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Die Pastorale Handreichung und ein „Zwischenruf”

Wie die pastorale Handreichung "Mit Christus gehen - Der Einheit auf der Spur" zum Kommunionempfang konfessionsverschiedener Ehepartner argumentiert. Von Michael Karger
Kommunion
Foto: Corinne Simon (KNA) | Ein Priester spendet die Kommunion am 1. März 2017 in der Kirche Saint-Jean-Baptiste de Belleville in Paris.

Worum geht es beim Dissens unter den deutschen Bischöfen um die „pastorale Handreichung”, die den Titel „Mit Christus gehen - Der Einheit auf der Spur” trägt. Sieben Diözesanbischöfe und sechs Weihbischöfe haben dem Dokument ihre Zustimmung verweigert und in Rom um Überprüfung hinsichtlich der Zuständigkeit (Pastorale Frage oder Materie des Glaubens?), und der richtigen Auslegung des Kirchenrechts und der Lehrdokumente gebeten. Inzwischen  wurde den Bischöfen nach der Endredaktion durch den Vorsitzenden Kardinal Marx und den Vorsitzenden der Ökumenekommission, Bischof Feige, der Text zugestellt. Es wurden noch Änderungsvorschläge, die aber an der Grundaussage des Textes nichts mehr verändern konnten, eingearbeitet. Bisher wurde das Dokument weder inkraft gesetzt noch veröffentlicht.
Am kommenden Donnerstag wird eine Delegation unter Führung der beiden Kardinäle Marx und Woelki, die die beiden Parteien repräsentieren, mit der Glaubenskongregation und dem Rat für die Einheit der Christen in Rom Gespräche führen. Das Dokument will kein lehramtliches Schreiben sein, sondern lediglich eine „pastorale Handreichung”, in der es auch nicht um eine Frage der Glaubenslehre gehe, weshalb es auch nicht einer einstimmigen Zustimmung in der Bischofskonferenz bedurft habe.

Was steht im Text? Er richtet sich an konfessionsverschiedene evangelisch - katholische Ehepaare. Ihnen wird ein Weg eröffnet zur „Teilnahme an der katholischen Eucharistiefeier”. Dies soll möglich sein „aus der lebendigen Tradition katholischer Theologie” - soll damit etwa das Lehramt der Kirche gemeint sein ? - und ohne Funktionalisierung der Kommunion als Mittel zur ökumenischen Einigung.

Ausdrücklich beruft sich das Dokument (S. 4) auf eine Äußerung von Papst Franziskus gegenüber einem konfessionsverschiedenen Ehepaar: „Beziehen sie sich immer auf die Taufe. ´Ein Glaube, eine Taufe, ein Herr´, so sagt uns Paulus, und daraus ziehen sie die Konsequenzen. Ich werde nie wagen, eine Erlaubnis zu geben, das zu tun, weil das nicht meine Kompetenz ist. Eine Taufe, ein Herr, ein Glaube. Sprecht mit dem Herrn und geht weiter.” Sodann ist die Rede von einer „Gewissensentscheidung” (S. 5) und die Seelsorger werden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Betreffenden „die Wahrheit und Freiheit des Heiligen Geistes achten können”. Während der evangelische Ehepartner ausdrücklich zum Kommunionempfang in der katholischen Kirche aufgefordert wird, wird die Teilnahme des katholischen Partners am evangelischen Abendmahl ausdrücklich untersagt: „Ein solcher Schritt setzt ein gemeinsames Verständnis  … der Eucharistie, der Sakramentalität der Kirche und des Amtes voraus, so dass die Eucharistiegemeinschaft die Kirchengemeinschaft ausdrückt und vertiefen kann … ”.

Dieses Verständnis wird aber nicht eindeutig zur notwendigen Voraussetzung für den Kommunionempfang des evangelischen Partners in der katholischen Kirche gemacht. Dies legt jedenfalls ein zum hermeneutischen Schlüssel erhobener Satz aus dem nachsynodalen apostolischen Schreiben des Papstes nahe: „Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen”. Ausgangspunkt der Argumentation ist das Kirchenrecht (can. 844§3 CIC): „Wenn Todesgefahr besteht oder wenn … eine andere schwere Notlage (necessitas gravis) dazu drängt, spenden katholische Spender dieses Sakrament erlaubt auch den übrigen nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehenden Christen, die einen Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitten, sofern sie bezüglich dieser Sakramente den katholischen Glauben bekennen und in der rechten Weise disponiert sind.” Dann wird die „gravis spirituales necessitas” (schwere geistliche Notlage) folgendermaßen gedeutet: Sie besteht darin, „dass eine tiefe Sehnsucht der Gläubigen nach dem Empfang des Sakraments … nicht gestillt wird und dadurch der Glaube gefährdet wird”. Damit wird die Notlage ins subjektive Belieben verlegt, während sie im Kirchenrecht noch darin bestand, dass die Betreffenden „einen Spender der eigenen Konfession nicht aufsuchen können”.  Dann folgt eine völlige Neudefinition der „Notlage”: „Es ist eine große Not, wenn der Glaube, der eine Frau und einen Mann dazu geführt haben, einander das Sakrament der Ehe zu spenden und es wechselseitig von einander zu empfangen, zur Sehnsucht nach der gemeinsamen Kommunion führt, ohne dass sich ein Weg zeigt, diesem Wunsch  mit dem Segen der Kirche zu entsprechen. Wenn dieser ‘schweren geistlichen Notlage´ nicht abgeholfen wird, kann sogar die Ehe gefährdet werden … “. Hier wird rein utilitaristisch mit der Frage nach dem größeren Nutzen für den Betreffenden argumentiert, dem zwangsläufig, wie bereits in „Amoris Laetitia” hinsichtlich des Kommunionempfangs wiederverheirateter Geschiedener, die Orientierung an der verbindlichen Glaubenslehre unerheblich wird. Darauf weist das Dokument auch ausdrücklich hin: Das Modell ist „Amoris Laetitia” mit dem beispielhaften „Ansatz auch zur Beendigung einer ´schweren geistlichen Notlage´ bei konfessionsverbindenden Ehepaaren” beizutragen: „Das Schreiben betont die Gewissensbindung und öffnet einen pastoralen Zugang auch in der Frage des Eucharistieempfangs”. „Amoris Laetitia” erklärt „dass keine ´generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art´ hilfreich sei, aber ´eine neue Ermutigung´ ausgedrückt werden soll ´zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle´”.

