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Die Kirche als Familie

Kann die Kirche noch moralische Autorität zu den Fragen beanspruchen, die christliche Eheleute und Familien beschäftigen? Erfahrungen einer Teilnehmerin am Weltfamilientreffen 2018 in Dublin. Von Maria Pelz
Weltfamilientreffen in Dublin
Foto: Liam Mcburney (PA Wire) | Eine ganz besondere Freude war das Zusammentreffen mit drei sehr sympathischen jungen Schwestern der kontemplativen Gemeinschaft Stella Matutina, die in Deutschland in Telgte eine Niederlassung haben.

Weltfamilientreffen in Dublin 2018 – wie kann die Kirche in einem Moment der dramatischen Krise im Zusammenhang mit schweren sexuellen Verbrechen von Priestern und Bischöfen überhaupt noch moralische Autorität zu den Fragen beanspruchen, die Eheleute und Familien im Zusammenhang mit Sexualität und einer christlichen Lebensgestaltung beschäftigen? Und das in einer Situation, in der die Sachlage dermaßen unklar und nebulös ist, dass man den Eindruck hat, dass wir bisher möglicherweise nur die Spitze des Eisberges sehen können und der Papst sich weigert, kritische Nachfragen von Journalisten zu beantworten?

Von positiv gelebtem christlichen Familienbild ausgehen

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, wenn man in Treue zur Kirche stehen möchte und als Paar in der Familienarbeit aktiv ist. Und das ist nur eines der Probleme, die wir gerade mit unserer Mutter Kirche haben.  Vielleicht hat Jesus uns die Richtung einer möglichen Reaktion in Mt 23, 1-4 selbst gezeigt. Wir versuchen also, in unserem Einsatz nicht auf die Skandale zu schauen, sondern von positiv gelebtem christlichen Familienleben auszugehen und für dieses zu werben; Räume zu schaffen, in denen gelingendes Leben wachsen kann. Und wir versuchen, trotz des verständlichen und berechtigten Entsetzens, zu unseren Freunden, die die Lebensform des Priestertums leben, zu stehen – wir lassen uns nicht von einer (zugegebenermaßen im Moment in den Medien zu Recht dominanten) Minderheit unsere Freude am Glauben verderben.

Die Idee des "Eheweges" bekanntmachen

Drei Tage Einsatz beim Kongress auf dem Weltfamilientreffen in Dublin mit dem Projekt „Eheweg“ liegen nun hinter uns. Mit zwei weiteren Paaren aus unserem Schönstatt-Familienbund, flankiert von vielen Helfern aus der Schönstattbewegung, hatten wir uns für einen Stand in der Ausstellung, die die zahlreichen Workshops und Diskussionen flankierte, beworben. Wir möchten die Idee des „Eheweges“ bekanntmachen: Fünfzehn Stationen, die jeweils ein wichtiges Thema für das Gelingen einer guten Ehe behandeln. Die Stationen sind sehr ansprechend künstlerisch gestaltet, Stelen aus Plexiglas mit künstlerischen Elementen, Symbolen und einem Bibelwort, dazu ein kleines Heft mit den wichtigsten Texten und Anregungen zum Gespräch für die Ehepaare. Wir haben auch kistenweise ein ausführlicheres Heft mitgebracht, in dem zu jedem Thema ein grundsätzlicher Text, zahlreiche Lebensbeispiele und jeweils auch noch ein kurzer Text von Joseph Kentenich, dem Gründer unserer Gemeinschaft, enthalten sind, das Ganze auf Deutsch, Spanisch oder Englisch.

Zahlreiche Interessierte aus aller Welt

Nach einem Tag Aufbau – wir haben vier mobile Stationen mitgebracht und die Textstellen auf den Stelen auf Englisch ergänzt - und drei Tagen Einsatz können wir ein sehr positives Fazit ziehen. Unsere Erwartungen sind bei weitem übertroffen worden. Wir waren als Gruppe praktisch ständig im Einsatz. Unser Stand war günstig gelegen, zwischen der Haupthalle der Ausstellung und dem Gebetszelt auf einer Wiese – als absolut notwendig erwies sich bei dem unbeständigen irischen Wetter der Unterstand unter einem Dach: An einem der Tage wechselten wir gefühlt zehnmal mit unserem Tisch von der Wiese unter das schützende Dach und zurück.

