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Die Liebe der himmlischen Mutter finden

Lourdes ist kein Ort der verstaubten und altersschwachen Frömmigkeit. Das konnte man während der Jugendwallfahrt des Deutschen Lourdes Vereins feststellen. Von Annalia Machuy
Foto: Vincent Freytag | Für viele ist es die erste Reise zu dem Marienheiligtum, wo 1858 die Gottesmutter 18 Mal Bernadette Soubirous, einem einfachen und ungebildeten Mädchen aus einer verarmten Müllersfamilie, erschien.

In Köln regnet es, als sich am Abend des Ostermontags nach und nach über 30 „junge und jung gebliebenen“ Pilger zusammenfinden, um in Richtung Lourdes aufzubrechen. Ich weiß, dass das Wetter in Südfrankreich besser werden soll, aber die Reise mit dem Deutschen Lourdes Verein wird auch aus einem anderen Grund für mich eine Art Fahrt ins Blaue: Außer den schon bekanntgegebenen Programmpunkten habe ich keine Ahnung, was mich erwartet, in Lourdes war ich noch nie und von den anderen Teilnehmern kenne ich niemanden. Also frage ich mich, wer der Einladung zur Jugendwallfahrt nach Ars, Lourdes und Nevers wohl noch gefolgt sein wird. Unter Kapuzen und Regenschirmen werden erste Namen genannt, Hände geschüttelt, Gespräche begonnen. Ich bin nicht die einzige, merke ich schnell, die sich alleine angemeldet hat. Es ist eine Gruppe von Fremden, noch. Im Bus begrüßt uns Monsignore Markus Hofmann, designierter Generalvikar des Erzbistums Köln und erster Vorsitzender des Deutschen Lourdes Vereins. Monsignore Hofmann hat Unsere Liebe Frau von Lourdes selbst schon unzählige Male besucht und wird jetzt auch unsere Reise zur himmlischen Mutter leiten. „Ich war gespannt, wie es werden würde“, berichtet er später, denn auch er kannte nur sehr wenige der Teilnehmer. Eine Jugendwallfahrt hatte der Lourdes Verein, durch den diese Reise großzügig bezuschusst wird, zudem schon länger nicht mehr organisiert und in der breiten Wahrnehmung gilt Lourdes als ein Wallfahrtsort für alte und kranke Menschen. Ein Klischee, das auf dieser Reise korrigiert werden soll – und wird.

Unsere erste Etappe führt uns jedoch zunächst nach Ars. Am frühen Morgen erreichen wir die kleine Ortschaft, in der vor 150 Jahren der heilige Jean-Marie Vianney gelebt und gewirkt hat. Auf der Busfahrt hatten wir in einem Film bereits Einiges über seine Biografie und seinen Glauben gelernt, doch hier wird die Heiligkeit des körperlich so kleinen und innerlich doch so großen Pfarrers fast greifbar. Eine Schwester erklärt uns Wohnhaus und Kirche und in ihren Worten scheint noch immer etwas von der Güte des heiligen Seelsorgers lebendig. Wer möchte, kann in der Kirche, in der Jean-Marie Vianney zu seiner Zeit bis zu sechzehn Stunden Beichte hörte, das Sakrament der Versöhnung empfangen und am Nachmittag zu einem Denkmal auf einem kleinen Hügel etwas außerhalb des Ortes pilgern. Dort war der Heilige, als er auf dem Weg in seine neue Pfarrei war und sie wegen des Nebels nicht finden konnte, einem Hirtenjungen begegnet, den er um Hilfe bat. „Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt, ich werde dir den Weg zum Himmel zeigen“, soll er ihm auf seine Auskunft geantwortet haben. Ein Satz, der das gesamte seelsorgerische Programm des heiligen Pfarrers zusammenfasst und in der zum Himmel weisenden Hand der Statue Vianneys Ausdruck gefunden hat. Besonders beeindruckend ist jedoch die heilige Messe direkt vor dem Schrein, in dem der unverweste Leichnam des Heiligen ruht und die Betrachtung mit Texten des heiligen Pfarrers von Ars, die einen typischen Tag seines Lebens nachzeichnet. Für uns geht die Zeit in Ars damit schon fast zu Ende, am nächsten Morgen brechen wir nach Lourdes auf.

