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Gottes menschliches Gesicht

Paul Badde stellt die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen zum Schweißtuch von Manoppello vor. Von Stefan Meetschen
Das Jesus-Foto oder das Geheimnis von Manoppello
Foto: dpa | Die Forschung zum Volto Santo in Manoppello macht nach wie vor Fortschritte.

In Zeiten, da die Glaubensgewissheiten vieler Katholiken verschiedenen schweren Prüfungen ausgesetzt sind, tut es gut, den Blick auf den zu richten, dem Millionen von Christen seit fast 2 000 Jahren nachfolgen – Jesus Christus. Dabei kann auch Paul Baddes neu erschienenes Buch „Von Angesicht zu Angesicht“ über den Schleier von Manoppello, den „kostbarsten Schatz der katholischen Kirche“, behilflich sein. Lange war dieser Schleier in einer abgelegenen Kirche der Abruzzen verborgen. Dann kamen zunächst ein Erdbeben, später eine Kette von hilfreichen Geistern und Zufällen und schließlich Paul Badde ins Spiel, dem es mithilfe von zahlreichen Büchern, Artikeln und Dokumentationen gelungen ist, das Gewebe mit dem „Heiligen Gesicht“ ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit zu rücken.

In „Von Angesicht zu Angesicht“ stellt Badde, dem man diesen monothematischen Eifer sicher leicht vergeben kann, nun noch einmal die Genese und die neuesten Erkenntnisse zu dem Schweißtuch („soudarion“) Christi in Manoppello vor: Die Geschichte des Paters Dominikus aus Cese, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts als kleiner Junge ein Erdbeben überlebte, dann viele Jahre später durch göttlichen Zufall im Angesicht den Mann wiedersah, der ihn aus den Trümmern errettete und zum ersten Apostel des Volto Santo von Manoppello wurde, ist dabei nur ein spannendes Highlight.

Badde würdigt bei dieser erneuten Expedition ins katholische Bildreich ohne Kollegenneid auch Renzo Allegri, jenen italienischen Journalisten, der Ende der 1970er Jahre mit einem Bericht in der Zeitschrift GENTE das „Bild vom Antlitz Jesu“ als „äußerst wertvolle Reliquie“ ins Bewusstsein der modernen italienischen Öffentlichkeit katapultierte. Allegri betonte, dass es sich um „das Antlitz einer lebenden Person“ handle, den „eben gerade auferstandenen Christus“. Dies war, wie Badde großzügig schreibt, „ein Quantensprung im Prozess der Rückkehr des Heiligen Schweißtuchs in die Geschichte der Menschheit“. Wie natürlich auch die dann später erfolgte Identifizierung des Gewebes als „Muschelseide“ ein wichtiges „missing link“ darstellt. Handelt es sich dabei doch um ein Gewebe, „das sich nicht bemalen lässt“.

Schließlich kam es im Jahr 2006 zur Reise von Papst Benedikt XVI. nach Manoppello, wo der deutsche Pontifex „das menschliche Gesicht Gottes“ zu sehen wünschte. Dieser Besucher machte, so schwärmt Badde vielleicht ein wenig zu überschwänglich, „das Heilige Schweißtuch dann aber innerhalb eines einzigen Tages weltweit mit Milliarden Menschen bekannt“.

Seit dieser päpstlichen Visite sind nicht nur wichtige Kardinäle und Bischöfe mit Manoppello auf Tuchfühlung gegangen, was der Autor ausführlich darlegt, auch die Forschung rund um das „Volto Santo" ist keineswegs eingestellt worden. Ein polnischer und ein italienischer Wissenschaftler fanden laut Badde im Jahr 2010 neues Wissens- und Staunenswertes heraus: „Stellt man 3-D-Bilder des Schleiers her, werden die Höhen und Tiefen des Gesichts partiell ,vertauscht ‘ dargestellt.“ Damit nicht genug: „Eine Augenärztin aus Zwickau entdeckte bei einem kleinen Ärztekongress vor dem Volto Santo im Jahr 2010, dass die Pupillendifferenz in den beiden Augen ein sicheres Indiz für eine ,stumpfe Augenverletzung‘ sei, die Jesus kurz zuvor erlitten haben muss, etwa durch einen Fausthieb.“

