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"Benedikt traf ins Schwarze"

Pater Wolfgang Buchmüller OCist würdigt das Schreiben des emeritierten Papstes zur Missbrauchskrise.
Papst em. Benedikt XVI.
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Der neue Film über den emeritierten Papst sei „geschickt gemacht, aber ganz übel“, so der persönliche Sekretär Benedikts, Kurienerzbischof Georg Gänswein.

Ein Spiegel dient dazu, sich selbst zu bespiegeln und gibt dabei Anlass, sich zu fragen: Wer bin ich eigentlich? Daher ist der Spiegel seit der Antike eine Metapher für eine Selbsterkenntnis, ja noch mehr der Klugheit, die danach fragt: Wer bin ich wirklich? Das Spiegelbild desillusioniert, es konfrontiert mich mit der bitteren, ungeschminkten Wahrheit, aber es lädt mich auch dazu ein, über das Geheimnis der Person nachzudenken, die ich selber bin.

Spiegel der Wahrheit für die "Seelenhygiene"

Braucht nicht auch die Gesellschaft einen solchen Spiegel der Wahrheit, schon ganz einfach aus Gründen der „Seelenhygiene“? Und wenn die Gesellschaft nicht nur ein soziologisches Gefüge ist, sondern auch eine Seele besitzt, wäre nicht gerade die Kirche dazu prädestiniert, ihr diesen Spiegel der Selbsterkenntnis vorzuhalten? Aber die Gesellschaft hat inzwischen gelernt, sich davor zu schützen, indem sie der Kirche den Spiegel entwendet und ihn gegen sie selbst wendet.

Im verschmutzen Spiegel kann man nichts erkennen

Es ist nicht verwunderlich, dass sie bei einer solchen „Alten Dame“ einige hässliche Falten und Züge findet, die die Welt selbst im Vergleich viel schöner aussehen lässt. Sollte es der Kirche doch noch einmal gelingen, den Spiegel in die Hand zu bekommen, dann wird sie feststellen, dass er als Instrument untauglich geworden ist, denn sie selbst hat ihn schuldhaft verschmutzen lassen. Zudem ist das Klima in der Kirche so vernebelt, dass sich mitunter in einem beschlagenen Spiegel nichts erkennen lässt.

Polemische Reaktionen zeigen, dass Benedikt richtig liegt

Dass Papst Benedikt XVI. mit seinem Schreiben zum Skandal des sexuellen Missbrauchs ins Schwarze getroffen hat, sieht man an den heftigen polemischen Reaktionen, die dem emeritierten Papst vorwerfen, die Wirklichkeit nur „verzerrt“ wahrzunehmen und von ganz und gar „falschen Annahmen“ auszugehen, um in zynischer Manier über die nicht zu leugnenden ethischen Fortschritte der Gesellschaft zu urteilen und in einen „rigiden Moralismus“ zurückzufallen.

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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