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Corona-Exerzitien: Freude aus dem Wort Gottes

Wenn der Staat zum Rückzug aus der Welt zwingt, erkennt der gläubige Christ dahinter den Ruf Jesu, den Lärm hinter sich zu lassen, um seine Stimme zu hören. Die Prüfungszeit kann so zu einer Exerzitienzeit werden.
Bibelstudium in Corona-Zeiten
Foto: Holger Hollemann (dpa) | Beim bedächtigen Lesen in der heiligen Schrift gilt es jedes Wort aufmerksam, mit Liebe und mit tiefem Glauben an seine Wirksamkeit in die Seele aufzunehmen.

Im „Buch vom strömenden Lob“, der von Hans Urs von Balthasar herausgegebenen Anthologie aus dem Werk der heiligen Mechthild von Hackeborn, können wir lesen, was der Herr einmal zu ihr über den Fall sagt, dass jemand aus irgendeinem Grund am Empfang der heiligen Kommunion gehindert ist: „Er mag sich aufhalten, wo er will, ich bin dort und ihm gegenwärtig.“

Und er verrät auch, was passiert, wenn jemand nur aus der Entfernung die heilige Messe anhören kann. In diesem Fall kann er noch Gottes Wort aufnehmen, das „lebendig und wirksam und durchdringend“ (Hebr. 4, 12) ist. Und der Herr fügt hinzu: „Gottes Wort verlebendigt die Seele und gießt ihr geistliche Freude ein.“

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Die Zeit nutzen, um mit Gottes Wort vertraut zu werden

Wenn uns also in dieser Zeit der Trennung vom eucharistischen Herrn Trauer überkommen will, dann nehmen wir Zuflucht zu seinem Wort als einer Arznei gegen diese Trauer: Es gießt uns geistliche Freude ein. Schlagen wir zum Beispiel die Heilige Schrift oder den Schott auf und betrachten wir die liturgischen Texte vom Tag! Nutzen wir die Coronazeit für Meditation und das Vertrautwerden mit dem Wort Gottes!

Doch wann stellt sich jene Freude ein? Es geschieht dann, wenn sich uns das Wort in seiner inneren Bedeutung erschließt. Wenn wir einen biblischen Text bloß lesen und es dabei belassen, dann ist er zunächst etwas Totes. Dass ein Wort uns auf Anhieb trifft und ins Herz geht, kann vorkommen, ist aber eher die Ausnahme. Der Normalfall besteht darin, dass wir das Wort meditieren, es im Herzen bewegen, es gewissermaßen ausbrüten. Das tat auch Maria, von der im Evangelium mehrere Male berichtet wird, sie habe die Worte ihres göttlichen Sohnes nicht verstanden, aber in ihrem Herzen bewahrt.

Der erste Schritt besteht also darin, beim bedächtigen Lesen Wort für Wort aufmerksam, mit Liebe und mit tiefem Glauben an seine Wirksamkeit in die Seele aufzunehmen. Vor der Schriftlesung sollten wir diesen Glauben und diese Liebe ausdrücklich in einem Gebet erwecken.

Das Wort Gottes wird immer lebendiger

Und dann denken wir über das Gelesene nach. Das Ziel dieses Nachdenkens ist das Kennenlernen des Herrn und die Entdeckung dessen, was Er uns durch sein Wort sagen will. Dazu können wir uns Fragen stellen. Wenn es sich zum Beispiel um eine Szene aus seinem Leben handelt, können wir uns etwa fragen: Warum tut Jesus das? Warum geht er ausgerechnet so vor, zum Beispiel in der Art, wie er jemanden heilt? Warum stellt er diese Frage? Warum sagt er das jetzt? Wie muss es auf den Zuhörer gewirkt haben? Was hat dieser erwartet? Was hätte ich erwartet? Wie hätte das Wort, das Handeln des Herrn auf mich gewirkt, wenn ich damals davon betroffen gewesen wäre?

Wir können die Szene mit anderen Szenen aus dem Leben Jesu vergleichen. Je besser wir die Heilige Schrift kennenlernen, um so mehr Vergleiche und Querverbindungen fallen uns ein, die sich gegenseitig erhellen.

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So schreiten wir von Entdeckung zu Entdeckung. Das Wort Gottes wird immer lebendiger, der Herr kommt uns immer näher. Denn jedes Wort, das Jesus spricht, kommt aus seinem Herzen. Immer mehr erspüren wir aus seinen Worten seine glühende Liebe zu uns, seinen unbändigen Willen, uns zu retten, seine Sehnsucht, unser Vertrauen zu gewinnen. Er wusste damals, dass wir es jetzt lesen. Sein Wort wird ein unmittelbarer Anruf an uns. Wir hören seine Stimme.
Der heilige Alfons berichtet, dass Christus einmal zur heiligen Theresa von Avila gesagt habe: „Ich würde zu vielen Seelen reden, aber die Welt macht so viel Geräusch in ihren Ohren, dass sie meine Stimme nicht vernehmen können. O, wenn sie sich doch nur ein wenig von der Welt zurückziehen wollten!”
Wenn uns nun der Staat zum Rückzug aus der Welt zwingt, dann erkennt der gläubige Christ dahinter den Ruf Jesu, den Lärm der Welt hinter sich zu lassen, um seine Stimme zu hören. So kann diese Prüfungszeit zu einer Exerzitienzeit für uns werden. Es liegt an uns, sie in diesem Sinne zu nutzen.

Und wenn wir dann nach langer Zeit den Herrn endlich wieder sakramental in der heiligen Kommunion empfangen können, wie ganz anders wird es dann sein! Es wird sein wie die Wiederbegegnung mit einem geliebten Menschen, den wir inzwischen viel besser kennen gelernt haben. Es wird die Wiedersehensfreude sein wie zwischen zwei sich liebenden Menschen, die nach langer Trennung wieder zusammen kommen und sich vor lauter Freude um den Hals fallen.

Der Beitrag stellt den Auftakt zu einer täglich Serie dar, in der Theologen und Seelsorger geistliche Betrachtungen zur gegenwärtigen Corona-Krise äußern

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