Auch Erfahrungen im mystischen Einzugsgebiet des Tuches sollen gegenwärtig nichts Ungewöhnliches sein: Eine Schriftstellerin aus Argentinien hörte, wie Paul Badde in seinem Buch schreibt, das ihr fremde Wort „Schekinah“, das auf die Präsenz der weiblichen Seite Gottes in Manoppello deuten könnte. Und vom „Schatzsucher“ Klaus Berger weiß der frühere FAZ- und Welt-Journalist und jetzige Herausgeber des Vatican-Magazins zu berichten, dass dieser „herausfand, dass die Grabtücher Christi aus Turin und Manoppello schon über 400 Jahre vor ihrer ersten öffentlichen Zurschaustellung und Verehrung in Europa eine wesentliche Rolle in der lateinischen Liturgie des römischen Messritus gespielt haben“. Was den erfahrenen Wortakrobaten und Stilisten mit Gottes Gnaden, Paul Badde, zu einer schönen Metapher inspiriert: „Die Liturgie insgesamt aber müssen wir uns mit ihren vielen Zeichen vorstellen als die innerste Speicherplatte der Erinnerung der Christenheit, als quasi unzerstörbare Harddisk der katholischen Kirche.“

Natürlich ist es Paul Badde im Laufe seiner leidenschaftlichen Manoppello-Forschungen nicht entgangen, dass es auch Forscher gibt, die im Rahmen von wissenschaftlichen Veranstaltungen und umfassenden Publikationen die von ihm vertretenen Theorien ablehnen – offenbar, was kein Zeichen von Souveränität wäre, ohne kritische Gegenstimmen einzuladen oder diese ausreichend zu Wort kommen zu lassen. Das muss, wie jede Form von Anmaßung und Ausgrenzung, wehtun.

Die ideale Vorbereitung auf den Sonntag „Omnis terra“

Doch Paul Badde, dieser vermutlich bekannteste Manoppello-Apologet der Gegenwart, lässt sich davon weder den Mund noch den Glauben verbieten. „Heute verteidigt das stille Tüchlein die Göttlichkeit Christi mächtiger und eloquenter als Athanasius der Große (296-373) dies im 4. Jahrhundert in seinem heldenmütigen Kampf gegen den Irrlehrer Arius (260-336) vermocht hat“, urteilt er kühn. Und an anderer Stelle heißt es: „Ohne ein konkretes Bild des lebendigen Gottes stürzt der ganze Glaube der Christen an die Menschwerdung Gottes ein wie ein Gewölbe, das mit seinen tragenden Kräften und Spannungsbögen nicht zusammenfindet.“ Ist das Volto Santo in der Baddeschen Hermeneutik also ein Zeichen an der Spitze einer katholischen Frömmigkeitsbewegung, die den Verlust des Glaubens im Schweiße Seines Angesichts zu verhindern versucht? Per Sichtkontakt mit Gott? Diesen Eindruck lässt der Autor zu.

Für Fans von Paul Badde und Manoppello, was Zielgruppen-technisch wohl auf das Gleiche hinausläuft, sei „Von Angesicht zu Angesicht“ zur Weihnachtszeit, aber auch schon mit Blick auf den Sonntag „Omnis terra“, an welchem die besondere Verehrung des Volto Santo gepflegt wird, sehr empfohlen. Anderen, dem Glauben fernstehenden, Leserkreisen könnte das Buch, das mit vielen Farbfotografien liebevoll versehen ist, eine interessante Hinführung bieten zu einem Bild, welches das oft so fehlerhaft-trübe Gesetz des menschlichen Handelns in der Kirche überstrahlt.

Paul Badde: Von Angesicht zu Angesicht. Das Antlitz Gottes in Manopello. Christiana-Verlag, Kißlegg 2017, 76 Seiten, ISBN 978-3-7171-1283-9, EUR 5,–

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