Kardinal Walter Kasper antwortet auf Müllers Glaubensmanifest
Foto: Patrick Seeger (dpa) | Wenn Müller behaupte, das Gewissen der Gläubigen sei nicht ausreichend geformt, sei dieser Satz in seiner Allgemeinheit für viele Gläubige beleidigend.

Der frühere Kurienkardinal Walter Kasper kritisiert das von Kardinal Gerhard Müller veröffentlichte Manifest zur Glaubenslehre der katholischen Kirche. In einer Erklärung, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, räumt der 85-Jährige zwar ein, dass Müllers Schreiben viele Aussagen des Glaubens enthalte, „die jeder aufrechte Katholik nur von ganzem Herzen bejahen kann“. Es sei gut, jene fundamentalen Wahrheiten in Erinnerung zu rufen.

"Das rechte Unterscheiden macht den Theologen"

Als „nicht gut“ betrachtet es Kasper jedoch, dass manche Wahrheiten so pointiert herausgestellt würden, „dass darüber die andere Hälfte ausgeblendet wird“. So sei beispielsweise zweifellos richtig, dass das Bekenntnis zum dreifaltigen Gott einen fundamentalen Unterschied im Gottesglauben und Menschenbild zu anderen Religion bedeute. „Aber gibt es nicht auch Gemeinsamkeiten, vor allem mit den Juden wie mit den Muslimen, im Glauben an den einen Gott?“, fragt Kasper. Diese Gemeinsamkeiten seien grundlegend für den Frieden in der Welt und in der Gesellschaft. „Die halbe Wahrheit ist nicht die katholische Wahrheit!“, mahnt der Kardinal.

Darüber hinaus kritisiert Kasper, dass sich an anderen Stellen pauschale Aussagen fänden, die in dieser Form nicht stehen bleiben könnten. Wenn Müller behaupte, das Gewissen der Gläubigen sei nicht ausreichend geformt, sei dieser Satz in seiner Allgemeinheit für viele Gläubige beleidigend. „Und was werden viele sagen, wenn sie an Priester denken, denen Missbrauch vorzuwerfen ist? Ist deren Gewissen ausreichend gebildet?“ Das rechte Unterscheiden mache den Theologen, so Kasper.

Kasper "total entsezt" vom "Betrug des Antichrists"

„Total entsetzt“ sei Kasper gewesen, als er vom „Betrug des Antichrists“ gelesen habe. Das erinnere fast wörtlich an Martin Luthers Argumentation. „Auch Luther hat damals vieles in der Kirche zu Recht kritisiert. Aber der Antichrist-Vorwurf war – wie heute auch unsere lutherischen Dialogpartner sagen – schon damals unangemessen.“ Dass hinter dem Manifest ein „Luther redivivus“ stehe, wolle er nicht glauben, so Kasper. Das könnte nur zu Verwirrung und Spaltung führen. „Das würde die katholische Kirche aus den Angeln haben.“

DT/mlu

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