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Gegen die Verhärtung der Herzen und die Engstirnigkeit des Geistes

Im Wortlaut die Ansprache des Heiligen Vaters beim Angelus am 8. Juli.
Papst Franziskus im Vatikan
Foto: Andrew Medichini (AP) | Papst Franziskus im Vatikan. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im heutigen Abschnitt aus dem Evangelium (vgl. Mk 6,1-6) ist davon die Rede, dass Jesus nach Nazaret zurückkehrt und am Sabbat in der Synagoge lehrt. Seit er fortgegangen war, um in den benachbarten Ortschaften und Dörfern zu predigen, hatte er keinen Fuß mehr in seine Heimat gesetzt. Er ist zurückgekehrt. Daher wird der ganze Ort zusammengekommen sein, um diesen Sohn des Volkes zu hören, dessen Ruf als weiser Lehrmeister und mächtiger Heiler sich nunmehr in Galiläa und weit darüber hinaus verbreitet hatte. Doch was sich als Erfolg hätte abzeichnen können, schlug in vernichtende Ablehnung um, so dass Jesus keine Wunder wirken, sondern nur wenige Heilungen durchführen konnte (vgl. V. 5). Die Dynamik jenes Tages wird vom Evangelisten Markus in allen Einzelheiten rekonstruiert: Zunächst hören die Leute aus Nazaret zu und wundern sich; dann fragen sie sich perplex: „Woher hat er das alles?“, diese Weisheit?; und am Ende nehmen sie Anstoß, da sie in Ihm den Zimmermann, den Sohn Marias, erkennen, den sie haben aufwachsen sehen (V. 2-3). Daher schließt Jesus mit einer Formulierung, die sprichwörtlich geworden ist: „Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat“ (V. 4).

Wir fragen uns: wie kommt es, dass die Leute aus der Heimatstadt Jesu vom Staunen zur Ungläubigkeit übergehen? Sie nehmen eine Gegenüberstellung zwischen der einfachen Herkunft Jesu und seinen jetzigen Fähigkeiten vor: ein Zimmermann, er hat nicht studiert und doch predigt er besser als die Schriftgelehrten und wirkt Wunder. Doch statt sich dieser Tatsache zu öffnen, empören sie sich. Nach Meinung der Bewohner von Nazaret ist Gott zu groß, um sich zu erniedrigen und durch einen so einfachen Mann zu sprechen! Das ist der Skandal der Inkarnation: das befremdliche Ereignis eines Gottes, der Mensch wird, der mit dem Verstand eines Menschen denkt, mit den Händen eines Menschen arbeitet und handelt, mit dem Herzen eines Menschen liebt, ein Gott, der sich abmüht, der isst und schläft wie einer von uns. Der Sohn Gottes stellt jedes menschliche Schema auf den Kopf: nicht die Jünger haben dem Herrn die Füße gewaschen, sondern der Herr hat den Jüngern die Füße gewaschen (vg. Joh 13,1-20). Das ruft Empörung und Ungläubigkeit hervor, nicht nur zu jener Zeit, sondern zu jeder Zeit, auch heute.

Die von Jesus bewirkte Umwälzung verpflichtet seine gestrigen und heutigen Jünger zu einer persönlichen und gemeinschaftlichen Prüfung. Denn auch in unseren Tagen kann es vorkommen, dass Vorurteile genährt werden, die einen daran hindern, die Realität zu erfassen. Doch der Herr fordert uns dazu auf, eine Haltung demütigen Hörens und fügsamer Erwartung einzunehmen, da die Gnade Gottes sich uns häufig auf überraschende Weise zeigt, eine Weise, die nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt. Denken wir zum Beispiel gemeinsam an Mutter Teresa von Kalkutta. Eine einfache, kleine Schwester, - keiner hätte einen Zehner auf sie verwettet – die auf die Straßen ging, um die Sterbenden aufzusammeln und ihnen zu einem würdigen Tod zu verhelfen. Diese kleine, einfache Schwester hat mit dem Gebet und durch ihr Tun Wunder bewirkt! Die Kleinheit einer Frau hat das Wirken der Nächstenliebe in der Kirche revolutioniert. Das ist ein Beispiel unserer Tage. Gott passt sich Vorurteilen nicht an. Wir müssen uns bemühen, Herz und Verstand zu öffnen, um die göttliche Realität anzunehmen, die uns entgegenkommt. Es geht darum, Glauben zu haben: das Fehlen des Glaubens ist ein Hindernis für die Gnade Gottes. Viele Getaufte leben, als gebe es Christus nicht: die Gesten und Zeichen des Glaubens werden wiederholt, doch es entspricht ihnen keine wirkliche Verbundenheit mit der Person Jesus und seinem Evangelium. Jeder Christ – wir alle, ein jeder von uns – ist berufen, diese grundlegende Zugehörigkeit zu vertiefen, indem er versucht, sie mit einer entsprechenden Lebensführung zu bezeugen, deren roter Faden immer die Nächstenliebe sein muss.

Bitten wir den Herrn durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, die Verhärtung der Herzen und die Engstirnigkeit des Geistes zu lösen, damit wir für Seine Gnade, für Seine Wahrheit und für Seine Sendung der Güte und der Barmherzigkeit offen sind, die ausnahmslos an alle gerichtet ist.

Nach dem Gebet des Angelus und vor den Grüßen an einzelne Gruppen auf dem Petersplatz sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern!

Gestern haben wir in Bari mit den Patriarchen der Kirchen des Nahen Ostens und ihren Vertretern einen besonderen Tag des Gebets und des Nachdenkens für den Frieden in jener Region verbracht. Ich danke Gott für diese Begegnung, die ein beredtes Zeichen für die Einheit der Christen war und die sich der begeisterten Teilnahme des Gottesvolkes erfreut hat. Ich danke nochmals meinen Mitbrüdern, den Kirchenoberhäuptern, und allen, die sie vertreten haben; ihre Haltung und ihr Zeugnis waren wirklich erbaulich. Ich danke dem Erzbischof von Bari, demütiger Mitbruder und Diener, den Mitarbeitern und allen Gläubigen, die uns mit ihrem Gebet und ihrer freudigen Teilnahme begleitet und unterstützt haben.

Heute wird der „Tag des Meeres“ begangenen, der den Seeleuten und Fischern gewidmet ist. Ich bete für sie und für ihre Familien sowie auch für die Seelsorger und freiwilligen Mitarbeiter des Apostolats des Meeres. Besonders gedenken wir derer, die auf dem Meer unter unwürdigen Arbeitsbedingungen leben müssen; sowie auch aller, die sich bemühen, die Meere von Verunreinigungen zu befreien.

Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller

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