Für viele von uns ist es die erste Reise zu diesem Marienheiligtum, wo 1858 die Gottesmutter 18 Mal Bernadette Soubirous, einem einfachen und ungebildeten Mädchen aus einer verarmten Müllersfamilie, erschien. So wie das Wasser, das vor 160 Jahren in der Felsengrotte von Massabielle aus der so berühmten Quelle zu sprudeln begonnen hat, bis heute fließt, hat auch die Verehrung für Maria an diesem Ort nie aufgehört. Mittlerweile zählt Lourdes mit vier bis sechs Millionen Pilgern pro Jahr zu einem der größten Wallfahrtsorte nicht nur des Christentums, sondern weltweit. Als wir aus dem Bus in der Ferne die ersten Berge sehen, steigt die Vorfreude auf diesen Ort. Wir erleben an diesem Tag nur noch das Ende der abendlichen Lichterprozession, doch der erste Eindruck und vor allem ein kurzer, stiller Besuch an der Grotte erfüllen das Herz bereits mit dieser geheimnisvollen Gegenwart Mariens, die hier so stark zu spüren ist.

Die nächsten zwei Tage erkunden wir den Ort, beten den Kreuzweg, lassen uns durch das große Krankenhaus, das Accueil, führen, wandern nach Bartrès, wo Bernadette eine Zeit lang gelebt hat, trinken Quellwasser und baden darin. Und als Jugendliche und junge Erwachsene fallen wir dabei kein bisschen auf. Ständig neue, bunte, verkleidete, singende Gruppen von Kindern und Jugendlichen erinnern manchmal mehr an Karneval als an einen Wallfahrtsort und auch das Hotel und Bar-Angebot macht jeder Touristenmetropole Konkurrenz. Wer behauptet, Lourdes sei ein Ort für verstaubte und altersschwache Frömmigkeit, der war noch nie dort. Es stimmt, viel Leid findet seinen Weg zur Felsengrotte. Jede der unzähligen Kerzen scheint eine eigene Geschichte zu erzählen und manche Blicke lassen erahnen, wie viele Wunden und Kreuze hier tagtäglich vor Maria gebracht werden. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn die Suche nach Trost und Heilung, nach Hilfe auf dem Weg durch das Leben führt deshalb so viele Menschen nach Lourdes, weil sie hier tatsächlich Erleichterung finden, Gnade und vor allem die Liebe der himmlischen Mutter.

Auch jeder von uns ist mit seiner eigenen Geschichte nach Lourdes gekommen und für jeden, so ist Monsignore Hofmann überzeugt, hält Gott auf dieser Reise eine ganz persönliche Botschaft bereit: für den sechzehnjährigen Azubi und die dreiunddreißigjährige Mutter, für die Krankenschwester aus dem Kongo und für die Studenten aus der kroatischen Gemeinde, für die drei jungen Seminaristen aus dem Albertinum, für die Schülerinnen auf dem Weg zum Abitur und für unseren lieben Busfahrer. Alter, Herkunft, Temperament, Lebensstand: unsere Gruppe ist bunt gemischt. Und doch ist es unmöglich, all die schönen Begegnungen und Gespräche untereinander und die Gemeinschaft, die in diesen Tagen entsteht, in Worten festzuhalten. „Ich war positiv überrascht“, so auch Monsignore Hofmann, „wie schnell eine positive Gemeinschaft zu spüren war“. Als sich nach einer letzten Etappe in Nevers, einem Ort etwa 700 km von Lourdes, in dem Bernadette mit 22 Jahren ins Kloster eingetreten war und schließlich auch starb, das Ende der Fahrt nähert, sind sich alle einig: es war eine wunderschöne Fahrt voller gesegneter Begegnungen mit dem Himmel und untereinander. „Hier habe ich zum allerersten Mal in meinem Leben gespürt, das Maria da ist und wie eine Mutter ihr Kind voller Liebe zu sich ruft und ich trotz aller Sünde kommen darf. Danke an alle von euch, für jedes Gebet, jedes Lied, die guten und tiefgründigen Gespräche und für jeden Blick, der manchmal schon ausreichte, verstanden zu werden“, so eine Teilnehmerin bei der Verabschiedung im Bus. Ein Nachtreffen ist schon in Planung und im nächsten Jahr soll es wieder eine Fahrt geben, das hat Monsignore Hofmann fest vor. Was uns bis dahin bleibt von dieser Reise, die so ungewiss begonnen und so schön geendet hat: viele Erinnerungen und Fotos, einige neue Freunde, das Armbändchen, das ein Seminarist jedem von uns geschenkt hat, die Gemeinschaft im Gebet, ein paar Fläschchen Quellwasser, eine Whatsappgruppe und die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Am liebsten in Lourdes.

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