Auch wenn es heißt, dass man keine „generelle Zulassung” geben könne, so ist doch eine solche die zwangsläufige Folge, weil die „persönliche Gewissensentscheidung” vom Vertreter der Kirche vor Ort nur respektvoll entgegengenommen werden kann und damit auch faktisch unterbleiben könnte, da unerheblich.
Darüber hinaus ist auch folgende Aussage dazu geeignet, jeglichen Gehorsam gegenüber der Glaubenslehre auszuhebeln: „Entscheidend (!) ist die Frage, wie die Eucharistie die Verbindung zu Jesus Christus vertieft und das Band zwischen den Ehepartnern und die Gemeinschaft in der eigenen Familie festigt”. Dementsprechend wird nicht auf die Verantwortung der Bischöfe für die Einheit im sakramentalen Kirchenverständnis hingewiesen, sondern es heißt: „Wir Bischöfe, die wir die Verantwortung für eine pastoral richtige Praxis (!) der Kommunionspendung tragen …”. Nach einer ziemlich unsystematischen Aufzählung  vieler Richtigkeiten über die Lehre der Kirche im 4. Kapitel (S. 13-17) heißt es ausdrücklich: „Wir laden alle konfessionsverbindenden Ehepaare ein, … eine Entscheidung zu treffen, die dem eigenen Gewissen folgt und die Einheit der Kirche wahrt.” Ziel sei die „Freiheit des Gewissens” und die „Verantwortung des Glaubens.” Damit läuft das Dokument auf den einen Satz zu: „Alle, die in einer konfessionsverbindenden Ehe nach einer reiflichen Prüfung in einem geistlichen Gespräch … zu dem Gewissensurteil gelangt sind, den Glauben der Kirche zu bejahen, eine ´schwere geistliche Notlage´ beenden und die Sehnsucht nach der Eucharistie stillen zu müssen, dürfen zum Tisch des Herrn hinzutreten, um die Kommunion zu empfangen.”

Die Bejahung des Glaubens der Kirche ist nirgends ein klares Kriterium, wie man an den Anregungen für das pastorale Gespräch im Anhang sehen kann, handelt es sich dabei um bloße unverbindliche Gesprächsgegenstände. Einziges Kriterium ist der zu erhoffende je größere pastorale Nutzen für den Einzelnen, den dieser ausschließlich für sich selbst zu bestimmen hat, den die Kirche hinzunehmen verpflichtet wird.

In einem „Zwischenruf” hat unlängst Bischof Feige die Handreichung verteidigt und die sieben Abweichler massiv kritisiert. Feige nennt Lehrschreiben von Papst Johannes Paul II., in denen unter den Bedingungen die Nichterreichbarkeit eines Sakramentenspenders der eigeneren Konfession nicht genannt würde. Wie dies zu deuten sei, wäre allerdings eine Frage an die römischen Auslegungsinstanzen, wie es die sieben Ordinarien vorgeschlagen haben. Merkwürdig ist, was Feige dann hinzufügt: „Bei konfessionsverbindenden Paaren, die gemeinsam eine Eucharistie mitfeiern, ist dies ohnehin nicht entscheidend.” Warum nicht? Dann wird Feige merkwürdig vorsichtig, wenn er schreibt: „Man könnte eine solche Situation als eine ´schwere geistliche Notlage´ bezeichnen.” Auch Feige beruft sich auf „Amoris Laetitia” „und die wiederholten Ermutigungen von Papst Franziskus, die Gewissen zu bilden und wichtige Entscheidungen im Gespräch mit Christus zu treffen”.

Sehr bedauerlich sind  die polemischen Angriffe von Bischof Feige auf dreizehn Mitbrüder im Bischofsamt. Er stellt die Mehrheit, der es um die „mühevolle Suche nach einer verantwortbaren seelsorglichen Lösung für Einzelne” geht, die Ängstlichen gegenüber, die „jede nur geringfügige Veränderung abwehren”, die einem „vorkonziliaren Kirchenbild verhaftet” seien, die die „katholischen Prinzipien des Ökumenismus wenig verinnerlicht“ hätten und die sich „nicht existenziell” von der Problematik der konfessionsverschiedenen Ehen berührt zeigen. Welchen Wert soll eine pastorale Maßnahme haben, die ohne Rücksicht auf schwerwiegende Einwände von sieben Ortsbischöfen durchgedrückt werden soll? Haben diese Bischöfe doch aus Verantwortungsbewusstsein für die gerade sich in der Eucharistie darstellende und gefeierte Einheit in der sakramentalen Wesensverfassung der Kirche gehandelt, für die sie persönlich und nicht als Gruppe der Konferenz einzustehen haben.

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