Wir konnten mit zahlreichen Interessierten aus aller Welt sprechen, sie informieren, ihnen zuhören und ihre Anliegen aufnehmen und viele neue Kontakte knüpfen. Hier nur einige Beispiele:

Ein Priester aus der Slowakei, der ein Familien-Exerzitienhaus leitet und sehr gute Erfahrungen damit gemacht hat, Paare zu einem gemeinsamen Weg in der Natur einzuladen, möchte sich als Inspiration einen Eheweg anschauen – wir können ihn nach Ungarn schicken, von wo diese Idee ursprünglich stammt. Mehrere Familien von der Bewegung "Marriage Encounter" aus unterschiedlichen Ländern haben vorbeigeschaut, intensiv mit uns gesprochen und unsere Texte gerne als Anregungen für ihre Gemeinschaftsabende mitgenommen. Das war eine sehr schöne Erfahrung für uns – wir sind als Geschwister gemeinsam auf dem Weg und haben die gleichen Anliegen, wenn wir sie auch in verschiedenen Gemeinschaften mit unterschiedlichen Ansätzen leben.

Ein irisches Ehepaar probierte den Eheweg praktisch aus

Eine ganz besondere Freude war das Zusammentreffen mit drei sehr sympathischen jungen Schwestern der kontemplativen Gemeinschaft Stella Matutina, die in Deutschland in Telgte eine Niederlassung haben. Sie haben sich dazu entschlossen, unser Projekt im Gebet zu unterstützen – eine Partnerschaft der katholischen Art und Weise. Ein irisches Ehepaar nahm sich die Zeit, den Eheweg praktisch auszuprobieren und suchte sich dafür die Station „Herausforderungen“ aus. Während sie dem Text lauschten, dauerte es keine zwei Minuten, bis sie sich an den Händen fassten, bevor sie dann ins Gespräch vertieft weitergingen. Kurz danach kam ein Südamerikaner vorbei. Im Gespräch stellte sich heraus, dass er Priester und der Verantwortliche für die Familienpastoral im Norden Mexicos ist. Auch er freute sich über eine Broschüre.

Ein kurzer Stopp eines Iren: „Meine Frau schickt mich, ich soll noch so ein Heftchen holen!“. Das nächste Gespräch: Ein taiwanesisches Ehepaar, das sich sehr über ein kurzes Gespräch freute. Sieben kleine französische Kinder zwischen drei und acht Jahren spielen zehn Minuten mit uns, während ihre Eltern sich etwas erholen. Eine junge Frau, die in ihrer englischen Pfarrei einen Familienkreis organisiert, holt sich bei uns Anregungen. Eine Familie, die mit fünf Kindern aus Australien angereist ist, nimmt gerne ein englisches Büchlein mit. Erst einer, dann zwei Bischöfe aus dem Süde Irlands, bleiben stehen, es entwickelt sich ein anregendes Gespräch über Famlienpastoral und die Besonderheiten der irischen Kultur und Sprache.

Der nigerianische Familienbischof hört sich die Einführung ins Projekt an

Weil wir an einer Kreuzung stehen, fragen auch immer wieder Menschen nach dem Weg. Ein kanadisches Ehepaar aus den Rockies nördlich von Vancouver fragt nach unserer Gemeinschaft und Kontakten in den Vereinigten Staaten. Der Familienbischof aus Nigeria hört sich unsere kurze Einführung in unser Projekt zustimmend an und verweist uns dann an seinen Familienbeauftragten, der gerne zuhört und sehr an unseren Unterlagen und der Webpage interessiert ist.

Besondere Atmosphäre des Wohlwollens

Was uns besonders auffällt, sind die Unterschiede zu anderen Veranstaltungen, die wir mit unserem Projekt schon besucht haben. Hier sind es vor allem die Multiplikatoren, die Interesse an dem Projekt zeigen: In der Ehepastoral engagierte Laien und Priester, die froh sind über Anregungen. So ist eines der Ergebnisse eine wachsende Vernetzung des Eheweg-Projektes mit anderen ähnlichen Initiativen in der Kirche weltweit. Und es ist diese besondere Atmosphäre des Wohlwollens. Anders als sonst geht es weniger um den Umgang mit kritischen Bemerkungen zur Einstellung der Kirche zu Ehe und Familie, sondern um das Kennenlernen und Austauschen von und mit engagierten und überzeugten Katholiken. Die gegenseitige Stärkung und Unterstützung nehmen wir als Geschenk mit nach Hause.

Mit vielen bunten Visitenkarten im Gepäck und einem vollen Notizblock reisen wir wieder ab. Kirche als Familie – für uns wurde diese schöne Vision auf dem Familienkongress in Dublin erlebbare Wirklichkeit.

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