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Mit Papst Franziskus auf dem heiligen Boden des Islam

Märchenhafte Pracht, historische Premieren und harte Religionspolitik: Mit Papst Franziskus am Persischen Golf. Von Oliver Maksan
Mit Papst Franziskus auf dem heiligen Boden des Islam
Foto: Vatican Media (KNA) | Ahmad al-Tayyeb (Ahmed al-Tayyib), Großscheich der al-Azhar-Universität, und Papst Franziskus bei einem Treffen mit dem "Muslim Council of Elders" am 4. Februar 2019 in Abu Dhabi.

oc est enim corpus meum“: Leise und ernst hallen die Wandlungsworte durch das Stadion. Weihrauchschwaden steigen vor der Hostie auf, die der Papst lange emporhebt – als wolle er dem Herrn zeigen, was sich da am Dienstag gerade Historisches abspielt. Die Menge ist andächtig still. 50 000 sind es im Stadion, draußen hat der Stadionsprecher nochmal 130 000 Gläubige gezählt, die die Messe über Bildschirme verfolgen. Die 180 000 werden später in lauten Jubel ausbrechen.

Der größte christliche Gottesdienst in der Geschichte

Da hat sich Gastgeber Bischof Paul Hinder bei dem bedankt, der die erste Papstmesse und den zugleich größten christlichen Gottesdienst in der Geschichte der Arabischen Halbinsel überhaupt erst ermöglicht hat: Kronprinz Mohammed bin Sajed al Nahjan, der starke Mann der Vereinigten Arabischen Emirate. Tags zuvor hat er Franziskus offiziell empfangen.

Das märchenhaft reiche Land am Persischen Golf rollt da aus, was es zu bieten hat. Berittene Garden eskortieren den Pontifex in seinem Kia-Kleinwagen zum weiß schimmernden Präsidentenpalast. Die Luftwaffe zeichnet die Farben des Vatikan in den Himmel. Säbeltragende Soldaten gehen im Palast dem Papst und seinem Gastgeber voran. Maximale Ehrerbietung für das Oberhaupt der katholischen Kirche also.

Eine Journalistin, die für lokale Zeitungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeitet, meint: „Das alles ist nicht ohne Risiko für die Herrscherfamilie“ Die Kennerin der Verhältnisse will ihren Namen nicht veröffentlicht sehen.

„Die Ulema, der Gelehrtenrat in Saudi-Arabien, wird das hier scharf tadeln. Schließlich gilt die Halbinsel als heiliger Boden des Islam.“

Die Zulassung eines öffentlichen Gottesdienstes ist ein Novum

Tatsächlich werden im Nachbarland mit seinem rigiden Wahabismus keine Kirchen zugelassen – und schon gar keine öffentlichen Gottesdienste. In Abu Dhabi, der Hauptstadt der Emirate und dem größten Teilstaat der Föderation am Persischen Golf, gibt es zwar Kirchen. Aber ein öffentlicher Gottesdienst, dazu in einer staatlichen Einrichtung, ist auch hier ein Novum. Unübersehbar prangt im Sajed-Stadion das Kreuz über der Altarinsel – und das in einem Land, wo Kirchen keine von außen sichtbaren Kreuze tragen dürfen.

Über 4 000 Muslime haben an der Eucharistiefeier teilgenommen, an der Spitze der Toleranzminister, ein Scheich in den wallenden Gewändern der Golfaraber. Viele von ihnen kamen, weil sie dienstlich mussten. Aber nicht alle. Auf den Rängen konnte man schwarz verhüllte Frauen Fähnchen in den Vatikanfarben schwenken sehen.

Beim Verlassen des Stadions sieht man viele Muslime mit dem Heft, das sie durch die Messe geführt hat. Eine große Christusikone prangt darauf. Mag ihnen auch der Ritus und die Bedeutung des Geheimnisses vom Fleisch und Blut Christi unverständlich geblieben sein: Die Predigt des Papstes über die Seligpreisungen als Lebensprogramm des Christen haben sie verstanden. Sie war abschnittsweise immer auch auf Arabisch vorgetragen worden. Eine Katechese, die via Fernsehen jedes Wohnzimmer der Region erreichen kann.

Papst Franziskus wollte eine Begegnung mit dem Islam

Mit der großen Messe unter einem strahlenden Himmel absolviert Papst Franziskus den letzten Programmpunkt eines kurzen, aber intensiven Besuchs. Der Schwerpunkt der schon im Vorfeld als historisch apostrophierten und mit entsprechenden Erwartungen befrachteten Reise lag dabei auf der direkten Begegnung mit dem Islam.

Zusammen mit dem Großimam der Kairoer Al Ashar-Universität nahm der Gast aus Rom an einer „Globalen Konferenz zur menschlichen Brüderlichkeit“ teil. Auch dieses Treffen mit seinen etwa 700 Teilnehmern eine Premiere: Noch nie, so die Veranstalter vom muslimischen Ältestenrat, einem 2014 gegründeten innermuslimischen Dialogforum unter Vorsitz des Großimams, habe es eine so große und bunte interreligiöse Begegnung in der arabischen Welt gegeben.

Rabbiner, Imame und buddhistische und christliche Geistliche plauderten und umarmten sich

Tatsächlich konnte man Rabbiner – mit israelischem Pass ist auch heute keine Einreise in das Land möglich –, mit Imamen plaudern sehen, umarmten sich buddhistische Geistliche mit Christen.

