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Finanzskandal im Bistum: „System Eichstätt“

Der unabhängige Prüfbericht zum Finanzskandal im Bistum Eichstätt zeigt ein verheerendes Versagen vieler Verantwortlicher. Für Bischof Gregor Maria Hanke fällt das Urteil glimpflich aus. Von Kilian Martin
Bistum Eichstätt: Gregor Maria Hanke
Foto: KNA | Durch sein Drängen auf Transparenz hat Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke die Aufarbeitung des Finanzskandals in seinem Bistum ermöglicht.

Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke dürfte mittlerweile eine gewisse Übung darin haben, auch schmerzhafte Termine zu überstehen. Als am Dienstag jedoch der unabhängige Prüfbericht zum Finanzskandal im Bistum Eichstätt präsentiert wurde, konnte auch der Benediktiner seine Anspannung und Scham kaum verbergen. Seit Juli 2018 hatte eine Münchner Kanzlei die Ursachen und Hintergründe der erwarteten Millionenverluste durch zweifelhafte Investitionen in den USA untersucht. Was Anwalt Ulrich Wastl nun vorzutragen hatte, dürften jedoch selbst in Eichstätt in dieser Dramatik nicht viele erwartet haben.

Für den Bischof und sein Alter Ego Vollnhals fallen die Ergebnisse dabei weitestgehend entlastend aus. Stattdessen präsentierten die Anwälte nun eine ihrer Ansicht nach bislang wenig beachtete Person als zentrale Figur des Skandals: der ehemalige Finanzdirektor und Domdekan des Bistums Eichstätt.„Er ist aus unserer Sicht der dritte Hauptverantwortliche“, so Wastl über den Geistlichen im Ruhestand. Dieser habe „seine Pflichten gröblichst verletzt“. Auch sei es, so der Anwalt, nicht ersichtlich, dass der ehemalige Finanzdirektor selbst getäuscht wurde, wie dieser bislang behauptet hatte. So habe er selbst zugegeben, um die Struktur und das hohe Ausfallrisiko der fraglichen Investitionen gewusst zu haben. Die 31 auf Englisch abgefassten Darlehensverträge habe er zwischen 2014 und 2016 dennoch unterzeichnet, und das, „obwohl er des Englischen nicht mächtig war“, wie Wastl betonte.

First Class-Tickets nach Manila

Als weiteres Beispiel führte der Anwalt eine frühere Investition an, die das Bistum Eichstätt weitere fünf Millionen Euro kostete. Im Jahr 2012 habe sich das Bistum auf Betreiben des damaligen Finanzdirektors an der Gründung einer kläglich untergegangenen Reederei beteiligt. Besondere Brisanz erhält dieses Investment durch eine in diesem Zusammenhang getätigten Reise des Geistlichen, seines Stellvertreters sowie der damaligen Geschäftspartner nach Manila. Die Herren seien damals First Class auf die Philippinen geflogen. Die geschätzten 20 000 Euro Reisekosten für die beiden Bistumsvertreter hätten die Geschäftspartner getragen.

Bei der Frage nach der Rolle des früheren Domdekans im Finanzskandal stünden nun auch noch Fragen zu einem ominösen Konto im Raum, so Wastl weiter. Dieses sei im Jahr 2011 auf den Namen des Domkapitels eröffnet worden mit dem Hinweis „zur Verfügung DD“. Über die Herkunft der dort eingezahlten 52 000 Euro sowie deren Verwendung besteht laut dem Anwalt bislang keine Klarheit.

Bistum Eichstätt erstattet Anzeige gegen Firma in den USA

Nach der Untersuchung der Münchner Anwälte scheint es nun denkbar, dass auch die Strafverfolgungsbehörden weitere Ermittlungen in Sachen Eichstätter Finanzskandal aufnehmen werden. Eine erste Version des knapp 150-seitigen Papiers war der Staatsanwaltschaft bereits Ende Januar zugegangen, ebenso dem Apostolischen Nuntius, sowie den Kongregationen für den Klerus und die Bischöfe im Vatikan. Bislang laufen hierzulande staatliche Verfahren gegen den früheren Stellvertreter des Finanzdirektors sowie dessen in den USA lebenden Komplizen.

Die Kanzlei „Westpfahl Spilker Wastl“ vertritt die Diözese auch in diesem Verfahren. Wastl berichtete über den aktuellen Stand, dass von den insgesamt in ungesicherte Immobiliengeschäfte investierten 60 Millionen US-Dollar bislang lediglich sechs Millionen Dollar zurück an das Bistum geflossen seien. Weitere 44 Millionen Dollar seien bereits überfällig, die restlichen Investitionen würden es in diesem oder dem folgenden Jahr. In seinen Büchern hat das Bistum Eichstätt die gesamte Summe bereits vorsorglich als Totalverlust abgeschrieben.

