Der wegen seinem Umgang mit der Schoah viel umstrittene Papst Pius XII. steht laut dem Vatikan-Archivar Johan Ickx auf der gleichen Stufe mit Judenrettern wie Oskar Schindler (1908-1974). Deswegen könne die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Pius XII. auch guten Gewissens als "Gerechten unter den Völkern" ehren, so Ickx, Leiter des Archivs für die auswärtigen Beziehungen des Staatssekretariats, gegenüber der italienischen Zeitschrift "Famiglia Cristiana".
Heiliger Stuhl wollte so viele Menschenleben wie möglich retten
Ickx bezog sich damit auf historische Akten des Staatssekretariats, die rund 2.800 Hilfeersuchen an den damaligen Papst von schätzungsweise insgesamt 4.800 Personen enthalten. Die Dokumente wurden nach den Worten von Ickx von vornherein unter dem Schlagwort "Juden" angelegt – normalerweise werden Dossiers unter Ländernamen geführt.
Der Archivar bekräftigte, dass der Heilige Stuhl beständig und aktiv durch das Staatssekretariat Mittel und Wege gesucht habe, um "so viele Menschenleben wie möglich zu retten". Dabei habe sich der Heilige Stuhl verständlicherweise mit der "Unparteilichkeit und diplomatischen Vorsicht" des Vatikan verbinden müssen. Zu behaupten, dass Pius XII. und der Vatikan aufseiten der Deutschen gestanden hätten, sei aber falsch.
Kritik für frühzeitige Veröffentlichung einzelner Dokumente
Außerdem zeige der Vatikan im Umgang mit den Akten bezüglich der Schoah größte Transparenz, betonte Ickx. So seien sämtliche Dokumente des Pontifikats von Pius XII. aus dem Zeitraum von 1939 bis 1948 digitalisiert und zugänglich. Der Oberrabbiner von Rom, Riccardo Di Segni, hatte im März 2020 eine frühere Veröffentlichung einzelner Kuriendokumente als „Sensationalismus“ kritisiert. So sei bekannt, dass der Vatikan nichts unternommen habe, um einen Zug mit 28 Waggons zu stoppen, mit dem 1.022 Juden aus Rom deportiert wurden. DT/vwe
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