Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung

Hoffnung auf Stärkung, um die Barriere des Hasses abzubauen

Mit großen Hoffnungen warten Ordensschwestern auf den Papstbesuch am Nil. Von Michaela Koller
Foto: Koller | Die Borromäerinnen geben Christen und Muslimen ein Beispiel für die Friedensbotschaft der Christen.

Unter Hochdruck werden derzeit letzte Vorkehrungen für die Pastoralreise Papst Franziskus' nach Ägypten getroffen: „Wir hörten all diese Gerüchte und plötzlich wurde der Besuch für April angekündigt. In knapp sechs Wochen mussten wir alles vorbereitet haben“, sagt der griechisch-katholisch-melkitische Pfarrer Rafic Greiche, Sprecher der katholischen Bischöfe Ägyptens, im Gespräch mit der „Tagespost“. „Wir arbeiten gegen die Zeit bis zur Erschöpfung.“ Sie seien jedoch besonders glücklich, zu dieser Zeit den Papst zu empfangen, da sich in Alexandria und Tanta die beiden verheerenden Terrorakte kurz zuvor ereignet haben. Auf die Frage, ob es nicht zu gefährlich sei, Franziskus gerade jetzt am Nil zu empfangen, antwortet der Pfarrer knapp: „Es ist für jedermann eine Gefahr.“ Es sei gut, dass das Kirchenoberhaupt aufbreche, um bei ihnen zu sein. Schließlich sei es in Ägypten auch nicht gefährlicher als etwa auf den Champs-Elysée, Berlin, Nizza oder London, wo sich ebenfalls islamistisch motivierte Attentate ereignet hatten. „Der Terrorismus ist ein Virus, das sich weltweit ausgebreitet hat“, fährt er fort. Dass der Pontifex seine Pläne nach den blutigen Attentaten nicht geändert habe, die 49 Menschen insgesamt in den Tod rissen, zeige, dass er ein „mutiger Mann“ sei. „Er bestand persönlich darauf, in diesem Moment in diese gefährliche Gegend zu kommen.“ Er übermittle damit eine wichtige Botschaft und zeige, was er unter der Rolle eines Papstes verstehe. „Er tröstet seine Glaubensgeschwister in schwierigen Zeiten mit einer Botschaft der Hoffnung.“

Was dies heißt, wird in Gesprächen mit Katholiken, die eine Minderheit in der Minderheit darstellen, an den jüngsten Terrorschauplätzen deutlich: „Es ist eine große Freude und Ehre für uns Katholiken, dass so ein mutiger Papst zu uns kommt, mit dem klaren Ziel, Frieden zu stiften. Das stärkt uns den Rücken. Er ist der gute Hirte, der für seine Herde sorgt“, sagt Schwester Angela Riskalla von den Borromäerinnen an der Deutschen Schule in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria. Die Schwestern haben die Detonation der Bombe am Palmsonntag am Zugang zur Sankt-Markus-Kirche wenige hundert Meter entfernt in der Schule gehört. Die Scheiben vibrierten, die Großnichte der Oberin des Konvents der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus, Schwester Claudia Fakhry, kam noch knapp unverletzt davon.

Sie pflichtet Schwester Angela bei und fügt hinzu, Franziskus für Mut sowie Demut „umarmen“ zu können. Lebhaft erinnert sie an den letzten Papstbesuch am Nil: Sie hatte zuvor persönlich die Gelegenheit gehabt, mit Papst Johannes Paul II. über den Wunsch nach einem Pastoralbesuch am Nil zu sprechen, bevor dieses historisch erstmalige Ereignis schließlich stattfand. Schwester Antonia Fahmy antwortet auf die Frage nach den Nöten, die sie ihm gerne vortragen würden: „Was uns Christen hier im Land am meisten bewegt, ist die Freiheit des Glaubens.“ Als Beispiel nannte sie den Kirchenbau, der zwar auf höchster politischer Ebene für willkommen erklärt und gesetzlich erlaubt sei, jedoch in konkreten Fällen wiederholt vor Ort erschwert wurde. Sie freue sich zudem, dass die muslimische Mehrheit miterlebe, dass die Minderheit unter den rund zehn Prozent Christen im Land „so einen guten Vater“ habe.

