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Chinesischer Aktivist: Abkommen mit Vatikan ist „lächerlich“

Die chinesische Regierung betrachtet Religion zunehmend feindseliger, meint der chinesische Menschenrechtsaktivist Chen Guangcheng. Glaube stehe im Widerspruch zum Atheismus, den die Partei propagiere.
Kritik am Abkommen zwischen China und Vatikan
Foto: Stephan Scheuer (dpa) | „Ich bin mit diesem System von Staat und Partei aufgewachsen und habe die Gewalt und Brutalität der kommunistischen Partei persönlich erlebt“, so Chen in seinem Essay.

Der chinesische Menschenrechtsaktivist Chen Guangcheng hat das Abkommen zwischen China und dem Vatikan über Bischofsernennungen deutlich kritisiert. In einem Essay für das Online-Magazin „The Public Discourse“ nennt der 47-jährige Dissident den im September geschlossenen Deal „lächerlich“.

Chen: Mitglieder der Untergrundkirchen fühlen sich verraten

Chen, der seit seiner Kindheit blind ist, wurde vom chinesischen Regime verhaftet, weil er sich gegen Zwangsabtreibungen und -sterilisierungen im Zuge der „Ein-Kind-Politik“ engagiert hatte. Im Jahr 2012 konnte er aus China fliehen und lebt seitdem in den USA. Er hält immer wieder Vorlesungen an der „Catholic University of America“ in der Hauptstadt Washington, D.C.

„Ich bin mit diesem System von Staat und Partei aufgewachsen und habe die Gewalt und Brutalität der kommunistischen Partei persönlich erlebt“, so Chen in seinem Essay. „Und ich kenne zahlreiche Personen in China, mit denen ich zusammenarbeite, die aufgrund ihrer Überzeugungen verfolgt werden.“ Daher sei er überzeugt, dass die aktiven Mitglieder der chinesischen Untergrundkirchen, die bereits so lange der erdrückenden Verfolgung standhielten, sich durch das Abkommen verraten fühlten.

Immer mehr Chinesen setzen Vertrauen in den Glauben

Die Annäherung des Vatikan an die chinesische Regierung bringe hochrangige Geistliche einer Kommunistischen Partei näher, „die für den Tod von mehr als 400 Millionen ungeborener Kinder und Hunderten Millionen chinesischer Bürger verantwortlich ist“, so der Lebensschutz-Aktivist. Zudem betonte Chen, dass die chinesische Regierung Religion zunehmend feindselig betrachte, während immer mehr Chinesen ihr Vertrauen in einen Glauben setzen, der höher sei als der Parteistaat.

Die Regierung verhafte Priester, bedrohe Kirchgänger und durchsuche Kirchen und andere Orte der Anbetung. „Viele sind verschwunden oder wurden unter der Kontrolle des Regimes gefoltert, weil sie sich weigerten, ihren religiösen Überzeugungen für eine erniedrigende, intolerante politische Partei aufzugeben“, schreibt Chen. Die Religion stehe im Widerspruch zum „eigennützigen Atheismus“ und der extremen Partei-Loyalität, die die chinesische Führung verlange.

Diplomatische Beziehungen waren seit 1951 unterbrochen

Der Vatikan und China hatten im September ein "vorläufiges Abkommen" zur Ernennung von Bischöfen geschlossen. Papst Franziskus erkannte acht regierungstreue Bischöfe an, die ohne päpstliche Zustimmung geweiht worden waren. Damit stehen erstmals seit über 60 Jahren alle katholischen Bischöfe Chinas in Gemeinschaft mit Rom.

Die Ernennung katholischer Bischöfe und die Anerkennung bereits amtierender regierungstreuer, aber ohne Zustimmung Roms geweihter Oberhirten waren entscheidende Hindernisse in der Annäherung beider Länder. Deren diplomatische Beziehungen sind seit 1951 unterbrochen.

DT/mlu

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