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Notker Wolf kritisiert Begriff "christliches Abendland"

Der ehemalige Abtprimas benutzt den Ausruck "christliches Abendland" ungern. Zudem wünscht er sich eine differenzierte Debatte über den Islam, weist jedoch darauf hin, dass Muslime in Deutschland das Grundgesetz achten müssten.
Notker Wolf kritisiert Begriff "christliches Abendland"
Foto: Florian Eisele (dpa-Zentralbild) | Er benutze den Ausdruck "chrstliches Abendland" sehr ungern, weil er wisse, wie viel Unheil das Christentum im Abendland politisch über unsere Welt gebracht habe, sagte Wolf.

Der deutsche Benediktiner und Buchautor Notker Wolf hält wenig von der Floskel "christliches Abendland". "Ich benutze diesen Ausdruck sehr ungern, weil ich weiß, wie viel Unheil das Christentum im Abendland oder auch das sogenannte christliche Abendland politisch über unsere Welt gebracht hat", sagte Wolf am Donnerstag in einem Interview des Deutschlandfunks. "Die beiden Weltkriege wurden doch im Abendland angezettelt. So christlich ist das meines Erachtens nicht."

Populisten vereinfachen in "brutaler Weise"

Populisten warf Wolf vor, in einer "brutalen Weise" zu vereinfachen. "Es ist immer bequem, sich auf eine Seite zu schlagen, Schwarz-Weiß-Denken zu produzieren." Dieses Vorgehen entspreche jedoch nicht den Realitäten. "Die Wirklichkeit ist komplex, und damit muss ich mich nun einmal auseinandersetzen."

Zur Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen sagte Wolf, eine Abschottung Europas komme nicht infrage. "Wir sind nun einmal global eingebettet in das Schicksal unserer Welt, unserer heutigen Menschheit und können nicht so tun, als ob wir hier in einer Wagenburg uns abschließen könnten." Zum Christentum gehöre "auch die Gastfreundschaft, die Offenheit für die Notleidenden", fügte der Ordensmann hinzu.

Differenzieren auch beim Thema Islam

Wolf wünscht sich auch eine differenziertere Debatte über den Islam. Dieser bestehe aus verschiedenen Richtungen. "Außerdem sind bei Weitem nicht alle Islamisten, wie immer wieder getan wird", betonte der 78-Jährige. Er selbst habe beispielsweise guten Kontakt zu Schiiten im Iran. "Das sind hochgelehrte Leute. Die haben in ihrer Bibliothek zum Beispiel die ganzen Mystiker unseres Mittelalters auf Farsi übersetzt. Die kennen unsere Mystiker zum Teil besser als wir."

Allerdings müssten sich die nach Deutschland kommenden Muslime integrieren und das Grundgesetz bejahen. "Sie müssen lernen, tolerant zu sein, auch die Gepflogenheiten unserer Gesellschaft anzunehmen", so Wolf. Der Ordensmann fügte hinzu: "Der Islam ist nicht eine Religion im Sinne von Gotthold Ephraim Lessing, der gemeint hat, man könne einfach drei Religionen nebeneinandersetzen, Christentum, Judentum und Islam." Der Islam sei ein Glaube, "der den ganzen Menschen erfasst, auch das ganze Staatswesen".

DT/KAP/KNA

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