Neben der persönlichen Verantwortung der Hauptakteure hatten sich die Anwälte vor allem mit den strukturellen Bedingungen befasst, die zu den massiven Fehlern und Verstößen in der Bistumsverwaltung geführt hatten. Die Ermittler wählten dafür den eindrucksvollen Begriff vom „System Eichstätt“. Sie bezeichnen damit eine „Grundhaltung eines Kreises hochrangiger Kleriker und Domkapitulare, die von ihnen usurpierte Leitungsmacht ohne Wenn und Aber zu verteidigen“. Die „faktischen Machtstrukturen“ in diesem System hätten das Leitbild des Bischofs missachtet und pervertiert. Brisant ist dabei vor allem die hohe Aktualität dieser Diagnose: „Das ,System Eichstätt‘ wurde von dieser Machtclique bis zur Transparenzoffensive des Bischofs im Herbst 2015 hartnäckig beibehalten und verteidigt.“ Damit hätten die Verantwortlichen „eine Organisationsstruktur etabliert bzw. perpetuiert, die letztlich einem ,Feuchtbiotop‘ für Straftäter im Vermögensbereich gleichkommt“, schreiben die Anwälte. Im Zentrum ihrer Kritik steht dabei das Eichstätter Domkapitel. Dessen Mitglieder würden teils bis heute eine „umfassende Teilnahme an der Leitung der Diözese“ beanspruchen, zugleich aber „die korrespondierende eigene Verantwortung nahezu ausnahmslos“ zurückweisen.

Massive Missstände auch in den Gremien

Allgemein kritisieren die Anwälte nun, dass gerade die einflussreichen Positionen der Diözesanverwaltung grundsätzlich mit hochrangigen Klerikern besetzt worden seien, ohne deren fachliche Kompetenz zu berücksichtigen. So sei etwa der Finanzdirektor nach Ansicht der Anwälte ohne erkennbare Eignung und damit kirchenrechtswidrig im Amt gewesen. Zugleich seien auch die Steuerungs- und Aufsichtsgremien unzulänglich aufgestellt gewesen. Ein Beispiel sei der diözesane Vermögensverwaltungsrat. Obwohl seit 1983 kirchenrechtlich vorgeschrieben, wurde dieser in Eichstätt erst 2005 ins Leben gerufen. Darüber hinaus sei dieser ausschließlich mit fachlichen Laien besetzt gewesen, wie die Prüfer monierten. Das einzige nicht geweihte Mitglied im Rat habe bei einer Befragung gar angegeben, „mit Geld nichts am Hut“ zu haben.

Auch dem Konsultorenkollegium, das den Bischof unter anderem in Angelegenheiten der Finanzen beraten soll, attestierten die Anwälte in ihrem Bericht erhebliche Mängel. So habe dieser Rat im untersuchten Zeitraum von 2004 bis 2016 überhaupt nicht getagt. Als Begründung sei angeführt worden, dass die Domkapitulare, die das Kollegium bilden, als Mitglieder der Ordinariatskonferenz ohnehin im operativen Geschäft der Diözese involviert seien.

Massive Missstände hätten die Anwälte zudem bei der Emeritenanstalt ausgemacht. Die Stiftung zeichnet für die Altersversorgung der Priester im Bistum Eichstätt verantwortlich und war mit etwa 10 Millionen Dollar an den US-Investitionen beteiligt. Auch beim Verwaltungsrat dieser Stiftung, deren Volumen sich zuletzt auf ungefähr 120 Millionen Euro belief, habe die fachliche Eignung in der Vergangenheit offenkundig keine Rolle gespielt. Die Mitglieder des Rats seien, so Wastl am Dienstag, nach der Länge ihrer Anreise zu den in Eichstätt stattfindenden Sitzungen ausgewählt worden.

Bischof Hanke folgte diesen Ausführungen trotz der teils frappierenden Deutlichkeit des Anwalts sehr gefasst. Der Großteil der aufgeführten Missstände dürfte dem Oberhirten ohnehin bereits bekannt gewesen sein, schließlich hat er in den zurückliegenden Jahren viel Energie darauf verwendet, sie abzustellen. So stellen die Prüfer ihm nun auch ein deutlich positives Zeugnis aus: Allein dem unbedingten Willen Hankes zur Transparenz sei es zu verdanken, dass der Skandal bekannt und diese Prüfung durchgeführt werden konnte. Der Bischof selbst gab dabei zu bedenken, dass die Arbeit trotz der grundlegenden Überarbeitung der Strukturen noch nicht abgeschlossen sei. Doch brauche es dazu Mitstreiter, und deren Zahl „könnte auch heute größer sein“, so der Bischof.

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