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Jesuitenpater Mertes: Systemische Ursachen von Missbrauch anerkennen

Dass manche Missbrauch für Strukturreformen der Kirche instrumentalisieren wollten, sei eine Unterstellung, so der Jesuitenpater Klaus Mertes. Wenn die Kirche jetzt nichts unternehme, müsse sie in einigen Jahren „noch tiefer rangehen“.
Was sich Klaus Mertes vom Missbrauchsgipfel erwartet
Foto: Marius Becker (dpa) | "Man kann immer ein Haar in der Suppe finden. Das Glas kann halb leer sein, statt halb voll – aber dass das Treffen stattfindet, ist gut", so der Direktor des Kollegs St. Blasien, Klaus Mertes.

Der Jesuitenpater Klaus Mertes erhofft sich vom morgen beginnenden Missbrauchsgipfel im Vatikan, dass die Ursachen sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche, die seiner Ansicht nach systemisch sind, auf den Tisch gelegt und nicht mehr bestritten werden. „Und dass nicht mehr unterstellt wird, über solche Dinge zu sprechen bedeute, den Missbrauch zu instrumentalisieren für strukturreformerische Fragen der Kirche“, so der Direktor des Kollegs St. Blasien im Gespräch mit dem Kölner „Domradio“.

Missbrauchsgipfel für Mertes längst überfällig

Das Treffen der Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit ist für Mertes längst überfällig. „Ich finde es aber gut, dass es jetzt stattfindet. Man kann immer ein Haar in der Suppe finden. Das Glas kann halb leer sein, statt halb voll – aber dass das Treffen stattfindet, ist gut.“ Wenn die Kirche jetzt nichts unternehme, so der Jesuit, dann werde sie in zehn oder 20 Jahren „noch tiefer rangehen“ müssen. „Dann wird es sicher noch mehr knallen als jetzt“, so der 64-Jährige.

Mertes hatte 2010 als ehemaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs Fälle von Missbrauch an der Schule öffentlich gemacht und zahlreiche neue Erkenntnisse über Missbrauchstaten in Kirche und Gesellschaft zutage gefördert. Er gehört zu denjenigen, die im Zuge der Missbrauchskrise massive Reformen der Kirche forderten, darunter eine Lockerung des Zölibats, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen sowie ein Umdenken in der kirchlichen Sexualmoral. Jüngst verfasste er mit weiteren deutschen Theologen einen offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in dem er diesen darum bat, die Reformanliegen beim Missbrauchsgipfel zur Sprache zu bringen.

Mertes prominenter Befürworter von Strukturreformen der Kirche

Als Vorbeugung und Aufarbeitung der Missbrauchsfälle wünscht sich Mertes eine unabhängige Disziplinar- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese müsste die Verantwortlichen, einschließlich der Bischöfe, zur Rechenschaft ziehen können, wenn sie ihre Pflicht nicht tun.

DT/mlu

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