Laut dem Lyoner Weihbischof Emmanuel Gobilliard hat der französische Kardinal und Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, nicht aufgrund seiner Verurteilung im Zusammenhang mit der Vertuschung sexuellen Missbrauchs sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Bereits der Gerichtsprozess im Januar habe Barbarin zu diesem Schritt veranlasst, so Gobilliard im Gespräch mit der französischen Tageszeitung „La Croix“. Der Kardinal wäre auch zurückgetreten, wenn er nicht schuldig gesprochen worden wäre.
Treffen mit Papst soll bereits vor zwei Wochen beschlossen worden sein
Unmittelbar nachdem Kardinal Barbarin vergangenen Donnerstag wegen der Nicht-Anzeige sexueller Vergehen an Minderjährigen durch einen französischen Priester sowie unterlassener Hilfeleistung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war, kündigte er an, Papst Franziskus um seine Entlassung zu bitten. Was am Donnerstag noch den Anschein einer spontanen Entscheidung hatte, stand offensichtlich schon länger fest. Gobilliard zufolge sei der Termin des Treffens zwischen Barbarin und Papst Franziskus bereits vor gut zwei Wochen festgelegt worden.
„Die Opfer haben sehr gelitten, die Diözese hat sehr gelitten, daher ist es möglicherweise Zeit für eine Veränderung“, soll sich Barbarin gegenüber Gobilliard geäußert haben. Gleichzeitig nimmt der Lyoner Weihbischof den Primas von Gallien in Schutz: Barbarin trage die Last von Verbrechen, die er selbst nicht begangen habe, so Gobilliard in Bezug auf die Vergehen des Priesters Bernard Preynat, von denen Kardinal Barbarin länger Kenntnis gehabt haben soll, ohne einzuschreiten.
Barbarin plant "Bestandsaufnahme" der Erzdiözese Lyon
Gobilliard zufolge wird das Treffen zwischen Papst Franziskus und Barbarin, dessen Zeitpunkt nicht öffentlich gemacht werden soll, nicht nur den Rücktritt des Kardinals zum Thema haben. „Es geht auch darum, dass er schildert, was er erlebt hat, wie er den Prozess wahrgenommen hat, was er hier über Jahre hinweg erlebt hat, das Ausmaß der Missstände, des Schweigens...“ Barbarin wolle dem Papst eine „echte Bestandsaufnahme“ der Erzdiözese Lyon unterbreiten.
DT/mlu
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