Schwester Claudia wünscht sich darüber hinaus die Stärkung des Zusammenhalts der Christen untereinander, vor allem mit Blick auf die gemeinsame Gefährdung: „Ich rechne ständig damit, wenn ich irgendwo hingehe, dass ich geschlachtet werde wie viele andere auch, denn es wird viel gehetzt“, sagt sie gerade mit Blick auf die sozialen Netzwerke. Schwester Ancilla Kamel erkennt eine Ursache des feindlichen Klimas in den Lehrmaterialien, die trotz wiederholter Ermahnungen seitens der ägyptischen Regierung weiterhin von den Islamgelehrten, auch denen der Universität Al Azhar, verbreitet werden. „Wir müssen im Religionsunterricht gemeinsam erarbeiten, dass wir, ob Muslime oder Christen, alle Geschöpfe Gottes sind und die Religion nur die ganz persönliche Beziehung zu Gott betrifft.“

Um die „Barriere des Hasses und der Wut“ abzubauen, setzen die Schwestern auf gemeinsame Unterrichtseinheiten mit muslimischen Religionslehrern, in denen die gleiche Würde aller Menschen herausgestellt wird. „Am Anfang war dies schwierig, aber jetzt möchten alle dabei mitmachen“, berichtet Schwester Angela.

In ihrer Entscheidung, den ersten Schritt zum Frieden zu wagen und trotz zermürbender Anfänge an diesem Entschluss festzuhalten, sahen sie sich auch durch Franziskus und viele seiner Gesten, wie etwa zur Fußwaschung, bestärkt. Erste Wirkungen nach langem Durchhalten belohnten sie: Ein anfänglich rigider Muslim im Lehrerkollegium habe sich in den letzten Monaten grundlegend gewandelt, sich dabei für ihre Sprache geöffnet: „Was hat man Euch angetan und wie antwortet Ihr darauf? Mit Liebe“, so seien seine Worte gewesen, als die Schwestern jedem im Lehrkörper einen Osterpräsentkorb überreichten, eine Woche, nachdem sieben Mitchristen und sieben Sicherheitskräfte fünf Gehminuten entfernt durch das Sprengstoffattentat umgekommen waren.

Eine Schülerin der Deutschen Schule der Borromäerinnen war bereits zusammen mit drei anderen Familienangehörigen beim ersten großen Attentat in Alexandria in der Neujahrsnacht 2011 von der Bombe zerrissen worden. „Wir waren anfangs sehr um ihren Vater besorgt und haben ihn gleich besucht“, berichtet Schwester Ancilla. Er hatte seine gesamte Familie bei dem blutigen Angriff verloren. Er ist nicht verzweifelt, nicht verbittert, sondern stellt sich ganz in den Dienst anderer Überlebender und Angehöriger von Opfern, um sie zu trösten, in Alexandria wie auch in Tanta, wie die Schwestern berichten.

Die Schwestern freuen sich auf die Begegnung des Papstes am Samstag mit Ordensleuten der Region im Priesterseminar in Kairos Stadtteil Maadi. Anwohner haben in diesen Tagen bereits erstmals Besuch von Sicherheitskräften erhalten. Die Straßen um die Nuntiatur, in der der Papst die Nacht vom Freitag auf den Samstag verbringen wird, sind seit Tagen abgesperrt. Die Vorkehrungen für die Sicherheit zeigen sich aber in der gesamten 22-Millionen-Metropole durch zeitweilige Verkehrsumleitungen und Zufahrtsbeschränkungen inmitten eines ohnehin überlasteten Straßennetzes. „Malesch“ – „Macht nichts“, mit diesen Worten nehmen die Ägypter den zusätzlichen Verkehrsstress für die Sicherheit aller, die der hohe Besuch in die Stadt zieht, auf sich. Wenn es um den Zusammenhalt aller Ägypter geht, darf man eben nicht kleinlich sein.

Themen & Autoren

Kirche

Eine Tagung in Stift Heiligenkreuz mit Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Kurt Koch befasste sich mit der Relevanz des Priestertums heute. 
18.04.2024, 13 Uhr
Leander Lott