Man muss solche Treffen auch ein wenig aushalten können. Endlose Reden, Wiederholungen, Beschwörungen, aber auch Herumreden um den heißen Brei gehören zum Ritual. Das Entscheidende findet ohnehin in den Pausen statt bei Kaffee und Erfrischungen. Interreligiöses Networking ist in der arabischen Welt von jeher üblich – früher in Beduinenzelten und Palästen, heute eben in Luxushotels.

Die Ansprache von Papst Franziskus zum Abschluss

Zum Abschluss der Veranstaltung spricht Papst Franziskus zu den Konferenzteilnehmern. Dabei begründet er die Brüderlichkeit der Menschheitsfamilie mit dem Ursprung in Gott, mahnt umfassende Religionsfreiheit an.

Die hypermoderne Kulisse des Denkmals für den Vater der Nation, Scheich Sajed, ragt da hinter ihm auf. Der 2004 verstorbene Gründer der 1971 von Großbritannien unabhängig gewordenen Emirate gilt als leuchtendes Beispiel der Toleranz. Auch Papst Franziskus erwähnt den Staatsgründer immer wieder – und erfüllt so das Narrativ seiner Gastgeber.

Der Scheich war dabei natürlich kein moderner Verfassungstheoretiker, eher ein typischer Vertreter jener handeltreibenden Stämme am Golf, die anders als ihre Brüder in der Wüste Arabiens seit je mit Fremden und Andersgläubigen zu tun hatten. Deshalb gibt es in den Emiraten Kultusfreiheit und in Saudi-Arabien nicht.

Der Papstbesuch passt perfekt in die PR-Strategie der Emirate

Der Papstbesuch passt natürlich perfekt in die PR-Strategie der Emirate. Ein Jahr der Toleranz haben sie am Golf ausgerufen. Das Land will sich unter Kronprinz Mohammed als Soft Power positionieren. Die Rede von Toleranz und Extremismusbekämpfung ist dabei natürlich nicht ohne politische Dimension. Wie andere Golfmonarchien auch fürchten die Herrscher einen Islam, der religiösen Konservatismus und demokratische Elemente im islamischen Bezugsrahmen vereint.

Die Moslembrüder sind Staatsfeind Nummer eins, weil sie, anders als der IS, die Massen ansprechen können. Die Emirate gehörten deshalb von Anfang an zu den Unterstützern der Absetzung des zum ägyptischen Präsidenten gewählten Muslimbruder Mohammed Mursi. Sie stützten General Sisi mit Geld.

Der Großimam aus Kairo wiederum stützt den General theologisch, auch aus Eigeninteresse. Das theologische Establishment hat Angst, dass Moslembrüder und andere Extremisten ihnen die Deutungshoheit nehmen.

Bedrohung der Macht und harte religionspolitische Interessen

In weiten Teilen handelt es sich bei den Gesprächspartnern des Papstes um staatsnahe Religionsfunktionäre, die die Radikalisierung im zeitgenössischen Islam als Bedrohung auch der eigenen Macht erleben müssen. Es schließt sich um Papst Franziskus also ein Kreis von harten religionspolitischen Interessen.

Den anwesenden Kirchenführern ist das natürlich nicht entgangen. Na wenn schon, meint etwa das Oberhaupt der koptisch-katholischen Kirche, Patriarch Ibrahim Sidrak, im Pausengespräch. Sie alle wissen die Aufmerksamkeit zu schätzen, die den Christen durch den Papstbesuch geschenkt wird. Der Kirchenführer vom Nil gibt sich pragmatisch:

„Dieser Besuch wird helfen, das falsche Bild zu korrigieren, das viele Muslime vom Christentum haben“

Ein echtes Bemühen um theologischen Neuaufbruch zwischen Islam und Christentum

Doch es geht nicht nur um Religionspolitik und PR-Stunts. Ein Kenner der Szene sieht ein echtes Bemühen um theologischen Neuaufbruch am Werk:

„Es ist ein wirkliches Umdenken im Gang. Hier ist der alte Mainstream versammelt, dem es um einen spirituellen Islam geht. Sie versuchen, den von Anhängern des politischen Islam gekidnappten Diskurs zurückzugewinnen“

Dies meint Jahja Pallavicini. Er ist Präsident der Italienischen islamischen religiösen Gemeinschaft. Die Rolle der Päpste sieht er dabei als entscheidend an:

„Die letzten drei Päpste waren Propheten ihrer Zeit. Als muslimischer Theologe muss ich zugeben: Wir haben sie alle drei gebraucht.“ Johannes Paul II. sei natürlich der Pionier gewesen. Wenn Franziskus Ende März nach Marokko aufbreche, könne er an das anknüpfen, was der polnische Papst 1985 dort mit seinem Besuch begonnen habe:

 „Benedikt XVI. wiederum hat uns Muslime theologisch herausgefordert. Denken Sie an die Common-Word-Initiative, mit der sich islamische Führer nach der Regensburger Rede an die Christenheit gewandt haben. Unter Papst Franziskus jetzt geht es weniger um theologischen Dialog als um echte Kooperation im Geist der Brüderlichkeit. Wir sind in den letzten Jahren wirklich weit gekommen. Und ich glaube nicht, dass wir am Ende der Straße angelangt sind.“

Mehr Hintergründe zu Papst Franziskus und aktuellen katholischen Themen finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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